Trotz LockdownIn Deutschland steigen die Todeszahlen dramatisch
Im Dezember starben in Deutschland mehr Menschen an Covid-19 als in allen vorhergehenden Pandemiemonaten zusammen. Mittlerweile liegt die Rate sogar höher als in der Schweiz.
Bis November war Deutschland das Land in Europa, in dem auffällig weniger Menschen an Covid-19 starben als in Grossbritannien, Italien, Frankreich, Spanien, Belgien oder der Schweiz. Manchenorts war gar von einem deutschen «Wunder» die Rede. Zwei Monate später ist diese Ausnahme Geschichte.
Seit November sind die Todeszahlen in Deutschland dramatisch gestiegen. In der vergangenen Woche meldete das Robert-Koch-Institut an vier Tagen hintereinander mehr als 1000 Covid-Tote am Tag. Im Dezember starben mehr Menschen an Corona (16'800) als in allen vorhergehenden Pandemiemonaten seit März zusammen (16'200).
Und die letzten vier Wochen verliefen mit 19'000 Verstorbenen noch tödlicher. Die vergangene Woche war bisher die schlimmste: Mehr als 6100 Menschen starben – das sind mehr als im gesamten April 2020, dem tödlichsten Monat der ersten Welle.
88 Prozent Übersterblichkeit in Sachsen
Dass die gestiegenen Todesraten nicht auf irgendwelche Unregelmässigkeiten bei den Meldungen zurückgehen, zeigt ein Blick auf die sogenannte Übersterblichkeit. Seit November ist die Zahl der Menschen, die über den langjährigen Durchschnitt hinaus sterben, kontinuierlich gestiegen. In der jüngsten vom Statistischen Bundesamt analysierten Woche vom 7. bis 13. Dezember betrug die Übersterblichkeit bereits 23 Prozent.
Am schlimmsten ist die Lage derzeit in den östlichen Bundesländern Sachsen, Brandenburg und Thüringen, die von der ersten Welle im Frühling – wie auch im Sommer und Herbst – so gut wie gar nicht getroffen worden waren. In Sachsen ist mittlerweile die Todesrate, über die gesamte Pandemie gesehen, doppelt so hoch wie im deutschen Durchschnitt. Schon Mitte Dezember betrug die Übersterblichkeit 88 Prozent.
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Obwohl die Schweiz pro 100'000 Einwohner derzeit immer noch erheblich mehr Neuinfektionen aufweist als Deutschland (260 zu 160) und seit März in der Summe doppelt so viele Covid-Tote (95 zu 49), ist die deutsche Mortalitätsrate mittlerweile über die schweizerische gestiegen – und auch über die Italiens oder der USA. Und dies, obwohl die Eindämmungsmassnahmen in Deutschland zuletzt erheblich schärfer waren als in der Schweiz.
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Der Grund dafür ist, dass seit November die Neuinfektionen vor allem in der Hauptrisikogruppe stark zugenommen haben: bei den Menschen über 80 Jahren. Bei den Ältesten, bei denen 70 Prozent aller Covid-Todesfälle verzeichnet werden, lag die Inzidenz zuletzt doppelt so hoch wie über alle Altersklassen hinweg (310 Neuinfektionen pro 100'000 Menschen in 7 Tagen). 13,5 Prozent der neuen Infektionen betrafen die über 80-Jährigen, wohingegen die Anteile der jüngeren Bevölkerung seit Wochen sinken.
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Deutschland ist es offensichtlich nicht gelungen, zu verhindern, dass die Welle der Neuinfektionen, die mit den Jüngeren begann, zu den Ältesten durchschlug. Manche Experten und Politiker glauben, man hätte diese Entwicklung verhindern können, wenn vor allem Alters- und Pflegeheime besser geschützt worden wären. Die Mehrheit ist eher der Meinung, alte Menschen liessen sich nicht so abschirmen, dass hohe Infektionszahlen am Ende nicht auch sie treffen würden.
Einige Hoffnung setzt man nun in die Impfungen, die seit Ende Dezember insbesondere in Alters- und Pflegeheimen begonnen haben. Auch wenn der Prozess weniger schnell anläuft als erhofft, sind doch bereits mehr als 600’000 Deutsche geimpft – vor allem über 80-Jährige und das Personal von Heimen. Experten glauben, dass die Impfungen die Mortalitätsraten spätestens ab Ende Februar deutlich verringern würden.
Geht nun auch die Wirtschaft zu?
Bis dahin vergehen aber noch viele Wochen, die ausgesprochen tödlich auszufallen drohen. Seit diesem Montag greifen in Deutschland bereits schärfere Massnahmen: zusätzliche Kontakt-, in Hotspots teils auch Ausgangsbeschränkungen, die meisten Schulen sind geschlossen. Doch bereits gibt es Politiker, etwa Katrin Göring-Eckart, Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, die angesichts der hohen Todeszahlen einen Lockdown nicht nur der Freizeitaktivitäten verlangen, sondern – wie im Frühling – auch der Wirtschaft.
Auch der linke Ministerpräsident von Thüringen ist dieser Ansicht: Für Bodo Ramelow, der sich im Oktober noch mit Händen und Füssen gegen schärfere Massnahmen gewehrt hatte, kann der Lockdown nun nicht hart genug ausfallen. «Die Kanzlerin hatte recht, und ich hatte unrecht», sagte er kürzlich. «Angela Merkel hat schon im Oktober vorausgesagt, dass uns die Infektionszahlen bald über den Kopf wachsen werden, dass wir es alle noch mal bereuen werden. Da sind wir jetzt.»
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