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G-20-Gipfel zu Afghanistan
Hilfe, damit Kabul nicht kollabiert

Die Vorzeichen sind düster: Afghanistan erlebt einen dramatischen wirtschaftlichen Zerfall, hier ein Eindruck aus Kandahar. 
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Das Not leidende afghanische Volk soll Hilfe bekommen, allein die EU-Kommission sagt eine weitere Milliarde Euro zu. Beim virtuellen G-20-Sondergipfel zu Afghanistan, den die italienische Präsidentschaft gegen Widerstände einiger Mitgliedsstaaten organisiert hat, ging es vor allem um Versprechen und humanitäre Gesten. Seit dem Abzug der westlichen Streitkräfte und der schnellen Machtübernahme der Taliban leidet das Land unter einem dramatischen wirtschaftlichen Zerfall.

97 Prozent der Afghaninnen und Afghanen droht unmittelbare Armut

Internationale Darlehen und Subventionen sind gestoppt worden aus Sorge, sie könnten den Koranschülern zufallen. Die USA blockierten Milliarden der afghanischen Zentralbank, die im Ausland liegen. Die Regierung in Kabul lässt deshalb nur noch kleine Barbezüge in den Banken zu, die Beamtenlöhne wurden gekürzt.

Vielen Geschäften droht die Schliessung, weil es an Kunden fehlt. Ohne Hilfe, so gaben die Vereinten Nationen kürzlich zu bedenken, seien 97 Prozent der afghanischen Bevölkerung unmittelbar von Armut bedroht. Ausgerechnet in diesem Jahr kündigt sich auch noch die schlechteste Ernte seit 35 Jahren an, wie die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO bekannt gab.

«Wenn die Banken zerfallen, bringt auch die Unterstützung nichts mehr.»

Mario Draghi, Italiens Premier

Italiens Premier Mario Draghi sprach nach dem Gipfel von einer «humanitären Katastrophe». Man müsse verhindern, dass das Land kollabiere und das Finanzsystem auseinanderbreche: «Wenn die Banken zerfallen, bringt auch die Unterstützung nichts mehr.» Dasselbe gelte für den Flughafen von Kabul – wenn er nicht offen bleibe, sei es unmöglich, Afghanistan zu unterstützen. Durch die Hilfen werde aber das Regime der Taliban nicht anerkannt, davon sei man weit entfernt, so Draghi. Alle Teilnehmer zeigten sich besorgt, dass Afghanistan in Sachen Frauenrechte um 20 Jahre zurückgeworfen werde.

Italiens Premier Mario Draghi hat wochenlang geworben für den Sondergipfel – alle mochten dann aber doch nicht prominent daran teilnehmen. 

Nach Ansicht der Italiener ist dieser Gipfel ein grosser diplomatischer Erfolg ihres Premiers, obschon es am Ende keine bindende Schlusserklärung gab. Draghi hatte wochenlang dafür geworben, dass sich die Welt möglichst schnell der humanitären Not in Afghanistan annehme, zumal der abrupte Abzug der Einsatzmächte dazu beigetragen habe. Die reichen Länder seien verpflichtet, der afghanischen Bevölkerung zu helfen. Es sei das erste Mal gewesen, dass jetzt auf «multilaterale Art» die afghanische Krise angegangen worden sei, sagte Draghi. Dieses Arbeitsschema erlebe nun eine kleine Wiedergeburt.

Putin liess sich von einem Vizeminister vertreten

Draghi konnte allerdings nicht alle Staats- und Regierungschefs der G-20 davon überzeugen, an der Videokonferenz teilzunehmen. Der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping liess sich von seinem Aussenminister vertreten, der russische Präsident Wladimir Putin beauftragte einen Vizeminister. Dieselben Länder hatten sich vor ein paar Wochen auch gegen die Berufung eines «Sonderberichterstatters» der UN für die Menschenrechtssituation in Afghanistan gewehrt.

Die Nutzung des G-20 als Forum für eine solche geopolitisch komplexe Diskussion gilt als innovativ; im Normalfall behandeln die mächtigsten Industriestaaten in dieser Zusammensetzung Wirtschafts- und Handelsthemen. Ausser den üblichen Mitgliedern waren auch Singapur, Spanien, die Niederlande und Katar eingeladen. Xi Jinping wird auch Ende Monat nicht am G-20-Gipfel in Rom teilnehmen. Seit Ausbruch der Pandemie verlässt er sein Land nicht mehr.