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Neue Fussball-Dokumentation
«Ibuprofen werden verteilt wie Smarties»

Schmerzmittel werden im Fussball auch während der Partien verabreicht: Hier bei einem Spiel der englischen League One.
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Darüber gesprochen wird wenig oder nie. Denn: Es ist normal. Vor dem Training, vor dem Spiel, morgens, mittags, abends. An die Folgen? Denkt keiner. Es gibt nur ein Ziel: am Samstag auf dem Platz stehen.

Die ARD-Dokumentation «Hau rein die Pille» zeigt auf, wie verbreitet Schmerzmittel im deutschen Fussball sind. «Es ist kein Thema, dass man es nicht macht», sagt Jonas Hummels, Bruder des BVB-Verteidigers Mats. «Ibuprofen werden verteilt wie Smarties», sagt Neven Subotic, zweimaliger Meister mit Dortmund. Es sind zwei der wenigen Profifussballer, die sich auch vor der Kamera zum Thema äussern.

«Du kannst mir neunmal sagen: Du nimmst zu viel Schmerzmittel, lass es! Ich höre neunmal weg.»

Jonas Hummels

«Von den Vereinen gibt es da auch nach meinem Wissen keine grosse Aufklärungsarbeit, weil sie eben auch unter Druck stehen, den Spieler so schnell wie möglich fit zu kriegen», sagt Subotic. Der Profi spricht von einem System, das «einfach eine Weitergabe von Druck» sei: «Der gibts auf den Nächsten, auf den Nächsten und den Nächsten. Und am Ende hat der den meisten Druck, der am meisten zu verlieren hat.»

Schmerzen betäuben, Entzündungen bekämpfen. «Du kannst mir neunmal sagen: Du nimmst zu viel Schmerzmittel, lass es! Ich höre neunmal weg», sagt Jonas Hummels, der bis 2016 in der 3. Liga in Unterhaching spielte. Auch Dani Schahin, der unter anderen bei Fortuna Düsseldorf aktiv war und im vergangenen Sommer seine Karriere beendete, offenbarte in der ARD-Doku: «Die letzten drei, vier Jahre ging eigentlich gar nichts mehr ohne Schmerzmittel.»

Geld spielt grössere Rolle als medizinische Vernunft

Toni Graf-Baumann prangert seit vielen Jahren diesen alarmierenden Missbrauch an, zu dem auch die vorbeugende Einnahme von Mitteln zählt. «Da läufst du gegen Mauern», sagte der Ex-Berater des Weltverbandes Fifa und Mitglied der Anti-Doping-Kommission des Deutschen Fussball-Bundes. «Da spielen das Geld, die Sponsoren, die ausufernden Gehälter und auch die Medien eine viel grössere Rolle für die Sportverbände als die medizinische Vernunft.»

Dies hat sich in den vergangenen Jahren nicht geändert. Denn die Problematik ist alles andere als neu. Bereits 2008 sagte der damalige Fifa-Chefarzt Jiri Dvorak gegenüber der «SonntagsZeitung»: «Es wird einfach zu viel eingenommen.» 2012 wurde eine Studie veröffentlicht, welche den Schmerzmittelgebrauch während der WM 2010 untersuchte. Die erschreckende Erkenntnis: 39 Prozent aller Spieler nahmen vor jeder Partie schmerzstillende Mittel ein.

«Schockierend ist, was im Amateurfussball passiert»

Schmerzmittel zu nehmen, ist im Sport nicht untersagt und steht nicht auf der Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur. Dabei erfüllen die Mittel zwei Kriterien, die für eine Aufnahme in die Liste sprechen. «Die Kriterien Leistungssteigerung und Gesundheitsgefährdung sind erfüllt», urteilte Hans Geyer, Biochemiker im Doping-Analyselabor in Köln. «Nach meiner Auffassung widerspricht es auch der Ethik des Sports, wenn man nur mit Schmerzmitteln Sport treiben kann.»

Doch wie die ARD-Doku zeigt, geht es nicht nur um den Profibereich. Eine nicht repräsentative Umfrage zum Schmerzmittelkonsum im Amateurfussball unter 1142 Fussballspielern von Correctiv zeigt, dass nicht unbedingt das grosse Geld eine Rolle spielt. Von den Befragten gaben 47 Prozent an, mehrfach in einer Saison zu Schmerzmitteln zu greifen; 21 Prozent nahmen sie einmal pro Monat oder öfter.

«Schockierend ist, dass es auch im Amateurfussball passiert», sagte DFB-Präsident Fritz Keller der ARD. «Ich wusste, dass das Problem besteht, aber das präventiv einzunehmen, ist einfach Dummheit.» Er wolle nun über die Landesverbände und über die Trainer eine Sensibilisierung schaffen. Denn der Sport im Amateurbereich sei «zur Gesunderhaltung gedacht und nicht dafür, dass man sich kaputtmacht», betonte Keller.

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dpa/abb