Lausannes JahrhundertprojektIns neue Bahnhofsparking zieht plötzlich die Polizei ein
Um die Grossbaustelle am Bahnhof Lausanne tobt ein bizarrer Streit. Kritiker stören sich an einem riesigen Polizeizentrum, von dem die Öffentlichkeit bis vor kurzem nichts wusste.
Die Politik feiert den Umbau des Lausanner Bahnhofs gerne als «ein Jahrhundertprojekt». 1,3 Milliarden Franken investieren der Kanton Waadt, die Stadt Lausanne und die Immobiliengesellschaft der SBB in die Modernisierung und den Ausbau des Gebäudes. Die Arbeiten haben im Sommer 2021 begonnen, erst 2032 sind sie definitiv abgeschlossen.
So gross die Vorfreude auf das neue Prunkstück im Herzen von Lausanne auch ist: Rund um die Grossbaustelle gibt es Misstöne. Eine rund 50 Köpfe zählende Gruppe aus Akademikerinnen, Kunstschaffenden und Politikern bezichtigt den Kanton Waadt und insbesondere dessen Kantonspolizei, das Jahrhundertprojekt dazu zu nutzen, ein aus ihrer Sicht somit überdimensioniertes Sicherheitszentrum einzurichten und gezielt nach Menschen ohne Aufenthaltsbewilligungen zu suchen.
Staatsrätin spricht von «Gerücht»
Die Gruppe wehrt sich mit einem offenen Brief gegen das Projekt, erinnert an Fälle von Polizeigewalt gegen Schwarze in den letzten Jahren und warnt vor «Unmenschlichkeit, Rassismus und Staatsgewalt». Ein Bahnhof müsse ein Ort der Freiheit sein und bleiben, gerade für Leute, die aus Kriegsgebieten fliehen oder ihre Heimat aus anderen Gründen verlassen mussten, hält die Gruppe fest. Darüber hinaus zeigt sie sich irritiert davon, dass die für die Polizei zuständige Regierungsrätin Béatrice Metraux (Grüne) das Sicherheitszentrum noch im März als «ein Gerücht» abgetan hatte.
Einzelne Kritiker traten jüngst vor die Medien. Darunter der Architekt und Kunsthistoriker Matthieu Jaccard. Der Kanton kaschiere das Projekt in Projektplänen als Parkgarage, kritisierte er. Und der grüne Lausanner Stadtrat Ilias Panchard forderte den Kanton auf, endlich offen über das Projekt zu informieren und eine demokratische Debatte zu ermöglichen.
Was ist da in Gang? Wozu braucht es ein Sicherheitszentrum im Bahnhof Lausanne, das es gemäss SBB-Sprecher Philippe Revaz in vergleichbarer Weise nur in Bahnhöfen in Sion, Bellinzona und Coppet gibt? Wie muss man sich das Zentrum vorstellen?
Die SBB wimmeln ab
SBB-Sprecher Revaz erklärte sich für solche Art Fragen nicht zuständig und leitete sie umgehend an die Waadtländer Kantonspolizei weiter. Polizeisprecher Jean-Christophe Sauterel betonte, ein Sicherheitszentrum gebe es im Bahnhof Lausanne seit vielen Jahren. In diesem arbeiteten Kantonspolizisten, Grenzschützer des Bundes und Bahnpolizisten der SBB zusammen. Die heutigen Lokalitäten seien jedoch veraltet und müssten erneuert werden, so Sauterel.
Offenbar geht es aber nicht nur um deren Modernisierung, sondern vor allem um einen substanziellen Ausbau des bestehenden Zentrums. Das heutige Zentrum hat zwei Gewahrsamszellen, in denen Personen während einiger Stunden festgehalten werden können. Im künftigen Bahnhof soll es neu eine Gefängniszelle, acht Gewahrsamszellen und acht Einvernahmezimmer geben.
«Das Sicherheitszentrum ist nichts anderes als ein gewöhnlicher Polizeiposten.»
Die Lokalität soll über 3000 Quadratmeter gross sein und sich über drei Etagen erstrecken. 80 Personen sollen gleichzeitig im Zentrum arbeiten können. Teil des Sicherheitszentrums soll auch ein Parkplatz mit 30 Plätzen sein.
Im letzten Herbst hat der Kanton einen Projektkredit über 132’000 Franken gesprochen. Geplant ist offenbar, dass der Kanton Waadt den Ausbau des Zentrums finanziert, während die SBB die Eigentümerin der Immobilie bleibt. Die Baukosten sind aber noch nicht beziffert worden. Die Betriebskosten sollen sich der Kanton Waadt, der Bund und die SBB später teilen.
Polizeisprecher Sauterel dementiert, es werde im Geheimen geplant. Gemäss ihm ist das neue Sicherheitszentrum in den von den SBB präsentierten Plänen nicht als Parkhaus, sondern als drei Etagen grosser Geschäftsbereich erkennbar. Der Polizeisprecher dementiert ebenso, dass es Polizisten und Grenzschützern im neuen Zentrum darum gehe, im Bahnhof Sans-Papiers oder Asylsuchende ohne Aufenthaltsbewilligung aufzugreifen.
Es gehe darum, den Personenverkehr und die Wareneinfuhr im internationalen Zugverkehr aus Italien und Frankreich nach Lausanne zu kontrollieren und Taschendieben das Handwerk zu legen und ähnliche Kleindelikte präventiv zu verhindern, sagt Jean-Christophe Sauterel. Für ihn ist klar: «Das Sicherheitszentrum ist nichts anderes als ein gewöhnlicher Polizeiposten.»
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