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Meinung

Analyse zu Brexit-Auswirkungen
Grossbritannien droht zwischen den Grossmächten zerrieben zu werden

Boris Johnson wollte mit dem Brexit mehr Selbstbestimmung für das Königreich, nun muss er sich aber dem Willen der Grossmächte beugen.
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Wann immer Boris Johnson die schöpferische Kraft des Brexit beschwor, landete er früher oder später bei einem Wort: Souveränität. Geht es nach dem Premierminister, soll das Vereinigte Königreich nach dem EU-Austritt als unabhängige und selbstbewusste Nation auf die Weltbühne zurückkehren. Was Johnson darunter versteht, zeigt er derzeit im Streit mit China. Erst verbannte er den chinesischen Konzern Huawei aus Grossbritannien, dann setzte er das Auslieferungsabkommen mit Hongkong aus.

Doch so selbstbestimmt, wie die britische Regierung tut, waren diese Entscheidungen nicht. In beiden Fällen beugte sich Johnson dem Druck aus Washington und folgte dem Beispiel der USA. Das war in der Sache richtig, aber mit Souveränität hat diese Politik wenig zu tun. Johnson ist kein Gestalter, sondern ein Getriebener.

US-Aussenminister Mike Pompeo war am Dienstag in London zu Besuch. Johnson spürt derzeit viel Druck aus der einstigen Kolonie.


Fast sechs Monate sind nun seit dem EU-Austritt vergangen. In der Zeit musste London erfahren, wie schwer es ist, seinen Platz in der Welt zu finden. Grossbritannien hat sich zu einer Zeit von der Europäischen Union losgesagt, in der die USA und China um die globale Vormachtstellung kämpfen.

Die EU sieht diesem Treiben weitgehend teilnahmslos zu, aber immerhin hat sie mit ihrem Binnenmarkt einen starken ökonomischen Hebel. Grossbritannien hat sich entschlossen, den weltweit grössten Wirtschaftsraum zu verlassen; somit wird es noch schwieriger, sich gegenüber Peking und Washington zu behaupten. Die Gefahr ist gross, dass Grossbritannien zwischen den beiden Grossmächten zerrieben wird.

Wichtige Geheimdienst-Allianz

Im Streit mit Peking hat sich London zwar auf die Seite Washingtons geschlagen, aber das heisst noch lange nicht, dass Johnson deshalb im Weissen Haus der rote Teppich ausgerollt wird. Der ersehnte Handelsvertrag wird noch länger auf sich warten lassen. Wenn es um wirtschaftliche Interessen geht, kennt Präsident Donald Trump nämlich nur ein Ziel: Gewinnmaximierung für sein Land. Der Brexit war deshalb auch ganz in seinem Sinne: Sowohl die EU als auch Grossbritannien sind ökonomisch schwächer geworden.

Kein Handelsvertrag in Sicht: Boris Johnson und Donald Trump an der Uno-Versammlung im September 2019.

In der Sicherheitspolitik sieht es anders aus: Da haben London und Washington mit «Five Eyes» eine Geheimdienst-Allianz, die im Streit mit China überlebenswichtig ist. Das Bündnis von Grossbritannien, USA, Kanada, Australien und Neuseeland kann Spionage und Cyberattacken aus der Volksrepublik erkennen und abwehren.

Wie wichtig das ist, zeigt auch der Umgang mit Moskau. Der von Johnson lange unter Verschluss gehaltene Russland-Report des britischen Parlaments offenbart nun, wie blauäugig die frühere Regierung in London gewesen ist. Niemand hat offenbar versucht, das Brexit-Referendum 2016 vor russischer Einflussnahme zu schützen.

Preis für die Souveränität

Während Johnson seine sicherheitspolitische Heimat also in der Anglosphäre verortet, wird sich das ökonomische Schicksal seines Landes vor allem in Asien und Europa entscheiden. Die EU ist mit Abstand der wichtigste Handelspartner.

Doch selbst wenn ein Vertrag mit Brüssel gelingen sollte, bedeutet der Brexit für die britischen Unternehmen vor allem eines: Kosten, die sie bislang nicht hatten. Boris Johnson mag das nicht gross kümmern, schliesslich war das Wohl der Wirtschaft nie das Ziel des Brexit. Doch auch abseits der Ökonomie wird nun immer deutlicher, welchen Preis die Briten für ihre Souveränität zahlen müssen.