Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Hype um neues Footballteam
Spektakel mit Alphorn und Hellebarde – die Schweizergarde begeistert

Der professionelle Football hat seinen Weg in die Schweiz gefunden: Die Helvetic Guards konnten in ihrer ersten Saison bereits Teams aus Barcelona, Stuttgart und Mailand schlagen.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Kuhglocken und Alphörner auf der Tribüne. Eine Hellebarde auf dem Platz. Das wirkt und klingt ganz wie die Schweiz. Und ist doch ganz anders. Es geht um American Football.

Wir sind im Bergholz-Stadion in Wil, wo die Helvetic Guards an diesem Sonntag das letzte Heimspiel ihrer Premierensaison in der European League of Football bestreiten. Die Guards sind der einzige Schweizer Vertreter in dieser Profiliga, kurz ELF genannt, und Guards heissen sie in Anlehnung an die Schweizergarde in Rom. Ihr Gegner an diesem Tag sind Rhein Fire aus Düsseldorf, eine Grösse im europäischen Football.

Der Stadionsprecher in Wil weist aus voller Kehle auf den Auftrag der päpstlichen Garde hin, der nun von einem Schweizer Football-Team fortgeführt werden soll: «Beschützt unser Stadion!», ruft er über die Lautsprecher den über 3000 Zuschauern entgegen. Zeitgleich stürmen die Guards aufs Feld, der vorderste Spieler trägt die Hellebarde mit sich.

3000 Zuschauerinnen und Zuschauer beim Football-Spektakel im Wiler Bergholz gegen das Traditionsteam Rhein Fire. Über die ganze Saison waren es durchschnittlich 2500 Personen.

Die European League of Football wurde 2020 gegründet in der Absicht, nach der Absetzung der NFL Europa im Jahr 2007 wieder eine professionelle Football-Liga auf dem Kontinent zu installieren. Bestehen soll die ELF nicht aus Vereinen, sondern nach amerikanischem Vorbild aus gewerblich organisierten Unternehmen, sogenannten Franchises. 2021 wurde die Liga angestossen, im Mai 2022 verkündete Commissioner Patrick Esume die Expansion durch einen Vertreter aus der Schweiz, der im Jahr darauf den Spielbetrieb aufnehmen soll: Die Helvetic Guards waren geboren. 

Aufgebaut aus dem Nichts

Innerhalb kürzester Zeit musste sich die quasi als Start-up beginnende Franchise eine Existenz aufbauen. Neben wirtschaftlichen Rahmenbedingungen musste ein passendes Stadion und eine Trainingsanlage gefunden, Equipment bereitgestellt und ein konkurrenzfähiges Kader inklusive Staff rekrutiert werden. 

Bei der Akquirierung von Spielern profitierten die Guards davon, dass es bereits eine Football-Liga in der Schweiz gab, aus der man Spieler abwerben konnte. Dies war ein notwendiger Schritt, zumal jedes Team der ELF nur zehn Ausländer (davon maximal vier Nordamerikaner) stellen darf. In den Reihen der Guards fanden so viele Spieler zusammen, die zuvor Konkurrenten gewesen waren. Dies sei auf persönlicher Ebene nie ein Problem gewesen, sagt General Manager Toni Zöller. «Doch im Football ist die Chemie auf dem Feld wichtig. Es dauert eine Weile, bis man versteht, wie der Nebenspieler tickt.»

Auch die ausländischen Spieler mussten schnell integriert werden. Diese überhaupt davon zu überzeugen, in die Schweiz zu kommen, sei nicht leicht gewesen, so Zöller. «Wir wiesen sie auf die besondere Eigenheit hin, dass man bei den Guards nicht wie bei anderen Teams nur eine Stadt, sondern ein ganzes Land repräsentiert.» Ausserdem warb man mit der hohen Lebensqualität in der Schweiz, der Aussicht auf Reisen, man schickte ihnen Youtube-Videos von Schweizer Bergen. Argumente, die offenbar überzeugt haben.

Doch Zeit, sich zu finden, hatten die Guards nicht wirklich. Dazu kam Verletzungspech früh in der Saison, worunter nicht nur die Qualität des Kaders, sondern auch das Selbstbewusstsein der Spieler litt. So erwischten die Guards einen enttäuschenden Start, verloren ihre ersten fünf Spiele.

Beflügelt vom heimischen Publikum

Als die von Zöller angesprochenen Automatismen jedoch endlich griffen, kam auch der Erfolg. Im sechsten Spiel konnte gegen die Barcelona Dragons der erste Sieg der Geschichte gefeiert werden, zwei weitere gegen Mailand und Stuttgart kamen hinzu. Dass alle im heimischen Bergholz eingefahren worden seien, sei kein Zufall, meint Zöller: «Im Football spielt der Heimvorteil eine extrem grosse Rolle, und unser Stadion ist das lauteste, in dem wir bisher gespielt haben. Unsere Fans sind unglaublich.» Und sie erschienen stets zahlreich: Rund 2500 Zuschauer im Schnitt besuchten die Heimspiele der Guards.

Mit einer solchen Begeisterung, einer solchen «Identifikation von Tag eins an», habe man nicht gerechnet, sagt Zöller. Doch sie zeigt, welchen Stellenwert American Football mittlerweile auch in der Schweiz geniesst. Und er wird weiterwachsen. Vor allem dann, wenn auch die Guards sich sportlich noch steigern. Mit drei Siegen aus bislang elf Spielen – das Duell mit den übermächtigen Rhein Fire endete 17:43 – sei man für den Anfang «sehr zufrieden», sagt Zöller. Man habe gezeigt, dass man mit den Besten mithalten könne. «Das sind Spitzenteams, die zum Teil schon 30 Jahre existieren und dementsprechend weiter sind.» Doch natürlich wolle man sich langfristig als eines von ihnen etablieren.

Imports aus dem Ausland wie Quarterback Skylar Noble aus Texas sind wichtig, um mit den besten Teams mithalten zu können.

Dass das nicht einfach wird, ist auch der Schwierigkeit geschuldet, die Mannschaft langfristig zusammenzuhalten. Mit Ausnahme der ausländischen Spieler sind alle berufstätig, fahren nach der Arbeit mehrmals pro Woche ins luzernische Emmen, um zu trainieren, und für die Heimspiele nach Wil in die Ostschweiz. Für manche sind das mehrere Stunden Autofahrt pro Strecke. Hinzu kommen Reisen zu Auswärtsspielen nach Barcelona, Mailand oder München, die das komplette Wochenende in Anspruch nehmen. 

Auch wenn es sich bei der ELF um eine professionelle Liga handelt: Finanziell lohnt sich die Opferbereitschaft der Spieler (noch) nicht. Die Summen, die für Spielergehälter fliessen dürfen, sind durch einen Salary Cap begrenzt. Ein «Homegrown», ein einheimischer Spieler also, verdient monatlich nur ein paar Hundert Euro. In Ländern wie Spanien oder Italien bedeutet dies jedoch einen grösseren Zustupf zum Haupterwerb als in der Schweiz, wo Lohnniveau und Lebenshaltungskosten höher sind. Während den Guards in dieser Hinsicht die Hände gebunden sind, profitieren ausländische Mannschaften davon, dass sich ihre Spieler eher vollzeitig dem Football zuwenden können.

Die Guards müssen mit der Liga wachsen

Eine weitere Herausforderung, der sich die Guards stellen müssen, wird das generelle Wachstum der Liga sein. Weitere Franchises sollen hinzukommen, was erhöhte Kosten verursachen wird. Man wird mehr als bisher nur zwölf Spiele absolvieren, somit mehr Auswärtsspiele und weitere Reisewege haben. 

Die Guards als Start-up konnten in ihrem ersten Jahr noch nicht kostendeckend wirtschaften, was von den Investoren zwar auch so budgetiert war. Schwarze Zahlen sollen aber möglichst bald erreicht und langfristig auch Profite erwirtschaftet werden. Diese sollen dann reinvestiert werden, beispielsweise «für den Umzug in ein grösseres Stadion oder in die Schaffung neuer Arbeitsplätze für die Geschäftsstelle», so Geschäftsführer Jörg Behrendt. Doch er weiss auch: «Unser Produkt ist der Sport. Wenn es sportlich nicht gut läuft, hat dies weniger Zuschauer zur Folge und somit weniger Einnahmen.»

Bedeutet: Die Guards müssen sich sportlich steigern, um weiter bestehen zu können. Denn die Liga entwickelt sich rasant. Dies untermauert allein schon die Kulisse des diesjährigen Finals. Bereits über 30’000 Tickets konnten für das Championship Game in Duisburg verkauft werden. Nächstes Jahr soll das Endspiel in der noch grösseren Veltins-Arena in Gelsenkirchen stattfinden. Fakt ist also: Die ELF wächst. Für die Guards gilt nun, schnell genug mit ihr wachsen zu können.