Zorniger Gary LinekerIm Streit mit den Rechten fängt er sich seine erste Gelbe Karte ein
Die britische Regierung will Flüchtende auf Booten so schnell wie möglich abschieben, notfalls nach Ruanda. Die Fussballlegende sorgt für Widerstand – aber er bleibt standhaft.
Er war Weltklasse als Fussballspieler. Er ist Weltklasse als Fussballexperte. Er war herausragend im Erfinden von legendären Zitaten («Ein Fussballspiel dauert 90 Minuten, und am Ende gewinnen die Deutschen»). Und jetzt ist Gary Lineker auch noch Meister darin, den Rechten auf die Nerven zu gehen.
«Du meine Güte, das ist mehr als entsetzlich», schrieb der 62-Jährige in einem Tweet als Reaktion auf die Ankündigung der britischen Regierung, ein neues Anti-Immigrations-Gesetz ins Parlament zu bringen. Dieses sieht vor, dass Flüchtende, die mit Booten über den Ärmelkanal ins Vereinigte Königreich kommen, umgehend in ihre Heimatländer oder sichere Drittstaaten abgeschoben werden sollen – «zum Beispiel Ruanda», wie Innenministerin Suella Braverman in einem Video erklärte und mit Nachdruck pöbelte: «Genug ist genug.»
Das dachte sich auch Lineker und doppelte in einem weiteren Tweet an seine 8,7 Millionen Follower nach: «Dies ist eine unermesslich grausame Politik, die sich gegen die Schwächsten richtet – mit einer Sprache, die jener im Deutschland der Dreissigerjahre nicht unähnlich ist.»
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Diesen Vergleich wiederum wollte sich Braverman nicht bieten lassen, und mit ihr empörte sich die versammelte Rechte im Königreich. «Es ist enttäuschend, dass Gary Lineker so ausser Tritt geraten ist», befand Robert Jenrick, Einwanderungsminister und Mitglied der konservativen Partei, der Tories. Dessen Parteikollege Lee Anderson schrieb auf Twitter: «Er ist ein weiteres Beispiel, wie wenig diese überbezahlten Superstars den Puls des Wahlvolks spüren.»
Die britische Regierung um Premier Rishi Sunak sieht ihre Gesetzesvorlage durch den Brexit-Entscheid des Stimmvolks in der lang und breit diskutierten Abstimmung im Jahr 2016 legitimiert. Die aktuellen Einwanderungsgesetze betrachtet sie als Joch der Europäischen Union.
Gary Lineker, einst 80-facher englischer Nationalspieler, arbeitet seit eben jenem Jahr 2016 für die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt BBC als Moderator der beliebten Fussballsendung «Match of the Day». Mit einem Jahreslohn von 1,35 Millionen Pfund gehört er zu den bestbezahlten Angestellten des Senders. Bereits dies sorgte einst für kontroverse Diskussionen, schon da vornehmlich von rechter Seite, weil die Konservativen – ähnlich wie in der Schweiz oder in Deutschland – von einem öffentlichen TV- und Radiosender wenig halten, wenn er zu viel kostet.
So wird Lineker nun zum doppelten Feindbild. Denn zusätzlich hat sich in den Köpfen dieser Kreise festgesetzt, dass sich Sportlerinnen und Sportler bloss nie zu politischen oder gesellschaftlichen Themen zu äussern hätten. «Stick to Sports» ist eine beliebte Floskel, die nach den Fussballern verschiedener Nationalmannschaften an der WM in Katar nun auch Lineker als Reaktion hundertfach zu hören und lesen bekam. «Er sollte sich besser darum kümmern, Fussballresultate abzulesen», ätzte Lee Anderson prompt.
Lineker liess sich nicht beirren: «Schön zu sehen, wie diese Meister der freien Meinungsäusserung jemanden zum Schweigen bringen wollen, wenn er nicht gleicher Meinung ist wie sie», twitterte er. «Ich werde weiterhin versuchen, mich für diese armen Seelen einzusetzen, die keine Stimme haben.»
Deshalb denkt er nicht daran, sich dem Druck zu beugen, den auch sein Arbeitgeber erzeugt: Der BBC ging vor allem der Vergleich mit Nazideutschland zu weit, sie rügte ihn am Mittwoch dafür. Es ist die erste Gelbe Karte seiner Karriere: Als Spieler war Lineker kein einziges Mal verwarnt worden.
Fehler gefunden?Jetzt melden.