Heftige Vorwürfe gegen den PräsidentenIm Verband der kleinen Läden schwelt ein Interessenkonflikt
Der Präsident wollte der Organisation, der Läden wie Denner-Satellit, Migros-Voi, Volg, Spar und Migrolino angehören, seine eigene Firma verkaufen. Nun ist das Vorhaben gestoppt – zumindest vorerst.

Bei Veledes, dem über 120-jährigen Schweizer Traditionsverband, läuft nicht alles rund. Der Verband vertritt 430 Händler, die selbstständig Filialen von Migros, Coop, Denner, Volg oder Spar betreiben. Unter den Mitgliedern sind auch grosse Unternehmen wie Unilever, Fenaco und Valora*.
In einem E-Mail vom Mittwoch an die Mitglieder macht Christoph Streuli, der Jurist des Verbandes, der Verbandsleitung heftige Vorwürfe. Im Kern kritisiert er, der geschäftsführende Präsident Marcel Mautz habe den Verkauf seiner eigenen Firma an den Verband zu einem hohen Preis geplant.
Klar ist, die Verflechtungen sind eng. Die fragliche Firma, die 2009 gegründete Veledes Bildungs AG, gehört seit 2012 vollständig Marcel Mautz und Charly Solenthaler. Dieser sitzt als Geschäftsführer Bildung ebenfalls in der Veledes-Verbandsleitung.
Die Firma, die aktuell 15 Mitarbeitende beschäftigt, hat vom Verband das Mandat, überbetriebliche Kurse für Detailhandelsfachleute und zahlreiche Weiterbildungen anzubieten. Daran nehmen nicht nur Angestellte von kleinen Dorf- und Quartierläden teil, sondern auch Lehrlinge von Migros, Coop und anderen grossen Detailhändlern. Am Kursgeld beteiligen sich der Bund und die Kantone.
Verhandlungen bis auf weiteres verschoben
Tatsächlich wurde im Verband der Kauf dieser Firma mehrmals diskutiert. Mautz habe in den vergangenen zwei Jahren diese Option an den Vorstand herangetragen, bestätigt Urs Cathrein. Er war von 1994 bis 2022 in der Veledes-Verbandsleitung, zudem ist er FDP-Gemeinderat in Wald ZH. Es habe harte Diskussionen gegeben. «Ich habe damals darauf hingewiesen, dass der Firmenwert zu hoch berechnet ist.»
Cathrein sagt, er habe es als voreilig betrachtet, so lange im Voraus über den Kauf zu befinden. «Die Verkaufsverhandlungen hätten nämlich nicht sofort, sondern erst ab 2027 stattfinden und spätestens im Jahr 2030 abgeschlossen sein sollen.»
Das Gremium habe sich dann entschieden, das Geschäft zu einem späteren Zeitpunkt zu behandeln, und die Angelegenheit auf Eis gelegt, sagt Christoph Stüssi, der in Zürich einen Quartierladen betreibt und seit 2021 in der Verbandsleitung sitzt. Er begründet dies mit «anderen Prioritäten».
Marcel Mautz sieht in seinem Vorgehen keinen Fehler. Eine Übernahme wäre für den Verband eine geeignete Option, denn bereits jetzt seien beide Organe eng miteinander verflochten. Später würden er und sein Geschäftspartner einen allfälligen Verkauf erneut prüfen, «da wir dies mit Blick auf das langfristige Gedeihen der Bildungs AG grundsätzlich für eine nachhaltige Lösung halten».
Die frühe Planung begründet Mautz mit dem fortgeschrittenen Alter von ihm und seinem Geschäftspartner Charly Solenthaler. Deshalb würden sie seit längerem nach einer Nachfolgelösung suchen. Solenthaler ist 56-jährig, Mautz 57-jährig. Zur genauen Höhe des diskutierten Kaufpreises schweigt der Präsident – wie alle anderen kontaktierten Personen.
Jurist Streuli wurde kürzlich entlassen. Dazu sagt Mautz, das Mandat sei infolge erreichten Pensionsalters und vor dem Hintergrund der Konsolidierung beendet worden.
Keine Sonderbedingungen für den Präsidenten
Die Nähe zwischen dem Verband Veledes und der Firma Veledes Bildung AG ist geschichtlich gewachsen. Sie habe mit dem Schwinden der finanziellen und personellen Ressourcen zu tun, sagt Urs Cathrein, der durch seine fast dreissig Jahre in der Leitung die Entwicklung miterlebt hat. Der Verband hat laufend Mitglieder verloren, da es mit dem Erstarken der Detailhandelsriesen Coop und Migros und weiterer grosser Akteure immer weniger kleine Dorf- und Quartierläden gibt. Deshalb sei es zunehmend schwieriger geworden, Mitglieder für die Vorstandsarbeit gewinnen zu können.
Was gilt, wenn Interessenkonflikte drohen, regelt im Sinn einer Branchenvereinbarung ein Papier des Firmendachverbands Economiesuisse. Es richtet sich zwar an Unternehmen, habe aber auch für Vereine und damit für Verbände seine Gültigkeit, sagt Dominik Probst, Anwalt bei der Kanzlei SLP in Aarau.
Im Papier steht, dass Geschäfte zwischen der Gesellschaft und Organmitgliedern «in allen Fällen dem Grundsatz des Abschlusses zu Drittbedingungen unterstehen» – also zu denselben Bedingungen abgeschlossen werden sollten wie zwischen dem Verband und einem unbeteiligten Externen. Das heisst, es dürfen für den Präsidenten keine Sonderbedingungen gelten. Darüber hinaus müssen für die Genehmigung die Betroffenen in den Ausstand treten. Und: Nötigenfalls sollte eine unabhängige Stelle das Geschäft beurteilen.
Marcel Mautz sagt, er sei bei den Verhandlungen in den Ausstand getreten. Zudem habe der Vorstand, um die Interessen des Verbandes zu wahren, Rechtsanwalt Streuli beigezogen.
Jedoch sei es wegen des Stopps der Verhandlungen zu keiner Risikoanalyse gekommen, sagt Mautz. Sollte es dereinst doch noch zu einer Übernahme seiner Firma durch den Verband kommen, sei eine solche «aber durchaus sinnvoll».
*In der ursprünglichen Version haben wir geschrieben, Lindt & Sprüngli gehöre zu den Mitgliedern von Veledes. Wir bezogen uns dabei auf Informationen der Veledes-Website. Lindt sagt, diese Information sei nicht korrekt. Deshalb haben wir die entsprechende Textstelle am 18. November angepasst.
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