Ukrainische Tennisspielerin«Ich bin mental zusammengebrochen»
Lessja Zurenko gab das Turnier von Indian Wells auf, weil ihr nahe geht, dass Russinnen und Weissrussinnen spielen dürfen. Ein Gespräch machte alles nur noch schlimmer.
Über ein Jahr tobt der russische Angriffskrieg in der Ukraine schon, und auf der Tennistour duellieren sich Spielerinnen der Konfliktnationen immer mal wieder auf dem Court. Doch hinter den Kulissen brodelt es, und zuweilen dringt das an die Oberfläche. Wie zu Beginn dieser Woche in Indian Wells, als die Ukrainerin Lessja Zurenko in letzter Minute Forfait gab für ihr Drittrundenspiel gegen die Weissrussin Aryna Sabalenka.
Die 32-Jährige ist eine, die sich zur Kriegsfrage deutlich äussert. «Wir brauchen Hilfe, wir brauchen schwere Waffen, um diesen Krieg zu gewinnen», forderte sie in Wimbledon vergangenen Jahres. In der kalifornischen Wüste wurde ihr nun vor dem Duell mit Sabalenka alles zu viel. Auf der Website «Ukrainian Tennis» erklärte sie: «Ich hatte einen mentalen Zusammenbruch nach all den Dingen, die ich gehört hatte. Es war eine Panikattacke, ich bekam Atemprobleme.»
WTA-Chef in der Kritik
Es waren die Folgen einer Konversation, die sie in Indian Wells mit Steve Simon geführt hatte, dem Chef der Frauentour WTA. «Ich war schockiert von dem, was er zu mir sagte», berichtete Zurenko. Simon hatte sich dafür ausgesprochen, dass Spielerinnen und Spieler aus Russland und Weissrussland an den Olympischen Spielen 2024 in Paris zugelassen werden sollten. Dies sei «Fairplay» und zeige, dass die olympischen Prinzipien nicht verletzt würden.
Als ihn Zurenko provokativ fragte, ob er wisse, dass in ihrem Heimatland Krieg herrsche, sagte er, dass er diesen verurteile und mit ihr mitfühle, aber nichts dagegen tun könne, wenn Spielerinnen aus Russland und Weissrussland die Positionen ihrer Nationen gutheissen würden. Sie solle sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen lassen. «Ich versuchte, alle diese Informationen zu verdauen», so Zurenko. «Aber nun bin ich einfach mental zusammengebrochen.»
Die WTA reagierte auf Zurenkos Worte mit einem Statement, in dem sie Mitgefühl zeigte, aber auch betonte, dass Athletinnen nicht aufgrund der Aktionen ihrer Länder diskriminiert oder von Turnieren ausgeschlossen werden dürften. Inzwischen wagen sich einige immer weiter vor. Die Russin Anastasia Potapowa demonstrierte ihre Verbundenheit zu ihrer Heimat, indem sie in Indian Wells für ihr Match gegen Jessica Pegula mit dem Shirt des Fussballclubs Spartak Moskau auf den Court lief. Spartak gilt in Russland als Club des Volks.
«Es gibt grosse Spannungen in der Garderobe. Und es wäre einfacher, wenn die WTA von Beginn weg mehr Leadership gezeigt hätte.»
Diese Geste empörte wiederum die Weltnummer 1, Iga Swiatek. Sie protestierte bei der WTA und sagte über Potapowa: «Ich dachte, sie würde realisieren, dass sie, selbst wenn sie Fan dieses Team ist, ihre Ansichten nicht auf diese Weise zeigen sollte.» Als Polin mehr sensibilisiert auf die Schrecken des Kriegs im Nachbarland Ukraine als andere, kritisiert Swiatek die WTA: «Es gibt grosse Spannungen in der Garderobe. Und es wäre einfacher, wenn die WTA von Beginn weg mehr Leadership gezeigt und definiert hätte, was erlaubt ist und was nicht.»
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Tennisspielerinnen müssten in ihrer privilegierten Position auch in dieser schwierigen Zeit Vorbilder sein: «Leider sind einige in Ländern geboren, die Krieg führen. Damit geht eine gewisse Verantwortung einher. Sie sollten sich manchmal verantwortungsvoller verhalten.» Swiatek fordert nicht den Ausschluss von Russinnen und Weissrussinnen, aber einen sensibleren Umgang miteinander.
In Wimbledon vergangenen Jahres zeigte sich Zurenko erfreut, dass sie wenigstens hier keine Spielerinnen aus Russland und Weissrussland sehen müsse. Inzwischen verdichten sich die Zeichen, dass sie der All England Club in diesem Jahr wieder zulassen wird. Der Krieg in der Ukraine gerät im Westen zusehends in den Hintergrund.
Fehler gefunden?Jetzt melden.