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EU-Kommissar Maros Sefcovic
Herzlich, aber hart – die Botschaft des EU-Vizechefs für die Schweiz

Bilaterales Tête-à-Tête: Aussenminister Ignazio Cassis (rechts) und Maros Sefcovic, der Vizepräsident der EU-Kommission, am Mittwochabend im Von-Wattenwyl-Haus in Bern.
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Kommt er als Freund? Oder kommt er, um der Schweiz den Tarif durchzugeben?

Selten wurde ein Vortrag an einer Schweizer Universität mit so viel Spannung erwartet wie am Mittwochabend der Auftritt von Maros Sefcovic, dem Vizepräsidenten der EU-Kommission. Die 300 Plätze im Auditorium Joseph Deiss an der Universität Freiburg sind voll besetzt. Viele Studierende sind gekommen und auch viele Freiburger und nationale Prominenz – darunter sogar der Namensgeber des Hörsaals, der 77-jährige Alt-Bundesrat Joseph Deiss.

«Ich kam hierher, um zuzuhören», sagt der 56-jährige Slowake, der seit 14 Jahren dem mächtigsten EU-Gremium angehört. 2021, nachdem der Bundesrat die Verhandlungen um das Rahmenabkommen abgebrochen hatte, war es Sefcovic, der in Brüssel das ungeliebte und mühsame Schweiz-Dossier übernehmen musste. Unter seiner Ägide gleisten die EU und die Schweiz neue Sondierungsgespräche für ein neues Vertragswerk auf.

Diese dauern nun bereits seit einem Jahr an, acht Gesprächsrunden haben bisher stattgefunden. Ein nochmaliges Scheitern, stellt Sefcovic in Freiburg klar, liege nicht drin. «Dieses Mal müssen wir Erfolg haben.»

Ein Deal schon 2024?

Dafür nennt der EU-Vize erstmals einen Zeitplan. «Ich hoffe, dass wir die Verhandlungen bis im Sommer 2024 abschliessen können.» Im nächsten Sommer, so glaubt Sefcovic, sind die Voraussetzungen für eine Einigung ideal. Denn dann sind in der Schweiz die eidgenössischen Wahlen vorbei, welche eine Einigung erschweren. Und in Brüssel hat die laufende Amtszeit der Kommission von Ursula von der Leyen noch nicht geendet. Ein «window of opportunity» sei das, sagt Sefcovic. In den Sondierungsgesprächen habe man schon «einigen Fortschritt» in mehreren Punkten erzielt. Doch «mehrere heikle Punkte sind weiterhin offen», und es brauche «noch viel Arbeit».

Sefcovic ist ein freundlicher Mann. Anders als andere EU-Vertreter vor ihm trifft er in Freiburg den Ton für ein Schweizer Publikum, wie hinterher viele Zuhörende konstatieren. Inhaltlich verteilt aber auch Sefcovic keine Geschenke. Die EU sei der Schweiz bereits in vielem entgegengekommen, sagt er. Doch am Ende brauche es eine «Balance» – das Verhandlungsresultat müsse für beide Seiten stimmen.

Eigentlich sei die Sache recht einfach, argumentiert Sefcovic: Wer Zugang zum EU-Binnenmarkt wolle, dem grössten der Welt, der müsse dafür auch dessen Regeln akzeptieren. Das gelte auch für die Schweiz. Solange dies nicht der Fall sei, werde die Schweiz beispielsweise auch keine neue Assoziierung bei der EU-Forschungs­zusammenarbeit Horizon bekommen.

«Wir haben auf ihre Bedenken gehört, aber die Schweiz muss auch unsere verstehen.»

Maros Sefcovic, Vizepräsident der EU-Kommission

Ein Mann aus dem Publikum weist den EU-Kommissar darauf hin, dass die Schweiz eine direkte Demokratie sei und jedes Abkommen eine Volksabstimmung überstehen müsse. «Ich bin mir bewusst, dass wir einen guten Deal für die Schweizer Stimmbürger finden müssen», antwortet Sefcovic auf Englisch. Doch auch die 27 EU-Mitgliedsstaaten wollten eine Abmachung, die für sie stimme. «Wir haben auf ihre Bedenken gehört, aber die Schweiz muss auch unsere verstehen.»

In seinem Vortrag geht Sefcovic nur am Rande auf die einzelnen Streitpunkte ein. Einzig zur Rolle des Europäischen Gerichtshofs bei der Auslegung der bilateralen Verträge äussert er sich. Sefcovic versucht die Angst mancher Schweizer vor «fremden Richtern» zu zerstreuen, indem er sagt: «Die Justiz ist blind.» Die EU-Richter, so argumentiert Sefcovic, würden mit ihren Entscheiden nicht nur EU-Bürger und -Firmen gegen Rechtsverstösse schützen – sondern eben auch Schweizer Firmen und Arbeitnehmer.

Doch Sefcovic ist nicht nur als Brüsseler Interessenvertreter, sondern auch als Werbender gekommen. Die Schweiz und die EU seien «mehr als bloss Nachbarn», sagt Sefcovic. «Wir sind wirtschaftliche Partner. Wir sind geopolitische Alliierte.» Seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs gelte das noch mehr als zuvor. Europa müsse zusammenstehen. 

Zum Znacht mit Cassis

Eingeladen worden war Sefcovic von der Universität Freiburg für ihren jährlichen Europatag. Doch Sefcovic nutzte diese private Einladung, um sich auch selber einzuladen – und zwar bei allen, die in der Schweizer Europapolitik etwas zu sagen haben, angefangen bei Aussenminister Ignazio Cassis. 

Dieser liess sich mit einer Antwort auf Sefcovics Gesprächsangebot viel Zeit, doch nach vielen Wochen beantwortete er es schliesslich positiv. Direkt nach seinem Vortrag in Freiburg reiste Sefcovic darum nach Bern weiter, wo er Cassis im Von-Wattenwyl-Haus zu einem Abendessen traf. 

Am Donnerstag tritt der EU-Kommissar in Bern zudem je anderthalb Stunden lang vor den Aussenpolitischen Kommissionen der beiden eidgenössischen Räte auf. Gleichentags trifft er auch die Spitze der Konferenz der Kantonsregierungen sowie die Chefs der Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände, die im EU-Dossier eine Schlüsselrolle spielen. Ein vielstündiger Gesprächsmarathon in und um das Bundeshaus.

Sefcovic wird dabei viel Gelegenheit haben zuzuhören. Und seine Schweizer Gesprächspartner werden auch einiges zu hören bekommen, was ihnen nicht gefallen wird.

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