Phänomen im TennisGrand-Slam-Sieger bei den Junioren – doch dann verschwinden viele
Dominic Stricker siegte 2020 im Pariser Juniorenturnier. Schafft es der 20-Jährige jetzt auch bei den Profis? Ein Blick auf die unterschiedlichen Wege von Juniorensiegern.
Roger Federer, Stan Wawrinka, Martina Hingis, Andy Murray, Stefan Edberg, Ashleigh Barty, Iga Swiatek oder Simona Halep – es gibt zahlreiche Tennischampions, die sowohl auf Juniorenstufe wie bei den Profis an Grand Slams triumphierten. So gesehen ist Dominic Stricker, Pariser Juniorensieger von 2020, in guter Gesellschaft. Doch sie sind die Ausnahme und nicht die Regel. Viele Junioren-Grand-Champions machen keine grosse Karriere, werden zur Fussnote in der Tennisgeschichte. Die Schweizer Bilanz lässt sich aber durchaus sehen.
Vor Stricker gewannen sieben Schweizerinnen oder Schweizer ein Junioren-Grand-Slam: Heinz Günthardt (Paris, Wimbledon 1976), Martina Hingis (Paris 1993 und 1994, Wimbledon 1994), Roger Federer (Wimbledon 1998), Roman Valent (Wimbledon 2001), Stan Wawrinka (Paris 2003), Belinda Bencic (Paris, Wimbledon 2013) und Rebeka Masarova (Paris 2016), die inzwischen für Spanien spielt. Immerhin drei von ihnen gewannen später auch auf der Profitour Grand-Slam-Titel, also rund 43 Prozent. Eine bemerkenswerte Zahl. Und Bencic wurde Olympiasiegerin und darf immer noch hoffen, sich auch den Traum vom Grand-Slam-Titel noch zu erfüllen.
Bei den Männern war Marin Cilic (Paris 2005) der letzte Juniorensieger, der später auch einen Grand-Slam-Titel bei den Profis gewann (2014 in New York), bei den Frauen ist es die inzwischen dreifache Major-Siegerin Iga Swiatek. Die Polin triumphierte 2018 im Juniorenfinal Wimbledons gegen die Schweizerin Leonie Küng, die heute an kleineren ITF-Turnieren spielt und die Weltnummer 564 ist.
Was sagt also ein Grand-Slam-Titel auf Juniorenstufe für die spätere Karriere aus? Heinz Günthardt sagt: «Es gibt wenige, die wirklich gut werden, wenn sie bei den Junioren zuvor nichts gerissen haben. Wenn sie nicht zu den Besten auf Juniorenstufe gehört haben, einmal in einem Grand-Slam-Halbfinal standen oder in den Top 10. Handkehrum ist es keine Garantie, dass du bei den Erwachsenen reüssierst, wenn du bei Juniorinnen gewonnen hast. Es gibt viele, die danach verschwunden sind.»
«Wenn du bei den Junioren wenig Fehler machst, kommst du weit. Bei den Profis musst du etwas Spezielles haben, um dich zu etablieren.»
Oliver Anderson, Gianluigi Quinzi, Kimmer Coppejans, Oliver Golding, Geoffrey Blancaneaux oder Daniel Berta sind alles Spieler, denen es so erging. Günthardt erklärt es so: «Auf Juniorenstufe spielst du gegen zwei Jahrgänge, bei den Erwachsenen gegen 20. Und das Spiel ist ein anderes. Wenn du bei den Junioren sehr stabil bist und wenig Fehler machst, kommst du weit. Bei den Profis musst du etwas Spezielles haben, um dich zu etablieren.»
Wichtig sei, dass man nach dem Übergang auf die Profitour zügig durch die Futures komme, die dritthöchste Stufe nach den ATP- und den Challenger-Turnieren. «Du kannst nicht jahrelang um die Ränge 400, 500 herum spielen. Wenn du zum zweiten Mal in Sharm al-Sheikh spielst oder zum dritten Mal in der Türkei, hinterlässt das Spuren. Denn dann bist du einfach zu weit weg vom Ziel, das du erreichen willst. Alle wollen ja in die Hauptfelder der Grand Slams.»
Zum Glück hätten sich Dominic Stricker und Leandro Riedi rasch in die Top 200 gespielt, das sei schon einmal eine gute Ausgangsposition. Jérôme Kym, ein weiteres Schweizer Talent, wurde auf dem Weg dorthin zuletzt von einer Knieverletzung gebremst, fiel fünf Monate aus.
Und wieso schaffte es Günthardt nicht zum Grand-Slam-Sieger bei den Profis? «Mit einem zweifachen Hüftschaden ist das relativ schwierig», sagt der 64-Jährige. «Dafür, dass ich die Beine kaum spreizen konnte, spielte ich gar nicht so schlecht.» Und im Doppel und Mixed gewann der Zürcher, der in Roland Garros die jungen Schweizerinnen und Schweizer in der Qualifikation beratend begleiten wird, ja je zwei Grand-Slam-Titel.
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