Urteil des BundesgerichtsDas Verwaltungsgericht muss klären, wann Isabel Garcia den Parteiwechsel beschloss
Die Zürcher Politikerin Isabel Garcia lief wenige Tage nach den Wahlen von der GLP zur FDP über. Das Bundesgericht hiess eine Beschwerde dagegen gut – jetzt liegt das schriftliche Urteil vor.
Was darf eine gewählte Politikerin? Vieles, findet das Bundesgericht, aber wenn sie unmittelbar nach den Wahlen ihre Partei wechselt, könne das auch aus rechtlicher Sicht unzulässig sein.
Eben dies hatte Isabel Garcia im Februar 2023 getan. Sie war für die Grünliberalen in den Zürcher Kantonsrat wiedergewählt worden, elf Tage später lief sie zur FDP über.
In einer öffentlichen Verhandlung beriet das Bundesgericht im vergangenen Mai 2024 diese Vorgänge. Grund war eine Beschwerde von sechs Personen, angeführt von Benjamin Gautschi, einem Zürcher Jus-Studenten und Mitglied der Jungen GLP.
Parteiwechsel sind erlaubt, aber …
Nun liegt das schriftliche Urteil vor. Die obersten Richter stellen darin zwar nicht direkt fest, Garcia habe die Wählerinnen und Wähler getäuscht. Aber auszuschliessen sei das nicht.
Politikerinnen und Politiker hätten zwar die Freiheit, jederzeit nicht nur ihre politischen Überzeugungen zu ändern, sondern in der Konsequenz auch die Parteizugehörigkeit, heisst es im Urteil. Ein Parteiwechsel bedeute im Grundsatz keine Verletzung der politischen Rechte der Wahlberechtigten.
Diese Freiheit habe jedoch eine Grenze. Wo diese verlaufe, gebe der Artikel 34 der Bundesverfassung vor. Dieser lautet im zweiten Absatz: «Die Garantie der politischen Rechte schützt die freie Willensbildung und die unverfälschte Stimmabgabe.»
Die Beschwerdeführenden stellen sich auf den Standpunkt, dass diese Grenze überschritten worden sei: Die Stimmberechtigten seien in die Irre geführt worden, indem sich Garcia für die GLP zur Wahl stellte, obwohl sie zum Zeitpunkt bereits den Entscheid gefasst habe, die Partei zu verlassen. Damit habe sie die Wahlberechtigten getäuscht.
Bundesgericht sieht Anlass für Untersuchung
Für die rechtliche Einordnung des Parteiwechsels setzten sich die Bundesrichter mit dem Zürcher Wahlsystem auseinander. Dieses gewichtet die Listenstimmen gegenüber den Stimmen, welche die Kandidierenden erhalten, hoch; nämlich nach der Methode des «doppelten Pukelsheims».
Damit spiele es für die Wahl eine entscheidende Rolle, auf welcher Liste der Name einer Kandidierenden steht, so das Bundesgericht sinngemäss.
Daraus folgt: Wer für den Kantonsrat kandidiere und den Stimmberechtigten die «wahre» Parteizugehörigkeit vorenthalte, führe die Wählerschaft in die Irre. Stelle sich das erst heraus, wenn die betreffende Kandidatin bereits gewählt ist, handle es sich um eine schwere Irreführung, welche gerichtlich untersucht werden müsse: «Der Parteiwechsel einen Tag nach Ablauf der Beschwerdefrist und ohne ersichtlichen Grund gibt in der Tat Anlass zu einer entsprechenden Untersuchung durch die zuständigen Behörden. Eine solche ist bislang ausgeblieben.»
Fall geht vor Verwaltungsgericht weiter
Entscheidend sei, ob Isabel Garcia den festen Entschluss zum Parteiwechsel bereits zum Zeitpunkt der Wahl gefasst und entsprechende Vorkehrungen getroffen oder Aussagen gemacht hatte. Dies als erste Instanz zu klären sei nicht Aufgabe des Bundesgerichts, heisst es im Urteil.
Deshalb werde die Sache an das Zürcher Verwaltungsgericht überwiesen. Dieses muss nun «im Sinne der Erwägungen» des Bundesgerichts überprüfen, ob die Wählerschaft im Fall Garcia in die Irre geführt worden ist.
Anders als in einem Strafverfahren wird die Untersuchung aber nicht von Amtes wegen durchgeführt. Es ist an den Beschwerdeführenden, dem Gericht Beweise für ihre Darstellung zu vorzulegen – und an Garcia, ihre Version zu belegen. Dafür dürfen beide Seiten auch Zeugen aufrufen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.