Interview Thomas Schäfer«Mit kleinen Modellen ist es schwieriger, Geld zu verdienen»
Der VW-Chef über künftige Elektromodelle der Marke, Kostenstrukturen, komplexe Technik und neue Konkurrenz aus China.
Mit dem ID.7 führte VW kürzlich ein weiteres Elektrofahrzeug auf dem Markt ein. Die Limousine der oberen Mittelklasse bietet gut 600 Kilometer Reichweite, bald soll eine Variante mit 700 Kilometern folgen. Ausserdem steht der für den europäischen Markt so wichtige Kombi mit dem Namenszusatz Tourer in den Startblöcken. Auf ein Modell der Einstiegspreisklasse müssen die Kunden allerdings noch warten.
Herr Schäfer, welchen Stellenwert hat der ID.7 für VW?
Der ID.7 ist für uns sehr wichtig, weil er unser Elektro-Portfolio nach oben abrundet. Für Europa noch wichtiger als die Limousine wird der Tourer. Das Auto kommt Mitte des Jahres auf den Markt. Die ersten Reaktionen sind sehr positiv. Wir schätzen, der Tourer wird in Europa rund 80 Prozent der ID.7-Verkäufe ausmachen.
Aktuell schwächelt der E-Markt jedoch, VW musste die Produktion einzelner Modelle herunterfahren. Kommt das Auto zum falschen Zeitpunkt?
Der Gesamtmarkt schwächelt in der Tat, weil es aufgrund des wirtschaftlichen Umfelds eine gewisse Verunsicherung gibt, viele Länder Fördermassnahmen zurückgenommen haben und die Strompreise gestiegen sind. Grundsätzlich gehört der E-Mobilität aber die Zukunft. Es wäre ein Fehler, im aktuellen Zwischentief fehlende Nachfrage zu überspielen, grosse Volumen zu produzieren und dann die Fahrzeuge mit massiven Verkaufshilfen in den Markt zu bringen, um Marktanteile zu erkaufen. Das ist nicht nachhaltig. Damit verdirbt man das Preisniveau und die Marge und auf lange Sicht die Restwerte. Der richtige Weg ist, vorübergehend die Produktionskapazitäten anzupassen – das haben wir getan.
«Die chinesischen Hersteller werden feststellen, dass Europa kein einfacher Markt ist.»
Es gibt Wettbewerber, die drehen aggressiv an der Preisschraube, um Autos abzusetzen.
Das ist ein schwieriges Thema. Damit beschädigt man die Restwerte seiner Modelle und verärgert auch die Kundschaft. Stellen Sie sich vor, Sie kaufen heute ein Auto und erfahren morgen aus den Medien, dass es jetzt 4000 Franken billiger sei. Wir setzen auf eine gestärkte Produktsubstanz in unseren Autos, auf Preisstabilität und passen lieber vorübergehend die Produktion an.
Mit ID.7 und ID.5 ist VW im oberen Segment recht gut aufgestellt. Was kommt noch in diesem Segment?
Der geplante Trinity schliesst die Lücke zwischen ID.5 und ID.7. Wir könnten später auch noch einen grossen Elektro-SUV in der Klasse des Touareg bringen. Das ist aber noch nicht entschieden.
Die grosse Lücke im Modellprogramm ist ja auch nicht im oberen Segment, sondern wesentlich weiter unten. Der E-Up ist Historie, wie kolportiert wird, haben Sie mit jedem verkauften Auto viel Geld verloren.
Die angeblichen Verluste beim E-Up sind Fantasiezahlen. Aber klar, mit kleinen Modellen ist es generell schwieriger, Geld zu verdienen. Je kleiner das Fahrzeug ist, umso schwieriger ist das. Bei unserem geplanten ID.2 All ist die Aufgabe, unter 25’000 Euro zu bleiben, das ist harte Arbeit. Eine auskömmliche Marge auch mit kleinen Fahrzeugen zu erzielen, das ist schon Champions League. Aber das bleibt unser Anspruch.
Der ID.2 soll erst 2025 herauskommen. Ist das nicht ein bisschen spät? Die Konkurrenz von Stellantis wird früher am Markt sein, Tesla hat ein 25’000-Euro-Modell angekündigt und auch die Chinesen drängen auf den europäischen Markt.
Angekündigt heisst ja noch nicht, dass die Autos auch auf dem Markt sind. Für uns ist jedenfalls klar, dass auch ein kleines Elektroauto zu 100 Prozent das VW-Markenversprechen erfüllen wird – bei Design, Qualität, Innovationen. Insgesamt gilt es, richtig zu priorisieren. Wir sind in einer herausfordernden Übergangsphase und müssen parallel in Elektrofahrzeuge und Verbrenner investieren, in Software, in Batteriefabriken, in autonomes Fahren. Wir arbeiten daran, dass Budget und Planungen für den Elektrokleinwagen bald final stehen und darüber entschieden werden kann.
«Wir bedienen mit einer Vielzahl an Modellen den Weltmarkt. Dabei müssen wir aber effizienter werden.»
Die Batterie ist der Hauptkostenfaktor. Wo liegt man bei den Kosten – und gibt es genügend Produktionskapazitäten?
Die Kapazitäten sind nicht das Problem. Es gibt genügend Angebote, vor allem aus China, mit Zellkosten ab rund 100 Euro pro Kilowattstunde, abhängig natürlich von der Zellchemie. Lithium-Eisenphosphat-Batterien sind günstiger als Nickel-Mangan-Kobalt-Akkumulatoren. Klar ist: Wir wollen uns nicht von einzelnen Lieferanten abhängig machen und setzen regional differenziert auch auf unsere eigenen Batteriefabriken in Deutschland, Spanien und Kanada. Kanada wird den amerikanischen Markt versorgen, die beiden anderen Fabriken werden erst einmal für den europäischen Markt ausreichen. Eine zusätzliche Fabrik etwa in Osteuropa ist weiter in Diskussion, aber da muss jetzt noch keine Entscheidung gefällt werden.
Die Konkurrenz aus China bietet nicht nur günstige Batterien an, sondern drängt auch mit Fahrzeugen auf den europäischen Markt. Sind die von der EU angedachten Schutzzölle der Weg, wettbewerbsfähig zu bleiben?
Protektionismus ist immer schädlich. Wir setzen auf den Markt und freien Handel. Selbstverständlich müssen dabei gleiche Regeln für alle gelten, aber die Autowelt ist eine internationale Welt. Dass die chinesischen Hersteller nach Europa drängen, ist klar, es ist der ertragreichste Markt der Welt. Allerdings werden sie feststellen, dass es auch kein einfacher Markt ist, die technischen Spezifikationen wie Sicherheitsvorschriften sind anspruchsvoller als in China. Dazu kommen Punkte wie Ersatzteilbevorratung, Handel, Werkstätten. Viele der chinesischen Hersteller haben nur ein oder wenige Modelle oder eine Plattform – wir bedienen mit einer Vielzahl an Modellen den Weltmarkt mit unterschiedlichsten Anforderungen. Dabei müssen wir aber effizienter werden. Wenn Sie sich den Golf 8 anschauen, sind dort rund eine Million Softwarevarianten im Einsatz. Beim ID.7 haben wir diese Varianz jetzt durch Pakete deutlich auf 70 reduziert. Wir senken damit die Komplexität und erzielen Kosteneffekte, die wir dem Kunden weitergeben können.
Dieser Artikel stammt aus der «Automobil Revue» – www.automobilrevue.ch
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