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Meinung

Kommentar zur Auslastung der Spitäler
Im Intensivbett liegen schon die Corona-Fälle

Nach schweren Unfällen im Strassenverkehr sind Menschen sofort auf lebensrettende Intensivpflege angewiesen.
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Mit der fünften Corona-Welle und der neuen Virusvariante Omikron stellt sich auch das grosse Déjà-vu ein: Die Intensivstationen sind seit gestern praktisch voll, das Personal ist knapp – und noch erschöpfter als vor einem Jahr.

Nun zeigt eine Studie, dass mehr hospitalisierte Corona-Patientinnen und -Patienten sterben, wenn die Auslastung auf der Intensivstation steigt. In der zweiten Welle war das schon bei einer Belegung von 70 Prozent der Fall. Die Ergebnisse lassen sich nicht eins zu eins auf die fünfte Welle übertragen. Trotzdem ist davon auszugehen, dass sich die Intensivstationen mehrerer Kantone mittlerweile in diesem kritischen Bereich befinden. Auch weil es zu wenig Personal gibt, um die Kapazitäten zu erhöhen.

Viele Menschen wähnen sich aufgrund der Impfung oder eines vermeintlich starken Immunsystems in Sicherheit. Doch das Gefühl der Unverwundbarkeit trügt. Was sich trotz der Pandemie nicht ändert: Jeden Tag verunfallen Menschen im Strassenverkehr, beim Skifahren oder Bergsteigen.

Selbstverständlich könnte man kein normales Leben führen, ginge man jeden Tag vom Schlimmsten aus, davon, dass man das Haus verlässt und nicht mehr dorthin zurückkehrt. Und trotzdem passieren Unfälle. Meist, weil man für einen kurzen Moment mit den Gedanken irgendwo anders ist. Müde, am Handy, oder weil man denkt, nach drei Gin Tonic sei es eine gute Idee, mit dem E-Scooter durch den matschigen Schnee nach Hause zu fahren. Oder wie ich, die vor drei Jahren nicht über den Zebrastreifen lief und von einem Bus überfahren wurde. Das ist zwar alles unvernünftig, aber menschlich.

Vor der Pandemie war das Schweizer Gesundheitssystem in der Lage, höchste Ansprüche zu erfüllen. Es ist weltweit für seine Spitzenmedizin bekannt. Und für uns Schweizerinnen und Schweizer ist das selbstverständlich geworden. Wir wissen: Wenn mir etwas passiert, bekomme ich Hilfe. Sofort und von hoch qualifiziertem Personal. Diese Sicherheit ist wieder höchst bedroht. Und die Atmosphäre im Spital, wo niemand sein möchte, ist nochmals ungemütlicher geworden.

Es ist ein Glück, dass die wenigsten Menschen eine Intensivstation von innen kennen. Man weiss zwar um die Zone zwischen Leben und Tod, aber welche Kräfte dort wirken, was allen, die sich darin bewegen, abverlangt wird, bleibt für viele abstrakt. Wer in einem Intensivbett liegt, hat vorläufig überlebt. Aber man gibt sein Leben in die Hände anderer, die Entscheidungen treffen. Was den Patienten bleibt, ist, zu vertrauen, dass alle ihren Job nach bestem Gewissen machen. Ärzte haben einen Eid abgelegt, Leben zu retten, und Pflegende machen ihre Arbeit, weil sie Pflegerinnen sind und nicht Abfertiger. Und dafür müssen sich Ärztinnen und Pfleger erholen können.

Ein Intensivbett ohne genügend Personal ist einfach nur ein Bett.

Jetzt sind wir mitten in der fünften Welle, und eine ganze Branche bewegt sich an der Grenze zur völligen Erschöpfung. Menschen verlassen den Beruf, weil sie nicht mehr können – abgesehen von der schlechten Entlohnung. Entsprechend ist damit zu rechnen, dass die Qualität der Pflege schwinden wird. Auf Kosten aller. Denn ein Intensivbett ohne genügend Personal ist nach einem Unfall einfach nur ein Bett.

Dass wir eine Impfung haben, ist ein Privileg und ein Segen. Aber sie schützt niemanden vor der Unwägbarkeit des Lebens. Die Auslastung der Intensivbetten betrifft jede und jeden. Vorerst bleiben alle höchst verwundbar.