Zweite Olympia-ChanceIhr kam die Olympia-Absage gerade recht
Die Ruderkarriere von Pascale Walker gleicht einer Achterbahnfahrt. Dank Corona kann sie sich nun doch noch für die Olympischen Spiele qualifizieren.
Frust, gepaart mit Erleichterung: Die meisten Sportlerinnen und Sportler mit mittelfristigem Ziel Olympische Spiele in Tokio durchlebten im März diese Gefühlsmischung, als die Verantwortlichen die Notbremse zogen.
Bei Pascale Walker waren die Emotionen anders, aus rein egoistischer Warte: «Für mich ist es etwas vom Besten, was passieren konnte. Ich habe nun ein Jahr mehr Zeit und eine zweite Chance.» Sie selbst hätte keine Möglichkeit mehr gehabt, ihr Ticket für Tokio 2020 noch zu lösen, da auch die letzte Qualifikationsregatta auf dem Rotsee gestrichen werden musste. Luftsprünge hat sie dennoch nicht gemacht, als die unausweichliche Nachricht offiziell wurde: «Für alle meine qualifizierten Teamkollegen, mit denen ich vier Jahre trainiert hatte, tut es mir sehr leid.»
Eigentlich ist Kontinuität im Rudern das A und O. Diese war bei der bald 25-jährigen Zürcherin zuletzt aber auch aus anderen Gründen unmöglich. Im Juni 2019 beendete der Verband ihr Olympiaprojekt mit der Luzernerin Valérie Rosset kurz nach der EM – wegen ein paar Hundertstelsekunden. Nach Saisonende wurde auch das vielversprechende, aber aus der Not geborene Experiment mit ihr und der Genfer Leichtgewichtsruderin Sofia Meakin abgebrochen. Walker selbst suchte das Gespräch mit dem Verband und bestand darauf, das Elitekader zu verlassen. «Es war so viel passiert, ich war kurz davor aufzuhören», sagt sie.
Die geplatzte Alaskareise
Seither rudert sie im neu geschaffenen B-Kader, ihre Partnerin im Doppelzweier ist die Luzernerin Fabienne Schweizer. Es sollte eine Art Zwischenjahr folgen, «mit coolen Rennen», wie sie sagt. Mit der Teilnahme am Royal Henley wollte sie sich einen Rudertraum erfüllen, daneben weitere Wettkämpfe bestreiten, für die sonst nicht viel Raum bleibt. Und dazu wollte sie im August mit ihrem Freund einen Monat Alaska bereisen. «Und nun ist alles ganz anders», sagt sie nachdenklich.
Knapp fünf Wochen sind seit der Verschiebung erst vergangen, doch der Zeitbegriff ist relativ geworden. Rudern auf dem Wasser ist in einem Teamboot, wo die Mindestabstandsregeln nicht eingehalten werden können, nicht mehr möglich, und so hat sich Walkers Epizentrum von der Natur auf den Balkon oder ins Wohnzimmer verlagert. Gerade bei längeren ruderspezifischen Einheiten sei dies speziell, sagt sie: «Es ist schönes Wetter, draussen rennen die Kids herum, und ich schwitze 90 Minuten an Ort und Stelle auf dem Ergometer.» Immerhin: Joggen und Velofahren kann sie noch draussen.
«Ich kann nicht stillsitzen, ich muss etwas zu tun haben.»
Willkommene Abwechslung bietet die Tätigkeit im Familiengeschäft, dem Blumenhaus Wiedikon in Zürich. Lockdown war nicht gleichbedeutend mit Pause, sagt sie: «Der Hauslieferdienst lief so gut, dass wir zeitweilig sogar das Telefon abstellen mussten.» Auch letzte Woche war Langeweile kein Thema. Es galt vor der Wiedereröffnung den Laden bereit zu machen, die Umsetzung der Sicherheitsvorschriften vorzubereiten und das Sortiment wieder zu vergrössern. Pascale Walker ist froh über diese Aufgabe: «Ich kann nicht stillsitzen, ich muss etwas zu tun haben.»
Pro Tag absolviert sie zwei bis drei Trainings, die wichtigsten fehlen aber – jene mit ihrer Kollegin. Schweizer wohnt in Luzern, und gemeinsame Einheiten waren bislang natürlich unmöglich. Walker freut sich auf die Lockerung am 11. Mai, denn es gibt viel zu tun: «Wir müssen so viele Kilometer sammeln wie möglich, so häufig wie möglich gemeinsam trainieren.»
Ein Fanclub und die Ruhmeskrone
Für viele Athleten stellt sich die Frage, ob der finanzielle Atem ein Jahr länger ausreicht. Walker, die sich nicht auf grosse Sponsoren stützen kann, aber auf viele kleine Gönner, machte positive Erfahrungen: «Alle haben sich sehr für mich gefreut, und viele haben noch einmal etwas bezahlt. Zudem ist ein Fanclub in Planung.»
Bald noch mehr Freude hat sie auch im Blumengeschäft. In rund einer Woche dürfte ihre Lieblingspflanze verfügbar sein. Gloriosa heisst sie, zu Deutsch Ruhmeskrone. Ob für Pascale Walker bald gilt: nomen est omen?
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