Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

«Guantánamo-Deal»
Wie die 9/11-Terroristen dem Todesurteil entgehen

Poeple walk past a guard tower outside the fencing of Camp 5 at the US Military's Prison in Guantanamo Bay, Cuba on January 26, 2017. President Donald Trump has said he "absolutely" thinks torture works, but doctors, lawyers for terror suspects, and even fellow Republicans have pledged to oppose any effort to reinstate waterboarding or other banned interrogation techniques. (Photo by Thomas WATKINS / AFP)
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Er gilt als Architekt der Anschläge vom 11. September 2001: Nun will Chalid Scheich Mohammed, eines der ranghöchsten Mitglieder von al-Qaida, seine Taten gestehen. Mehr als zwei Jahre sollen die vertraulichen Verhandlungen zwischen seinen Anwälten und der zuständigen Staatsanwaltschaft gedauert haben. An deren Ende steht nun ein Brief an die Hinterbliebenen der 2976 bei den Terroranschlägen getöteten Menschen, verfasst vom Leitenden Staatsanwalt.

Am Mittwoch erreichte die Angehörigen das Schreiben, demzufolge Chalid Scheich Mohammed und zwei weitere Angeklagte, Walid bin Attash und Mustafa al-Hawsawi, sich in allen Anklagepunkten für schuldig bekennen wollen. Dafür werden sie nach einer Verurteilung wohl der Todesstrafe entgehen. Stattdessen sind lebenslange Haftstrafen wahrscheinlich.

FILE- Khalid Sheikh Mohammed, the alleged Sept. 11 mastermind, is seen shortly after his capture during a raid in Pakistan Saturday March 1, 2003 in this photo obtained by the Associated Press. The man accused of being the main plotter in al-Qaeda's Sept. 11, 2001 attacks has agreed to plead guilty, The Defense Department said Wednesday. (AP Photo, FILE)

Für die Angehörigen, die seit fast 23 Jahren auf Gerechtigkeit hoffen, könnte diese Verständigung bedeuten, dass sie nun endlich abschliessen können. Am Mittwoch hatte das Pentagon dem Vorgehen zugestimmt. Die genauen Bedingungen wurden dabei nicht bekannt.

Obama wollte Guantánamo schliessen lassen – vergeblich

Die drei Männer wurden 2008 und 2012 mit zwei weiteren Verdächtigen, Ali Abdul Aziz Ali und Ramzi Binalshibh, angeklagt, die Terroranschläge auf das World Trade Center in Manhattan und das Pentagon in Washington D.C. geplant und koordiniert zu haben. Die Attentäter, die die Flugzeuge gekapert hatten, waren dabei zu Tode gekommen.

Chalid Scheich Mohammed wurde 2003 in Pakistan von der CIA gefangen genommen und in einem geheimen Gefängnis des US-Geheimdienstes in Polen festgehalten, 2006 wurde er in das Hochsicherheitsgefängnis Guantánamo auf einem US-Marinestützpunkt in Kuba überstellt. Interne Papiere der CIA belegen, dass Mohammed allein 183-mal der Folter mit Wasser unterzogen wurde.

Misshandlungen der Inhaftierten, aber auch die Etablierung eines einmaligen juristischen Verfahrens standen seither einer strafrechtlichen Verfolgung der Anschläge von 9/11 im Wege. Im Krieg gegen den Terror etablierte der damalige US-Präsident George W. Bush ab 2001 ein Verfahren, das vom robusten Standard der Bundes- und Militärgerichte abwich.

US President Barack Obama puts his pen away after signing an executive order to close the "War on Terror" prison at Guantanamo Bay, Cuba, during a ceremony in the Oval Office of the White House in Washington, DC, January 22, 2009. Standing behind Obama are US Vice President Joe Biden and retired military officers. AFP PHOTO / Saul LOEB (Photo by SAUL LOEB / AFP)

Bush wollte Verdächtige in Guantánamo festhalten, von einem Sondergericht aburteilen lassen, hinrichten – ohne ihnen die Rechte aus der US-Verfassung zu gewähren. Damit sollten geheimdienstliche Erkenntnisse geschützt werden, aber auch die Folter der Gefangenen geheim bleiben. Der US-Präsident Barack Obama hatte zwei Tage nach seiner Amtseinführung verfügt, das Gefängnis schliessen zu lassen. Und er unternahm während seiner Amtszeit den Versuch, den Prozess gegen die Angeklagten auf dem US-Festland vor einem Strafgericht durchzuführen. Doch er scheiterte am Widerstand des US-Kongresses und an Sicherheitsbedenken.

Die Anwälte wollten, dass die Folter offengelegt wird

Immerhin wurden die Rechte der Angeklagten vor dem Militärgericht gestärkt, seit 2012 wird in der Navy-Basis Guantánamo Bay gegen die fünf Angeklagten verhandelt: kleinschrittig und immer wieder mit langen Unterbrechungen. Die Anwälte wollten dabei erreichen, dass die Folter an ihren Mandanten umfassend offengelegt wird – auch, um die Todesstrafe zu verhindern.

David Nevin, der Chalid Scheich Mohammed verteidigt, sagte 2016 dieser Redaktion: «Das Folterprogramm befleckt die Ehre Amerikas. Ein Rechtssystem wie diese Militärkommission, das es den USA erlaubt, einen Mann zu foltern und ihn dann hinzurichten, ist fehlerhaft und wird als unfair und unamerikanisch in die Geschichte eingehen.»

A hijacked commercial plane crashes into the World Trade Center 11 September 2001 in New York. The landmark skyscrapers were destroyed in the attack. The all-out war on terrorism unleashed by Washington after the attacks marked a turning point in US-Arab relations and nowhere more so than in once top ally Saudi Arabia. With 15 of the 19 suicide hijackers carrying Saudi nationality and mastermind Osama bin Laden being the scion of a leading Saudi family, the desert kingdom and world oil kingpin, suddenly found itself on the frontline of the war on terror prosecuted by US President George W. Bush.  AFP PHOTO SETH MCALLISTER (Photo by SETH MCALLISTER / AFP)

Chalid Scheich Mohammed soll für die Planung, die Kommunikation und die Finanzierung der Anschläge verantwortlich sein, teilweise hatte er die Taten während seiner Haft bereits gestanden – seine Anwälte halten die Verhöre aber nicht für verwertbar. Bin Attash wird beschuldigt, bei der Planung der Anschläge geholfen und den späteren Flugzeugentführern Geld geschickt zu haben. Hawsawi soll die Entführer auch bei Reisen unterstützt und Geldtransfers abgewickelt haben.

30 Personen sind noch in Haft – nur elf wurden angeklagt

Der «Deal», wie US-Medien schreiben, könnte sich auch auf die beiden Mitangeklagten Ali Abdul Aziz Ali und Ramzi Binalshibh auswirken, die bisher nicht davon erfasst werden. Binalshibh, der als Bote von Osama bin Laden gilt und als Student in Hamburg studierte, wo er sich in der Moschee radikalisiert hatte, wurde 2023 aufgrund der erlittenen Folter als verhandlungsunfähig erklärt, sein Prozess wurde abgetrennt.

Insgesamt rund 780 Insassen sollen in dem Hochsicherheitsgefängnis in Guantánamo Bay seit 2002 inhaftiert gewesen sein, viele von ihnen unschuldig. Heute sind es laut «New York Times» noch 30, nur 11 wurden angeklagt, ein Mann wurde verurteilt. In den vergangenen Jahren wurden viele Häftlinge in ihre Heimat oder in Drittstaaten zurückgeschickt. Drei Männer sind weiterhin ohne absehbares Ende inhaftiert, ihre Überstellung wird nicht empfohlen.