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Medikamentenpreise
Harte Kritik an den Gewinnen mit Krebsmedikamenten in der Schweiz

Krebs ist eine der weitverbreitetsten Krankheiten, und Krebstherapien zählen zu den grössten Kostentreibern der Krankenkassen.
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Die Kassenprämien dürften nächstes Jahr um rund 10 Prozent hochschnellen, so warnt der Verband Santésuisse. Einer der Kostentreiber: die Preise für Medikamente. Diese sind ungerechtfertigt hoch, kritisiert nun die Menschenrechtsorganisation Public Eye. Sie präsentiert erstmals Schätzungen zu den Profiten der Pharmahersteller bei einzelnen Medikamenten in der Schweiz.

Einen Gewinnanteil von 90 Prozent errechnet Public Eye für das Krebsmedikament Revlimid des US-Konzerns Bristol Myers Squibb. Die Therapie gegen Blutkrebs spielte der Firma hierzulande seit der generellen Rückerstattung durch die Kassen 2008 kumuliert einen Umsatz von 600 Millionen Franken ein und gehört damit in der Schweiz zu den grössten Kostenverursachern im Medikamentensektor. «Unsere Studie zeigt, dass die reinen Kosten für Produktion, Vertrieb wie auch für Forschung und Entwicklung insgesamt nicht mehr als 10 Prozent ausmachen, der Preis für das Medikament ist schlicht Wucher», sagt Pharmaexpertin Gabriela Hertig von Public Eye. Die Gewinnmarge bei Revlimid betrage 90 Prozent.

Bei der Festsetzung der Medikamentenpreise spielen die eigentlichen Kosten der Pharmafirmen keine Rolle. Die Preisfestlegung orientiert sich derzeit einzig an Auslandspreisen und am therapeutischen Quervergleich. Die Gewinne der Industrie sind kein Thema. Public Eye will das ändern.

Public Eye hat in seiner Studie die Profitmargen von sechs Krebsmedikamenten unter die Lupe genommen. Sie will damit die Pharmafirmen und die Schweizer Politik in die Zange nehmen. Die Hersteller geben ihren Gewinn nur bezogen auf das gesamte Unternehmen bekannt, aber nie für einzelne Therapien. Sie rechtfertigen dies damit, dass die Kosten für Forschung und Entwicklung schwer auf ein einzelnes Produkt zu beziehen seien. Fehlschläge bei der Suche nach neuen Medikamenten seien unvermeidlich, die daraus entstehenden Kosten müssten schliesslich auch mitfinanziert werden.

Studie berücksichtigt auch Misserfolge

Die Studie von Public Eye berücksichtigt jedoch auch Misserfolge in der Forschung, und das macht sie so interessant. Gerade bei Krebsmedikamenten ist das Risiko hierfür hoch. Die Erfolgswahrscheinlichkeit ist bei der Berechnung von Public Eye als Faktor einbezogen worden. Sie beruht auf einer seit 2019 vorliegenden Datenanalyse der Erfolgsraten bei klinischen Versuchen. 

Das Medikament Kisqali gegen Brustkrebs von Novartis bringt es Public Eye zufolge auf einen Gewinnanteil von 43,3 Prozent. Bei der Krebsimmuntherapie Tecentriq von Roche sind es 43,6 Prozent. Dies ist jedoch erst der Anfang: Beide Therapien sind erst seit wenigen Jahren auf dem Markt, die Gewinnmarge wird sich mit jedem weiteren Jahresumsatz erhöhen, da Forschungs- und Entwicklungskosten dadurch weiter abgetragen werden.  

«Finanzzahlen zu einzelnen Produkten kommentieren wir grundsätzlich nicht», sagt ein Novartis-Sprecher. Auch Roche äussert sich nicht zu der Studie von Public Eye. Der Verband Interpharma hält die Berechnungen für «sehr abenteuerlich», so Sprecher Samuel Lanz. Es sei nicht möglich, die Forschungskosten für ein Medikament auf die Schweiz zu beziehen. Zudem seien weitere Ausgaben wie Steuern oder Dividenden nicht berücksichtigt. 

«Vor allem aber schätzt Public Eye die Kosten, die ausserhalb der klinischen Studien anfallen, viel zu niedrig ein», sagt Lanz. Sie machten fast 60 Prozent aus, statt wie in der Studie angenommen 30 Prozent. Das Fazit des Verbandes: «Die von Public Eye behauptete Gewinnmarge liegt viel zu hoch», sagt Lanz.

«Über die Höhe der Gewinne zu entscheiden, die noch legitim sind, ist schwierig.»

Mathias Früh, Helsana

Für Krankenkassen steht die Diskussion um die Gewinne der Pharmaindustrie nicht an erster Stelle. Helsana begrüsste zwar grundsätzlich den Ansatz von Public Eye, mehr Kostentransparenz in der Pharmabranche zu schaffen. «Über eine gerade noch legitime Höhe von Gewinnen zu entscheiden, ist mehr als schwierig», sagt Mathias Früh, Leiter Gesundheitspolitik bei Helsana.

«Wenn man die Gewinne begrenzen wollte, müsste man Wettbewerb einführen», so Früh weiter. Den gebe es jedoch selbst dann nicht, wenn verschiedene Pharmafirmen ein ähnliches Medikament lancieren. «Weil das Gleichbehandlungsprinzip gilt, können alle denselben Preis fordern, sodass der Markt auch dann nicht spielt, wenn es verschiedene Anbieter gibt.»

«Letztlich zeigt die Studie von Public Eye auf, wer von den steigenden Prämien profitiert.»

Christoph Kilchenmann, Santésuisse

Beim Kassenverband Santésuisse steht der Nutzen eines Medikamentes im Fokus. «Und da läuft etwas schief, denn die Preise für neue Medikamente haben sich vom effektiven Mehrwert für die Patientinnen und Patienten abgekoppelt», kritisiert Chefökonom Christoph Kilchenmann. Die überhöhten Kosten bei Medikamenten seien ein wichtiger Grund für die zu befürchtenden Prämienerhöhungen. «Letztlich zeigt die Studie von Public Eye auf, wer von den steigenden Prämien profitiert.»