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Kontroverse um BAG-Zahlen
In den Spitälern lagen viel mehr Covid-Patienten als gemeldet

Ihr Job bringt sie seit zwei Jahren an den Anschlag: Pflegende kümmern sich um eine Covid-Patientin im Universitätsspital in Lausanne (11. Januar 2022).
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Obwohl die Schweiz so viele Neuinfektionen beklagt wie noch nie, hat der Bundesrat diese Woche keine strengeren Massnahmen beschlossen. «Wir nehmen die Spitalkapazitäten als Massstab und nicht die Ansteckungen», erklärte Gesundheitsminister Alain Berset sein Vorgehen. Die Corona-Politik richtet sich also an der Zahl der hospitalisierten Covid-Patienten, die das Bundesamt für Gesundheit (BAG) täglich veröffentlicht.

Das Problem ist nur: Diese Zahl ist gemäss einem Bericht des Bundesamts für Statistik (BFS) nicht präzis. Für das Jahr 2020 meldete das BFS gut 31’200 Patienten und Patientinnen mit laborbestätigten Covid-Spitaleintritten. Das BAG weist nur 20’000 Hospitalisierungen aus – mehr als ein Drittel weniger.

Die überraschende Meldung des BFS wurde schon im November 2021 veröffentlicht, blieb aber in den Medien unbeachtet. Das Dokument trug den trockenen Titel «Methodische Erläuterungen – Erfassung der Covid-19-Fälle in der medizinischen Statistik der Krankenhäuser». Am Mittwoch berichtete nun das Onlineportal «Infosperber» erstmals über die Diskrepanz.

«Die Überlastung in den Spitälern führte zu einer Unterdeklaration der Fälle.»

BFS

Ein Grund für die Differenz sind die Umstände beim Melden der Daten. Das BFS veröffentlicht seit 1998 die Medizinische Statistik der Krankenhäuser, es handelt sich also um einen eingespielten Prozess. Die Spitäler stellen damit ihre Leistungen in Rechnung, weshalb laut dem BFS angenommen werden kann, «dass die Daten vollständig und korrekt sind». Vor der Lieferung werden sie nochmals von den Kantonen kontrolliert. Und das Ganze erfolgt nur einmal im Jahr, ohne Zeitdruck.

Die täglichen Meldungen an das BAG hingegen sind für die Spitäler ein zusätzlicher administrativer Aufwand in einer ohnehin schon stressigen Zeit. Dabei können anscheinend Fälle vergessen gehen und Fehler passieren. Besonders gross war die Differenz zwischen den BAG- und den BFS-Zahlen während der schlimmen zweiten Corona-Welle im Herbst 2020, als viele Spitäler stark belastet waren. Dies habe zu einer «Unterdeklaration» der Fälle geführt, schreibt das BFS. Das BAG bestätigt diesen Befund. Die optimale Versorgung der Patienten habe Vorrang vor der Meldepflicht.

Dennoch betont das BAG: «Die Spitäler haben eine Meldepflicht und das BAG hat diese wiederholt gegenüber den Kantonen angemahnt. Die Hospitalisationen sind ein wichtiger Faktor in der Pandemie, die gemeldeten Zahlen ermöglichen die Entwicklung in der der Tendenz gut zu erfassen.»

«Die BAG-Zahlen eignen sich nicht als Mass für die aktuelle Entwicklung.»

Taskforce des Bundes

Daten für das Jahr 2021 erhält das BFS erst in einigen Monaten. Ob die Zahl der Covid-Hospitalisierten erneut viel höher liegen wird als diejenigen des BAG, wird sich zeigen. Beim BAG wäre man anhand der genannten Gründe nicht erstaunt, wenn die gemeldeten Zahlen weiterhin – besonders in Zeiten hoher Belastung der Spitäler – von den Zahlen des BFS abweichen würden.

Trotz der Untererfassung hätten die Zahlen aber die Entwicklung der Hospitalisationen gut abgebildet, heisst es beim BAG . «Es ist davon auszugehen, dass die Einschätzungen nicht anders ausgefallen wären, wenn sie anhand der BFS-Zahlen anstatt der BAG-Zahlen gemacht worden wären.»

In ihrem aktuellen Situationsbericht bezeichnet die wissenschaftliche Taskforce des Bundes die Spitalmeldungen als «unvollständig». Es dauere mehr als zwei Wochen, bis über 90 Prozent der Hospitalisationen gemeldet würden. So lasse sich nicht bestimmen, ob sie im Moment zu- oder abnehme würden. «Angesichts der Verzögerungen eignet sich die Zahl der gemeldeten neuen Hospitalisationen nicht als Mass für die aktuelle Entwicklung der Belastung des Gesundheitssystems», schreibt die Taskforce.

Sie widerspricht damit dem Bundesrat, der die Lage in den Spitälern als entscheidendes Kriterium für seine Massnahmenpolitik verwendet. Er beruft sich dabei auf Daten, die allem Anschein nach nicht sehr zuverlässig sind.