Tour de FranceHirschis Husarenritt in den Pyrenäen wird nicht belohnt
Marc Hirschi sorgt fast wieder für die Sensation. Der junge Schweizer ist lange alleine unterwegs, doch zwei Kilometer vor dem Schluss wird er eingeholt.
Die Spannung war kaum auszuhalten. Bis zum Schluss hielten wohl alle Schweizer Radfans die Luft an. Hielten die Luft an, weil sie es nicht verschreien wollten. Sich nicht zu früh freuen wollten. Was los war? Nun, der Schweizer Marc Hirschi stand kurz vor dem Sieg der 9. Tour-de-France-Etappe.
Und dann waren es nur noch zwei Kilometer, als die Hoffnungen zerplatzten. Denn der 22-Jährige wurde eingeholt. Alle Schweizer Radfans atmeten aus, schrien wohl ihre Enttäuschung heraus. Und das zurecht. Schliesslich zeigte der Schweizer eine spektakuläre Leistung. Nachdem Hirschi schon fast die 2. Etappe der diesjährigen Tour gewann, sich nur um Zentimeter dem französischen Radstar Julian Alaphilippe geschlagen geben musste, scheiterte er nun wieder knapp, sehr knapp.
Auf den letzten Metern überholt
Dabei sah es lange gut aus. Marc Hirschi setzte sich früh vom Feld ab und war dann die gesamte Etappe allein unterwegs, fuhr allein über die Pyrenäen. Stets konnte er sein Tempo gut halten, baute zwischenzeitlich seinen Vorsprung auf über vier Minuten aus. Gegen Ende der Etappe schmolz das Polster zwar immer mehr, doch stets sah es so aus, als ob es reichen würde.
Der 22-Jährige wäre der erste Schweizer Etappensieger an der Tour de France seit Fabian Cancellara 2012 gewesen. Dieser gewann damals den Prolog in Lüttich/Belgien. Es wäre nicht die einzige Gemeinsamkeit gewesen. Nur eine weitere. Denn: Cancellara ist Hirschis Manager und wohnt wie er in Ittigen bei Bern.
Doch schlussendlich nützte alles nichts. Nach über 2 Stunden Solo-Flucht wurde Hirschi 1,6 Kilometer vor dem Ziel eingeholt. Er hängte sich zwar noch an die Gruppe an und versuchte im Schlusssprint den Sieg zu holen – doch auch das klappte nicht. Im Sprint waren Tadej Pogacar und Primoz Roglic stärker und überholten den Berner auf den letzten Metern. Mit dem zweiten Rang übernahm Roglic auch sogleich die Gesamtführung, verdrängte damit den bisherigen Leader Adam Yates.
Am Dienstag geht es weiter
Trotz der bitteren Hirschi-Niederlage: Die 9. Tour-de-France-Etappe war spannungsgeladen und eine Freude für jeden neutralen Radfan. So legten die Favoriten ihre Zurückhaltung allesamt ab. Auch Vorjahressieger Egan Bernal zeigte sich in besserer Verfassung und lancierte erstmals Attacken. Doch gegen die Explosivität von Roglic kann er kaum etwas ausrichten. So holte sich der Slowene auch auf dem Gipfel die Bonussekunden vor seinem Landsmann Tadej Pogacar.
Der junge Pogacar könnte die grosse Sensation der Tour werden. Schon am Samstag war der erst 21-Jährige den Favoriten davongefahren und hatte ihnen 40 Sekunden abgeknöpft. Ohne das Malheur vom Freitag, als er durch einen gestürzten Fahrer über eine Minute verlor, wäre er jetzt in Gelb.
Für Mitfavorit Thibaut Pinot ist dagegen der Traum vom ersten französischen Toursieg seit 1985 beendet. Der 30-Jährige verlor auf beiden Bergetappen viel Zeit. «Mein Rücken tut so weh, dass ich kaum Kraft habe, um in die Pedale zu treten», berichtete Pinot, dem zum Auftakt in Nizza beim Sturz ein anderer Fahrer in den Rücken gekracht war. Der Franzose ist der grosse Tour-Pechvogel. Im vergangenen Jahr musste er in aussichtsreicher Position auf der drittletzten Etappe wegen einer Muskelverletzung unter Tränen aufgeben. 2013 stoppte ihn eine Angina, 2016 eine Bronchitis.
Und auch für Julian Alaphilippe wird es keine weiteren Tage in Gelb geben. Nach einer letzten Attacke war die Luft raus. Da war es für die Gastgeber nur ein schwacher Trost, dass Ausreisser Nans Peters am Samstag nach 141 Kilometern die Etappe in Loudonvielle gewann.
Bevor die Tour am Dienstag mit der zehnten Etappe an der Atlantikküste fortgesetzt wird, stehen am Ruhetag die Corona-Tests bei allen Fahrern samt der Entourage an. Dann wird sich zeigen, ob die Tour-Blase auf dem Weg durch Südfrankreich gehalten hat. Wenn nicht, droht ein Chaos. Schon zwei positive Fälle in einem Team führen zum Ausschluss des ganzen Rennstalls. So könnten kerngesunde Fahrer nach Hause fahren, wenn der Busfahrer und der Physiotherapeut infiziert sind.
Dann würde das Peloton am Dienstag arg limitiert die Reise fortsetzen, wenn es von der Île d’Oléron Le Château-d’Oléron zur Île de Ré Saint-Martin-de-Ré über 168,5 Kilometer geht. Die Strecke ist komplett flach. Allerdings könnte der Wind eine grosse Rolle spielen.
dpa/nih
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