Die Schweiz an der Unihockey-WMHinter den Gefängnismauern plant er den Gold-Coup
Trainer David Jansson will in Helsinki mit dem Nationalteam aus der Geschichte ausbrechen. Dafür setzt der Schwede auch auf Symbolik.
Die Unihockey-Weltmeisterschaft der Männer? Findet wegen pandemiebedingter Verschiebung zum ersten Mal in einem ungeraden Jahr statt.
Die Unterkunft des Nationalteams? Hinter mächtigen Backsteinmauern auf einer Schäreninsel mitten in der finnischen Hauptstadt Helsinki – im Hotel Katajanokka, einem ehemaligen Gefängnis.
Das Ziel der Schweizer? Der erste Weltmeistertitel.
Entsprechend haben sie ihr Motto formuliert: «Breaking out of history» – aus der Geschichte ausbrechen.
Geht es um Unihockey und Geschichte, geht es um Schweden: Die Nordländer haben die Sportart in Europa etabliert, sie sind mit acht Titeln Rekordweltmeister. Und schweizseits symbolisieren sie die Endstation Hoffnung: Noch nie hat die Nationalmannschaft an einer WM die Schweden bezwungen.
Seit gut sechs Jahren schickt sich ein Schwede als Schweizer Nationaltrainer an, die Geschichte umzuschreiben: David Jansson. Die Frage geht an ihn: «Wie kann Ihr Team die Schweden knacken?» – «Diese Frage beschäftigt mich jeden Tag.»
Jansson lebt mit seiner Partnerin Linn und dem gemeinsamen Sohn Bob in Umeå. 600 Kilometer nördlich von Stockholm, ein kleines rotes Haus, ausserhalb der Stadt, die Elche im Blickfeld, «alles ruhig, alles sicher, Heimat». Zehn bis zwölf Tage pro Monat verbringt der 41-Jährige in der Schweiz. Er wohnt jeweils in Kloten, «Fluglärm, Blick auf die weite Welt, ein diametral unterschiedliches Leben, zweite Heimat». So sagt er das.
Der «Swiss Way» – die Parallele zum Eishockey
Jansson arbeitete einst als Journalist. Er weiss um die Klischees und Plattitüden der Sportwelt. Und erklärt: «Ich sage Ihnen das nicht, um einen auf Showman zu machen und eine knackige Schlagzeile zu liefern – ich meine es ernst: Wir können und wollen Weltmeister werden.»
«Wollen die Schweizer die Lücke schliessen, braucht es Veränderungen in der Gesellschaft, im System.»
Neben dem Journalistikstudium unterrichtete Jansson in Göteborg und Mölnlycke an Unihockeyschulen. Er kennt den hohen Stellenwert der Sportart im hohen Norden; die Möglichkeiten, Schule respektive Ausbildung und Sport ideal zu kombinieren. «Wollen die Schweizer die Lücke schliessen, braucht es Veränderungen in der Gesellschaft, im System. Das wird nicht passieren», sagt Jansson. «Es gilt, das Beste aus der Situation zu machen.»
Die Schweiz werde nicht nur 2021, sondern auch in zehn Jahren den Schweden und den Finnen auf dem Papier unterlegen sein. «Aber wir müssen Schweden und Finnland ja nicht zehnmal bezwingen, um Weltmeister zu werden.» Innerhalb eines Turniers sei es möglich, die spielerische Lücke zu schliessen. Der Ansatz des Trainers lautet: «Wir müssen in einigen Bereichen das beste Team der Welt sein. Dann ist entscheidend, dass wir das Spiel so steuern, damit es zu unserem Vorteil gespielt wird.»
In der Vorbereitung fokussierte Jansson auf einzelne Elemente wie Pressing, das Verhalten bei Führung und Rückstand, das Umstellen auf 6 gegen 5 Feldspieler ohne Goalie. Er sieht die grösste Stärke seiner Auswahl in der Loyalität, im Zusammenhalt, in der konsequenten Umsetzung der Vorgaben. Und in der Strategie des «Swiss Way», die der Schweizer Verband vor vier Jahren implementiert hat.
«Willst du an einer WM okay aussehen, kannst du hinten reinstehen und vorne die Daumen drücken. Aber so wirst du nie Weltmeister.»
Es handelt sich um eine Spiel- und Ausbildungsphilosophie für alle Stufen auf Verbands- und Club-Ebene. Vereinfacht formuliert baut sie auf Schweizer Tugenden wie Struktur und Zuverlässigkeit sowie einer spielerisch orientierten, druckvollen Ausrichtung auf. Die Parallelen zum Paradigmenwechsel im Eishockey unter Trainer Patrick Fischer sind unverkennbar.
«Willst du an einer WM okay aussehen, kannst du hinten reinstehen und vorne die Daumen drücken. Aber so wirst du nie Weltmeister», sagt Jansson. Der «Swiss Way» sei eine mutige Strategie, eine, die es ermögliche, das höchstmögliche Niveau zu erreichen, aber auch dazu führen könne, dass eine WM «in die Hosen» gehe.
Weshalb nicht Helsinki 2021?
Am Samstag trifft das Nationalteam im ersten WM-Gruppenspiel auf Norwegen. Denselben Gegner bezwang die Schweiz bei den letzten Titelkämpfen im Viertelfinal in extremis in der Verlängerung. Beinahe wäre Janssons Equipe für ihre risikofreudige Spielweise vom klaren Aussenseiter bestraft worden. Aber im Halbfinal brachten die Schweizer mit derselben Ausrichtung die Schweden in die Bredouille: Sie führten zwei Minuten vor Ablauf der regulären Spielzeit, unterlagen knappestmöglich im Penaltyschiessen.
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Jansson sagt: «In meinem Kopf werden die Spiele so gespielt, wie ich das möchte. Unter dieser Voraussetzung bin ich überzeugt, dass es mit dem WM-Titel klappt. Als Trainer musst du manchmal naiv sein. Diese Denkweise ist für mich Voraussetzung, die Arbeit als Headcoach eines Underdogs weiterzuführen.»
Damit der Ausbruch aus der Geschichte in Helsinki gelingen wird, setzen die Schweizer auch auf Symbolik. Die Zimmer im Hotel Katajanokka sind umfunktionierte ehemalige Gefängniszellen. Vor einigen Fenstern stehen massive Eisengitter. Dass diese umgangssprachlich als «schwedische Gardinen» bezeichnet werden, wird dem Narrativ des Nationalteams sicher nicht abträglich sein.
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