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Nachfolge von Boris Johnson
In Grossbritannien kommt es zum Duell zwischen Truss und Sunak

Wer folgt auf Boris Johnson? Liz Truss (rechts) oder Rishi Sunak?
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Im Rennen um die Nachfolge von Boris Johnson hat die konservative Fraktion die Finalisten gekürt. Rishi Sunak erhielt 137 Stimmen, Liz Truss  113 und überholte damit Penny Mordaunt, die auf 105 Stimmen kam. In einer Stichwahl entscheiden dann die Mitglieder. Das Ergebnis der Stichwahl soll am 5. September verkündet werden. Dann zieht die neue Parteichefin oder der neue Parteichef in den Regierungssitz in der Downing Street ein und übernimmt die Regierungsgeschäfte von Johnson. Doch dürfte ein Sieg nur kurz die Probleme überschatten, die auf «Number 10» zukommen.

Vor allem der Druck durch die explodierende Inflation ist immens. Die Teuerungsrate liegt mit 9,4 Prozent auf dem höchsten Stand seit 40 Jahren, für den Herbst wird erneut ein deutlicher Anstieg der Heizkosten erwartet. Das künftige Kabinett wird keine Zeit zum Einarbeiten haben, zumal aktuell keine Entscheidungen mehr getroffen werden. Ausgerechnet inmitten einer Lebenskostenkrise werde Grossbritannien von einer «Zombie-Regierung» geführt, klagte die Vize-Oppositionschefin Angela Rayner von der Labour-Partei.

Noch schwerer wiegen die Sorgen der Partei. Zwar gilt der populistische Charakterkopf Johnson vielen Mitgliedern noch immer als einziger Politiker, der die Tories zu Wahlsiegen führen kann. Die Fraktion habe einen Fehler gemacht, als sie den erst 2019 von der Basis gekürten Johnson absägte, kritisierten mehr als 2000 Mitglieder in einer Petition. Die Forderung: Der 58-Jährige müsse in der Stichwahl ebenfalls auf dem Wahlzettel auftauchen. Das schliessen die Regeln der Partei aus. Doch wer sind nun die beiden Kandidaten, die Johnsons Nachfolge antreten könnten? 

Rishi Sunak: Der Minister, der Johnson stürzte

Er gilt vorderhand als Favorit für die Johnson-Nachfolge: Rishi Sunak

Rishi Sunak, 42, ist der Kandidat, der sich von Anfang an die besten Chancen ausrechnete. Er war seit Beginn der Corona-Pandemie Boris Johnsons Finanzminister – bis er vorige Woche mit seinem Rücktritt das Signal zum Aufstand gegen Johnson gab.

Zu Lockdown-Zeiten machte sich Sunak beliebt durch rasch etablierte Finanzhilfemechanismen für betroffene Bürger und Betriebe gleichermassen. Mit dem Ende aller Lockdown-Restriktionen in diesem Frühling aber schaltete er um: auf rapiden Abbau der Staatsschulden – mithilfe höherer Steuern. Das kostete ihn viel Sympathien in einer Bevölkerung, die die Steuerlast zu tragen hat und zugleich in diesem Sommer mit einem Rekordanstieg der Lebenshaltungskosten ringt. Vor allem mittellose Britinnen und Briten werfen dem superreichen Minister mangelndes Verständnis für ihre oft verzweifelte Lage und generell geringe Hilfsbereitschaft vor. 

«Der natürliche Nachfolger» Johnsons sah sich fast schon am Ende seiner politischen Karriere, als Reporter dieses Jahr zweifelhafte Steuer-Vermeidungsstrategien seiner Frau – einer indischen Milliardenerbin – enthüllten. Und ihm selbst vorgeworfen wurde, sich über eine Greencard Optionen für die Auswanderung in die USA offen gehalten zu haben, als er schon Regierungsmitglied in London war. 

Anders als Liz Truss will Sunak keine sofortigen Steuersenkungen versprechen, sondern erst einmal auf einen Rückgang der Inflationsrate warten. Mit den «Märchen» anderer habe er nichts im Sinn, sagt er. Auf diese Weise hofft Sunak, die Konservative Partei von seinen «orthodoxen Qualitäten» überzeugen zu können. Er weiss aber natürlich auch, dass viele seiner Parteigänger nach Steuersenkungen rufen – und dass man ihn, wenn es gar zu einem Wirtschaftseinbruch kommen sollte, für diesen verantwortlich machen wird. 

Ein Problem hat Sunak auch damit, dass ihn manche Tories als «Verräter» an Johnson betrachten – als jemanden, der den Sprung an die Spitze lange plante. Um nicht noch mehr Johnson-Fans gegen sich aufzubringen, hat er seinen Ex-Boss als «bemerkenswerten Menschen» mit «einem guten Herzen» gelobt. Aber die konservative Londoner «Times» hat festgestellt, dass sich die Sympathie für Sunak in Grenzen hält bei vielen Tory-Mitgliedern: «Die mögen ihn einfach nicht.» 

Wenig hat Sunak bisher zu Umweltthemen verlauten lassen. Johnsons harten Brexit will er hingegen fortsetzen, und Flüchtlinge, die «illegal» nach England kommen, sollen weiter nach Ruanda ausgeflogen werden, wenn es nach ihm geht. Genau dieselben Ansichten vertritt in diesen Punkten seine Finalgegnerin.

 

Liz Truss: Sie will an Margret Thatcher erinnern

Anhängerin eines radikalen Wirtschaftsliberalismus: Liz Truss. 

Die Aussenministerin ist eines der bekanntesten Gesichter der Regierung. Bei der Parteibasis ist die 46-Jährige, die stets nur Liz genannt wird, äusserst beliebt. Mit ihren politischen Ansichten und ihrer Aussendarstellung will die frühere Umwelt-, Justiz- und Handelsministerin an die einstige Premierministerin Margaret Thatcher erinnern. Doch Kritiker werfen der wenig charismatischen Ministerin nicht nur vor, von Inhalten wenig Ahnung zu haben und vielmehr auf Selbstinszenierung durch nachgestellte Thatcher-Fotos zu setzen. Es soll ausserdem ihr Team sein, das im Rennen um die Johnson-Nachfolge die heftigsten Attacken gefahren ist. Von der «schmutzigsten Kampagne, die ich je gesehen habe», sprach der prominente Mordaunt-Unterstützer David Davis.

Die zweifache Mutter hat in jüngster Zeit eine ganze Reihe von Ämtern inne gehabt. Sie ist nicht nur Aussenministerin, sondern auch Ministerin für Frauen und Gleichberechtigung. Und im Dezember übernahm sie noch einen weiteren, nicht gänzlich unbedeutenden Job: Als Nachfolgerin von Brexit-Chefunterhändler David Frost ist sie in der «Task Force Europe» für die Beziehungen zur Europäischen Union zuständig.

Als sie im britischen «Telegraph» ihre Kandidatur verkündete, versprach sie, als Premierministerin vom ersten Tag an Steuern zu senken. Sie bringt viel Erfahrung mit, nicht nur wegen ihrer vielen aktuellen Posten: Sie hatte schon unter David Cameron, Theresa May und Boris Johnson Positionen im Kabinett inne.

Es gab Zeiten, da trat Truss für den Verbleib Grossbritanniens in der EU ein. Das ist einige Jahre her und inzwischen weiss sie längst, dass es für eine konservative Politikerin wenig einträglich ist, noch am Remain-Gedanken festzuhalten. Sie spricht nun gerne über die vielen Chancen durch den Brexit.

Das Thema EU-Austritt war immer auch ein innenpolitisches Instrument der Tories. Es kann die Kandidatur befördern, aber auch zerstören. Zuletzt kam es ihr zugute, dass sie wegen des Angriffs auf die Ukraine mit großem Nachdruck Sanktionen gegen Russland und russische Oligarchen durchgesetzt hat.

Truss gilt als Anhängerin eines radikalen Wirtschaftsliberalismus und gibt sich im Umgang mit Brüssel unbequem. Doch inzwischen ist es nicht mehr so eindeutig, wie gross der innenpolitische Nutzen aussenpolitischer Konfrontationen mit der EU noch ist. Versorgungs- und Personalengpässe im Königreich könnten ihrer Position im finalen Rennen um Johnsons Nachfolge schaden.  

Als einzige verbliebene Vertreterin des rechten Flügels konnte die 46-jährige Truss aber offenbar viele Abgeordnete überzeugen, die bisher für die ebenfalls rechtskonservative Ex-Staatssekretärin Kemi Badenoch gestimmt hatten.