Ungebetene WerbeanrufeGroupe Mutuel kauft Krankenkassen-Broker
Die Branchenvereinbarung der Krankenkassen verbietet ab 2021 Telefonanrufe zu Werbezwecken. Jetzt kommt Bewegung in den Markt: Der erste grosse Versicherer kauft sich das Know-how eines Vermittlers.
Ende Jahr soll Schluss sein mit den lästigen Telefonanrufen von Vermittlern, die einem den Wechsel der Krankenkasse andrehen wollen, obwohl man gar nicht wechseln will. Dies sieht die Branchenvereinbarung vor, die im Januar unterzeichnet worden ist und Anfang 2021 in Kraft tritt. Ausserdem legt die Vereinbarung eine Obergrenze von 70 Franken fest, die ein Vermittler pro Verkauf verdienen darf.
In den vergangenen Jahren trieben die Callcenter die Entschädigung in immer neue Höhen, und die Versicherer, vor allem jene die wachsen wollten, waren von ihnen abhängig. Da vor allem gesunde Patienten wechseln, konnte eine Krankenkasse mit einem erfolgreichen Vermittler gesunde Versicherte anlocken und so ihre Risikostruktur verbessern. Mit dem Verbot von Werbeanrufen und dem Deckel bei der Entschädigung ist das Vermittlergeschäft allerdings weniger attraktiv. Das hat Folgen.
Netzwerk von 1000 Beratern
Groupe Mutuel, einer der grossen Versicherer insbesondere im Bereich der Krankenversicherung, macht den Anfang. In den nächsten Tagen will er mitteilen, dass man den Broker Maklerzentrum.ch in die Gruppe integriert, wie mehrere Quellen unabhängig voneinander sagen. Die Firma ist gemäss eigener Darstellung ein Netzwerk mehr als 200 Versicherungsexperten und damit einer der Grossen in der Vermittlerbranche. Ebenfalls Verkaufsgerüchte gibt es um das Brokernetzwerk Neo.
Groupe Mutuel wollte die Akquisition nicht bestätigen. Auch die anderen grossen Versicherer überlegen sich offenbar, wie sie ihr Marketing in Zukunft aufstellen. Entweder sie bauen ihre eigenen Abteilungen aus oder sie kaufen bestehende Vermittler ein, wie die Groupe Mutuel.
«Mit der Branchenvereinbarung werden unseriöse Anrufe zurückgedrängt.»
Das ändert nichts daran, dass ab Neujahr die lästigen Anrufe zumindest bei jenen Versicherern wegfallen sollten, welche die Branchenvereinbarung unterzeichnet haben. Diese sieht vor, dass die Versicherer weder Vermittler mit Telefonwerbung unter Vertrag nehmen, noch selber Telefonwerbung machen.
Santésuisse-Sprecher Manuel Ackermann sagt, damit würden die unseriösen, nicht willkommenen Telefonanrufe zurückgedrängt. «Damit die Vereinbarung Wirkung entfaltet, wurden hohe Bussen festgelegt. Diese werden von einem Schiedsgericht mit externer Beteiligung ausgesprochen, falls ein Krankenversicherer die Verpflichtungen bezüglich der Qualität in der Akquise nicht erfüllt», sagt Ackermann.
Noch haben nicht alle Versicherer die Branchenvereinbarung unterzeichnet. Beim Bund ist deshalb ein Gesetz in Arbeit, um die Vereinbarung für allgemeinverbindlich zu erklären. Dann müssten sich auch jene daran halten, die sie nicht unterzeichnet haben. Letzte Woche ging die Vernehmlassung dazu zu Ende.
Verband hält Eingriff für unnötig
Die beiden Verbände der Krankenkassen unterstützen die Revision. Allerdings geht sie ihnen in einem Punkt zu weit. Der Bund fasst den Begriff der Vermittler nämlich weiter als die Branchenvereinbarung und möchte auch noch Details wie beispielsweise die Ausbildung der internen Berater allgemeinverbindlich regeln. Dagegen haben sich sowohl Santésuisse, als auch Curafutura ausgesprochen.
Pius Zängerle, Direktor von Curafutura, findet diesen Eingriff des Bunds unnötig. Die Branchenvereinbarung und die bestehenden gesetzlichen Grundlagen würden ausreichen. Was der Bund vorhabe, sei ein Eingriff in die Organisationsfreiheit der Krankenversicherer und das wettbewerbliche System der Krankenversicherung.
«Der Bund müsste die bestehenden Gesetze endlich einmal anwenden.»
Grundsätzlich kritisch steht dem Vorschlag Felix Schneuwly vom Prämienvergleichsdienst Comparis gegenüber. «Mit dem Fernmeldegesetz, dem Gesetz über den unlauteren Wettbewerb und dem Aufsichtsgesetz über die Krankenversicherer gibt es bereits genügend Rechtsgrundlagen, um unerwünschte Telefonwerbung von Krankenversicherern zu verhindern», sagt er. Ein neues, zusätzliches Gesetz sei nicht nötig. «Der Bund müsste die bestehenden Gesetze endlich einmal anwenden.»
Der Kauf einer Brokerfirma durch die Groupe Mutuel zeige, wie sich die Grossen im Geschäft mit der neuen Regulierung arrangieren würden. «Für kleinere Versicherungen wird das schwierig, ihnen fehlten die Mittel dazu», sagt Schneuwly. Er befürchtet sogar, dass die Marketingkosten steigen werden, weil mehr Geld in anderen Kanälen ausgegeben werde, beispielsweise bei Google oder Facebook.
Beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist man daran, die Vernehmlassung auszuwerten. Das Gesetz sieht vor, dass der Bundesrat eine Allgemeinverbindlichkeit verweigern kann, zum Beispiel, wenn sie nicht genug regelt. Ob er die bestehende Branchenvereinbarung bestätigen oder ablehnen würde, lasse sich nicht sagen, schreibt das BAG auf Anfrage.
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