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Komplizierte Regierungsbildung
In Israel läuft es auf eine Koalition ohne Netanyahu hinaus

Rechts, aber gegen den Dauerpremier: Jamina-Chef und Ex-Verteidigungsminister Naftali Bennett will eine Regierung ohne Benjamin Netanyahu zustande bringen.
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Israel steuert auf einen Machtwechsel zu. Am Sonntagabend erklärte Naftali Bennett von der rechten Jamina-Partei, dass er nun bereit sei für eine Regierungsbildung zusammen mit den Gegnern des seit zwölf Jahren ununterbrochen regierenden Premierministers Benjamin Netanyahu. Es gebe keine Chance mehr für eine rechte Regierung unter Netanyahu, erklärte er. Die sogenannte «Koalition des Wandels» soll insgesamt sieben Parteien aus dem rechten, dem linken und dem Zentrumslager umfassen und zusätzlich von arabischen Abgeordneten unterstützt werden. Ziel dieses fragilen Bündnisses ist es, die politische Krise in Israel zu beenden, die innerhalb von knapp zwei Jahren zu vier Parlamentswahlen geführt hat.

Bennett soll in der künftigen Regierung in einem Rotationsverfahren als Erster das Amt des Regierungschefs übernehmen, obwohl seine Jamina-Partei bei der Wahl im März nur sieben der insgesamt 120 Knessetsitze errang. Nach zwei Jahren soll ihn Jair Lapid ablösen, dessen liberale Zukunftspartei mit 17 Sitzen die zweitstärkste Kraft im Parlament ist. 30 Sitze hält Netanyahus Likud-Partei. Lapid war Anfang Mai mit der Regierungsbildung beauftragt worden, nachdem Netanyahu damit gescheitert war, eine Mehrheit zu finden. Lapids Mandat läuft am Mittwoch aus.

Begleitet wird die Regierungsbildung von heftigen Störfeuern aus dem rechten Lager. Netanyahu wirft Bennett, dessen Partei im nationalreligiösen Siedlerlager verankert ist, Verrat an der rechten Ideologie vor. Die geplante Regierungsbildung bezeichnete er in einer Rede am Sonntagabend als «Betrug des Jahrhunderts». Bennett wolle um jeden Preis Premierminister in einer «linken Regierung» werden.

Netanyahu bot Dreier-Rotation an

Der Druck wird auch physisch ausgeübt – mit Demonstrationen vor den Wohnhäusern von Bennett und anderen rechten Politikern, die sich gegen Netanyahu stellen. In den sozialen Medien kursieren Bilder, die Bennett mit der Kefije zeigen, dem Tuch der Palästinenser. Ähnliche Verleumdungen hatte es zum Beispiel auch vor dem Mord an Premierminister Yitzhak Rabin durch einen jüdischen Fanatiker 1995 gegeben. Bennetts Personenschutz wurde bereits verstärkt.

Am Sonntag hatte Netanyahu noch einmal einen Versuch unternommen, Sand ins Getriebe zu streuen. Er bot Bennett und Gideon Saar, der aus dem Likud ausgeschieden war und nun eine Partei namens Neue Hoffnung führt, eine Dreier-Rotation im Amt des Premiers an. Saar wies das Angebot umgehend zurück und bekräftigte sein Ziel, Netanyahu abzulösen.

Innerhalb von Bennetts Jamina-Partei hat einer der sieben Abgeordneten bereits offen seinen Widerstand gegen eine Regierungsbildung jenseits des rechten Parteienblocks angekündigt. Die anderen haben jedoch am Sonntag Bennetts Kurs unterstützt. Bennett begründet seine Entscheidung zugunsten der «Koalition des Wandels» damit, dass andernfalls erneut gewählt werden müsste.

Interessen der Parteien stehen sich diametral entgegen

Die Erklärung von Sonntagabend markiert eine erneute Kehrtwende Bennetts im Verlauf dieser Regierungsbildung. Nach Ausbruch des jüngsten Gazakriegs sowie den dadurch ausgelösten Unruhen zwischen jüdischen und arabischen Israelis in Städten mit gemischter Bevölkerung hatte er sich aus den Koalitionsverhandlungen mit Lapid zurückgezogen. Dies war als Erfolg für Netanyahu gewertet worden. Kurz nach dem Waffenstillstand wurden die zuvor weit fortgeschrittenen Verhandlungen der «Koalition des Wandels» jedoch wieder aufgenommen.

Zusammen hält dieses Bündnis allein der Wunsch, Netanyahu abzulösen, der in Jerusalem wegen Korruption in drei Fällen vor Gericht steht. In einer künftigen gemeinsamen Regierung müssten viele Themenkomplexe ausgeklammert werden, weil sich die Positionen zum Beispiel beim Siedlungsbau oder beim Friedensprozess mit den Palästinensern diametral entgegenstehen.

Premierminister Benjamin Netanyahu will im Falle des Machtverlusts als Oppositionsführer in der Knesset agieren.

Für Netanyahu, der erklärtermassen im Falle des Machtverlusts als Oppositionsführer in der Knesset agieren will, böten sich also reichlich Angriffsmöglichkeiten, um diese Regierung zu Fall zu bringen. Jair Lapid als Architekt der «Koalition des Wandels» argumentiert jedoch damit, die neue Regierung solle die inner-israelischen Gräben zuschütten und es ermöglichen, dass das Kabinett vernunftgesteuert handle.