Stau im SuezkanalIndustrie fürchtet Lieferengpässe
Der Frachter «Ever Given» sitzt weiter fest. Bis zur Auflösung der Blockade auf der wichtigen Handelsroute könnte es noch dauern. Der Bund gibt für die Schweiz jedoch Entwarnung.
Die Blockade des Suezkanals durch eine Schiffshavarie wird in der Schweiz nicht zu Engpässen bei der Versorgung mit lebenswichtigen Gütern führen. Davon geht das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) aus. Allerdings könnte der Stau am Nadelöhr des weltweiten Schiffsfrachtverkehrs die Preise in die Höhe treiben.
Man beobachte die Entwicklung am Suezkanal in Ägypten aufmerksam, schrieb das BWL am Freitag auf Twitter. Wie lange die Sperrung dauern werde, sei nicht absehbar.
Durch den Kanal werden etwa 30 Prozent des weltweiten Containervolumens verschifft und etwa 12 Prozent aller Waren gehen durch das 193 Kilometer lange Nadelöhr, das das Rote Meer mit dem Mittelmeer verbindet. «Jeder Hafen in Westeuropa wird das merken», sagte ein Sprecher des grössten europäischen Hafens in Rotterdam.
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Studie: Suez-Blockade kostet pro Woche bis zu 10 Mrd Dollar
2020 durchfuhren nach Angaben der Suezkanal-Behörde fast 19'000 Schiffe den Kanal, im Schnitt gut 50 am Tag. Besonders für den Transport von Öl und Flüssiggas aus dem Mittleren Osten nach Europa sei die Strecke wichtig, erklärten Analysten der Bank LBBW. Bezogen auf den weltweiten Ölhandel würden allerdings nur 4,4 Prozent des Öls über den Suezkanal transportiert.
Europas grösster Versicherer Allianz geht in einer Studie davon aus, dass eine anhaltende Blockade des Suez-Kanals jede Woche sechs bis zehn Milliarden Dollar kosten würde. Die Arbeiten am gestrandeten Schiff blieben bislang ohne Fortschritte.
Schon die Unterbrechungen der Lieferketten seit Anfang des Jahres durch Engpässe etwa bei Containern oder Halbleitern könnten das Wachstum im Handel deutlich bremsen, heisst es in der Studie, die Reuters am Freitag vorlag. Die aktuelle Blockade sei nun der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringe. Die Lieferzeiten seien daher momentan länger als im Pandemiejahr 2020.
Keine Knappheit an lebenswichtigen Gütern
Die Verfügbarkeit lebenswichtiger Güter für die Schweiz sei durch die Blockade im Suezkanal nicht tangiert, hiess es vom BWL auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Dem Bundesamt zufolge halten in der Schweiz etwa 300 Unternehmen Pflichtlager unterschiedlichster Waren im Wert von rund 2,5 Milliarden Franken. Allerdings könne es zu zeitlichen Verzögerungen kommen. Davon könnten viele Güter betroffen sein.
Bei der Migros hiess es, sie importiere aus China ein sehr breites Produkteportfolio. Aus Thailand kämen zahlreiche Konserven wie beispielsweise Ananas, während die Migros aus Vietnam und Indien Möbel und Textilien beziehe, sagte Sprecher Marcel Schlatter der Nachrichtenagentur AWP: «Wir gehen derzeit nicht von Nachschubproblemen aus. Es hat genügend Ware in der Schweiz an Lager.»
Keine Knappheit an hiesigen Zapfsäulen
Auf die Versorgung mit Öl und Benzin in der Schweiz dürfte die Blockade nach Ansicht des Treibstoffverbands Avenergy (früher Erdölvereinigung) ebenfalls keine Auswirkungen haben. Die Schweiz werde vor allem aus Raffinerien entlang des Rheins sowie aus dem Raum Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen mit Heizöl- und Treibstoffen versorgt, sagte der stellvertretende Avenergy-Geschäftsführer Fabian Bilger.
Die Lagerbestände seien gross genug. Für einen kleinen Verbraucher wie die Schweiz seien die Folgen der Blockade des Suezkanals nicht bedeutsam, sagte Bilger. Etwa drei Viertel des in der Schweiz im Strassenverkehr verbrauchten Benzins und Diesels werden als Fertigprodukte importiert. Der Rest wird in der Raffinerie Cressier hergestellt. Ein Grossteil der Importe gelangt über die Rheinschiene nach Basel.
Neben den Spotmarktpreis im Raum Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen sind für die Schweizer Zapfsäulenpreise auch die Frachtpreise auf dem Rhein sowie der Wechselkurs zwischen Schweizer Franken und US-Dollar bestimmend. Aktuell sehe die Versorgungslage für die Schweiz gut aus, sagte Bilger: Die Frachtpreise bewegten sich im normalen Rahmen.
Bergungstermin unsicher
Ein Sprecher der Firma Shoei Kisen, Eignerin des Frachters, sagte am Freitag gegenüber der Nachrichtenagentur DPA, man wolle versuchen, das Containerschiff am Samstag flott zu bekommen. Ansonsten sei geplant, am Sonntag zwei weitere Schlepper einzusetzen.
Bislang versuchen laut dem Sprecher zehn Schlepper, die «Ever Given», die zu den grössten Frachtschiffen der Welt gehört, wieder zu befreien. Nach Angaben der Suezkanal-Behörde ist derzeit zudem ein Baggerschiff dabei, 15'000 bis 20'000 Kubikmeter Sand abzusaugen, um den Frachter freizulegen. Bislang jedoch ohne Fortschritte.
Experten der an der Bergung beteiligten Firmen zufolge sei nicht auszuschliessen, dass sich die Bergung über Tage oder sogar Wochen hinziehen könnte. Eventuell muss das Schiff auch entladen werden, um sein Gewicht zu verringern, sagte der Chef der Firma Bos, Peter Berdowski, dem Sender «Nieuwsuur» gemäss der Nachrichtenagentur Reuters.
Schiff liegt quer wie ein Wal im Kanal
Das 400 Meter lange Schiff war am Dienstag auf Grund gelaufen, weil der Kapitän schlechte Sicht wegen eines Sandsturms hatte. Bug und Heck des 400 Meter langen Schiffes seien an den Seiten des Kanals hochgedrückt worden. Die «Ever Given» sei damit «wie ein riesiger gestrandeter Wal». Seither geht im Kanal nichts mehr, fast 300 Schiffe dümpeln wie ein Schwarm vor den Kanaleinfahrten im Norden und Süden sowie im Kanal selber vor sich hin und warten darauf, weiterfahren zu können.
Die Umleitung des Schiffsverkehrs über Südafrika und das Kap der Guten Hoffnung sei wegen der volatilen Ölpreise und der rund eine Woche längeren Transportzeit extrem teuer, erklärte der deutsche Industrieverbandes BDI. Die Schiffe müssten dann gut 6'000 Kilometer mehr fahren.
SDA/
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