Cyber-Angriff auf EU-ArzneimittelbehördeHacker erschleichen Zugang zu Daten von Corona-Impfstoff
Unbekannte haben bei einer Attacke auf die Europäische Arzneimittelbehörde Unterlagen der Pharmaunternehmen Pfizer und Biontech abgegriffen.
Bei einer Cyberattacke auf die Europäische Arzneimittelbehörde EMA in Amsterdam sind unter anderem Daten der Pharmaunternehmen Pfizer und Biontech abgegriffen worden. Das teilten die Unternehmen in einer Erklärung mit, nachdem sie von der EMA über die Attacke informiert worden waren. Demnach seien «einige Dokumente» im Zusammenhang mit dem Antrag der beiden Unternehmen auf Zulassung ihres Impfstoffs gegen das Coronavirus von dem Angriff erfasst worden. Die Aktien von Biontech und Pfizer rutschten an der Wallstreet nach dem Cyberangriff um bis zu 3,5 Prozent ab.
Pfizer und Biontech betonten zugleich, dass in diesem Zusammenhang ihre jeweiligen Systeme nicht angegriffen worden seien. Auch seien nach ihrem Wissen keine Daten über die Testpersonen zugänglich geworden. Die Pharmaunternehmen seien zudem von EMA informiert worden, dass der Angriff «keine Auswirkungen» auf das Zulassungsverfahren für den Impfstoff habe. Die EMA ist für die Beurteilung und Überwachung von Arzneimitteln zuständig.
Die EMA selbst machte keine genaueren Angaben zu der Cyberattacke, weder über das Ausmass der angegriffenen Dateien noch über Vermutungen zu den Angreifern. Zudem ist unklar, ob auch Daten anderer Impfstoffhersteller wie Moderna oder Astra-Zeneca, welche ebenfalls Zulassungsgesuche eingereicht hatten, betroffen waren. Ein Sprecher der Behörde bestätigte am Mittwochnachmittag lediglich den Angriff, auch aus einer späteren Mitteilung der EMA ging nichts Genaueres hervor. Die Agentur teilte lediglich mit, dass eine umfassende Untersuchung eingeleitet worden sei. Während die Untersuchung andauere, könnten keine Details veröffentlicht werden.
Wohl keine gleich gelagerten Angriffe in der Schweiz
Die Arzneimittelbehörde Swissmedic hatte auf Anfrage keine Kenntnis von gleich gelagerten Angriffen auf Daten von Impfstoffherstellern in der Schweiz. Eine Nachfrage beim Nationalen Zentrum für Cybersicherheit (NCSC) ist ausstehend.
Bei Swissmedic sind derzeit Zulassungsgesuche zu vier Impfstoffkandidaten hängig. Eingereicht haben sie die Hersteller Pfizer/Biontech, Moderna, Astra-Zeneca sowie Janssen-Cilag. Wann mit einer ersten Zulassung zu rechnen ist, ist noch völlig offen (lesen Sie dazu: Geht es wirklich im Januar los? Verwirrung um Schweizer Start der Covid-Impfungen).
Swissmedic prüft die Gesuche im sogenannten rollenden Verfahren. Dabei müssen die Firmen mit einem Zulassungsantrag nicht warten, bis alle erforderlichen Unterlagen vorliegen, sondern können Resultate der fortlaufenden Studien einreichen, sobald diese verfügbar sind. Das Verfahren soll den Prüfprozess radikal beschleunigen.
Warnung vor Cyberattacken auf Kühlketten
Sicherheitsbehörden wiesen in diesem Jahr immer wieder auf die Gefahr von Hackerangriffen auf Impfstoffhersteller und Gesundheitsbehörden hin. In den vergangenen Monaten war es zu zahlreichen Attacken gekommen, so etwa im Oktober auf den indischen Impfstoffhersteller Dr. Reddy's. Mehrere internationale Standorte des Unternehmens waren betroffen. Nach eigenen Angaben hatte der Angriff jedoch keine weiteren Auswirkungen auf deren Tätigkeiten.
Jüngst warnten auch das deutsche Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, Interpol sowie das Technologieunternehmen IBM vor Cyberangriffen auf die Kühlketten von Corona-Impfstoffen. IBM hatte vergangene Woche nach eigenen Angaben weltweite Phishingaktivitäten gegen Organisationen entdeckt, die mit den Kühlketten beschäftigt seien. Corona-Impfstoffe wie die der Pharmakonzerne Biontech und Pfizer oder Moderna müssen unter sehr niedrigen Temperaturen gelagert und transportiert werden.
IBM hat nach eigenen Angabe Hinweise darauf, dass staatliche Akteure hinter der Aktion stecken. Die Nachrichtenagentur Reuters hatte zuvor über Hackeraktivitäten in Verbindung zum Iran, zu Vietnam, Nordkorea, Südkorea, China und Russland berichtet. Die Gruppen sollen versucht haben, Informationen über die Virusbehandlung zu stehlen.
EMA «immer überzeugter» von Pfizer-Impfstoff
Die Direktorin der Europäischen Arzneimittelbehörde Emer Cooke äusserte sich unterdessen am Mittwochabend positiv über die mögliche Zulassung des Corona-Impfstoffs von Biontech und Pfizer. «Wir sind immer überzeugter von den Testergebnissen, die uns vorliegen», sagte sie in einem Interview mit dem niederländischen TV-Nachrichtenmagazin Nieuwsuur. Ende Dezember werde darüber eine Entscheidung fallen. Der Impfstoff zeige eine hohe Wirksamkeit von fast 95 Prozent bei 30’000 Testpersonen und habe kaum Nebenwirkungen (Was schützt besser: Impfung oder Covid-19-Infektion? Hier finden Sie die wichtigsten Antworten zum Immunschutz).
Am 29. Dezember sei ein Treffen der EMA mit allen Arzneimittelbehörden der 27 EU-Mitgliedsstaaten angesetzt. Dann solle die Entscheidung über die Zulassung des ersten Corona-Impfstoffs in der EU fallen, sagte die Direktorin. Bis dahin würden die Experten Tag und Nacht die Testergebnisse prüfen. Es würden «keinerlei Zugeständnisse» bei der Sicherheit gemacht, betonte die Direktorin. Die EMA beurteilt unter anderem auch den Impfstoff des Pharmakonzerns Moderna. Dazu wird eine Entscheidung über die Zulassung für den 12. Januar erwartet.
In Grossbritannien hat der Impfstoff von Pfizer und Biontech bereits eine Notfallzulassung. Nach Angaben von Cooke ist diese nur eine begrenzte Zeit gültig. Die EMA strebe aber eine voll gültige Zulassung an. Auch über mögliche Nebenwirkungen des Impfstoffs äusserte sich die EMA-Chefin positiv. «Es wurden keine nennenswerten Nebenwirkungen festgestellt und schon gar keine ernsthaften.» Der Impfstoff wirke sowohl bei älteren als bei jüngeren Menschen.
sho/sda/reuters
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