Erster Auftritt seit MonatenGreta Thunberg lässt wieder von sich hören
Die Klima-Aktivistin aus Schweden hat eine populäre Radiosendung gestaltet. Die globale Reaktion auf die Corona-Pandemie macht sie optimistisch.
Die Menschen können es doch: eine Krise nicht verdrängen. Das sei die positive Lehre, die die Gesellschaften aus der Corona-Pandemie hinüberretten sollten für den Umgang mit der Klimakrise, sagte Greta Thunberg am Samstag im schwedischen Radio: «Die Einsicht, wie man einen Notstand auch als Notstand behandeln sollte.»
Sie verwies auf die astronomischen Summen, die allerorten zur Bekämpfung der Corona-Krise bereitgestellt werden, darauf, wie Menschen ihr Verhalten über Nacht ändern, wie Bürger mit einem Mal auf Experten und Wissenschaftler hören, Gesellschaften und Politiker zusammenstehen und die Medien sich mit einem Mal weltweit fast ausschliesslich auf die Krise konzentrieren.
«Die Kaiser sind nackt. Jeder einzelne von ihnen.»
In derselben Sendung gab sie ihrer Enttäuschung darüber Ausdruck, dass auch das vergangene Jahr für den Kampf gegen den Klimawandel ein weitgehend verlorenes gewesen sei. «Die Kaiser sind nackt. Jeder einzelne von ihnen», sagte Greta Thunberg über die Führer aus Politik und Wirtschaft weltweit, von denen sie in dem Jahr nicht wenige selbst getroffen hatte. «Es sieht so aus, als sei unsere ganze Gesellschaft eine einzige grosse Nudistenparty.»
Die 17-jährige schwedische Klima-Aktivistin Greta Thunberg war vom öffentlich-rechtlichen Radiosender P1 eingeladen worden, die eineinhalb Stunden der Auftaktsendung von dessen alljährlicher Sommer-Talkshow zu gestalten.
«Ich bin unwichtig, ich tue das nur, weil niemand anderes es tut.»
Die Sommerreihe ist eines der populärsten Radioprogramme des Landes. Es war der erste grössere öffentliche Auftritt Thunbergs seit Monaten, P1 produzierte die Sendung auf Schwedisch und auf Englisch. Thunberg hatte Anfang März wegen der Corona-Pandemie sämtliche Reisen eingestellt und später auf Facebook bekannt gegeben, sie habe sich selbst zu Hause in Stockholm für zwei Wochen in Quarantäne begeben, weil sie Symptome an sich festgestellt habe, die auf eine Covid-19-Erkrankung hindeuteten.
Ab da war sie im Wesentlichen nur mehr auf ihren Social-Media-Kanälen aktiv. Die letzten Monate nun habe sie vor allem am Skript der Radiosendung gearbeitet, schrieb Greta Thunberg vergangene Woche.
In der Sendung vom Samstag lässt Greta Thunberg das Jahr Revue passieren, das sie – ausgehend von ihrer Rede vor der UNO-Vollversammlung letzten September – endgültig zum Symbol der weltweiten Klimabewegung gemacht hat. Eine Rolle, die sie, wie sie selbst sagt, eher widerstrebend ausfüllt: «Ich bin unwichtig», sagte sie. «Ich tue das nur, weil niemand anderes es tut.»
Thunberg sprach über den Hass und die Morddrohungen, die ihr Aktivismus nicht nur ihr, sondern auch ihrer Familie eingebracht hat. Die Sendung ist teils Tagebuch («Kanzlerin Angela Merkel kommt herein, unterhält sich mit mir, macht ein Selfie mit mir und fragt, ob es in Ordnung ist, wenn das Foto online gestellt wird»), teils Roadtrip: Sie erzählt, wie sie mit ihrem Vater Svante in einem von Arnold Schwarzenegger geliehenen Elektroauto 37 US-Staaten durchquerte, im Radio meist christlicher Pop und Countrymusik.
Unterwegs besuchen sie Wissenschaftler, Aktivisten und Demonstrationen und bekommen die Auswirkungen der Erderwärmung am eigenen Leibe zu spüren: So fällt das kalifornische Weingut, in dem sie eine Übernachtung geplant hatten, kurz vor ihrer Ankunft einem Waldbrand zum Opfer.
«Wieder ist ein Treffen vorüber, und wieder nichts als leere Worte.»
Vor allem aber versuchte Greta Thunberg auch hier, ihre Botschaft loszuwerden, die sie seit ihren ersten Demonstrationen vor dem Parlament in Stockholm wie ein Mantra vor sich herträgt: Hört auf die Wissenschaftler. Und macht euch endlich an die Umsetzung der Versprechen, die ihr selbst gegeben habt, im Pariser Klima-Abkommen zum Beispiel. Oft klang sie enttäuscht. «Wieder ist ein Treffen vorüber», so ihr Resümee des UNO-Gipfels in New York. «Und wieder nichts als leere Worte.»
Hoffnung in der Demokratie
Den wohlhabenden Staaten des Westens warf sie vor, statt auf Taten vor allem auf Kosmetik der CO2-Bilanzen zu setzen, etwas, was Umweltschützer «Greenwashing» nennen. «Wörter wie ‹grün›, ‹nachhaltig› oder ‹fossile free› werden so sehr missbraucht und verwässert», sagte Thunberg, «dass sie ihre Bedeutung verloren haben.»
Wenn sie noch Hoffnung habe, sagte Greta Thunberg zum Ende der Sendung, dann liege die «in den Menschen, in der Demokratie». Die Klimakrise sei keine politische, sondern eine existenzielle. Die ökonomischen und politischen Systeme von heute aber hätten sich als unfähig erwiesen, die Krise zu lösen. «Das ist keine Meinung. Das ist eine Tatsache.»
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