Erschütterungen im StrassentunnelGotthard-Tunnelbauer ergreifen Sicherheitsmassnahmen
Bei der zweiten Röhre wird nur noch ein statt zwei Meter Fels auf einmal ausgebrochen. Trotzdem verneint der Bund weiterhin einen Zusammenhang der Sprengungen mit dem Deckenriss. Auch am Termin der Fertigstellung soll sich nichts ändern.
Nur durch Zufall wurde niemand verletzt oder getötet: Anfang September entstand ein Riss am Nordportal des Gotthard-Strassentunnels, Teile der Decke stürzten auf die Fahrbahn. Daraufhin blieb der Tunnel mehrere Tage gesperrt, die Decke musste aufwendig gesichert werden.
Gleichzeitig machten sich Experten auf die Suche nach der Ursache. Schon bald meldete das Bundesamt für Strassen (Astra) eine Erschütterung im Berg, die eine sogenannte Spannungsumlagerung auslöste, als mögliche Ursache. Der Geologe Hans Rudolf Keusen sagte gegenüber dieser Redaktion, dass diese durch die Bauarbeiten an der zweiten Röhre hervorgerufen worden sein könnte.
Inzwischen wurden die Arbeiten am Bau der zweiten Röhre wieder aufgenommen, seit dem 18. Oktober wird auch wieder gesprengt, wie das Astra bekannt gab. Dort schreibt das Astra auch, dass zwar Spannungsumlagerungen den Deckeneinsturz am Gotthard verursacht haben könnten – es aber unklar sei, was diese ausgelöst hätten. «Ein direkter Zusammenhang mit den Sprengungen kann jedoch ausgeschlossen werden», so das Astra, weil zwischen den letzten Sprengungen und dem Schadenereignis über 50 Stunden gelegen hätten.
Vorsichtsmassnahmen nochmals deutlich verschärft
Trotzdem werden die Vorsichtsmassnahmen beim Sprengvortrieb nun nochmals deutlich verschärft. Statt wie zuvor zwei Meter wird nun jeweils noch ein Meter Fels ausgebrochen. «Damit können die Erschütterungen noch weiter reduziert werden», schreibt das Astra in seiner Mitteilung. Für den Geologen Hans Rudolf Keusen ist die Stellungnahme ein Widerspruch, wie er sagt. Vor allem werde nicht erklärt, was unter Spannungsumlagerungen zu verstehen sei. «Zum einen hält das Astra fest, dass ein direkter Zusammenhang mit den Sprengungen ausgeschlossen werden kann, andererseits verkürzt man nun die Abschlagslängen deutlich», so Keusen.
Laut dem Geologen ist diese Massnahme zur Vermeidung oder Verringerung von Spannungsumlagerungen zweckmässig, «weil so das ungesicherte Gebirge weniger lange und weniger weit offen bleibt». In der offiziellen Mitteilung werde das aber nicht allgemein verständlich kommuniziert.
In seiner Mitteilung schreibt das Astra, dass sich die Kosten für die Reparatur- und Sicherheitsarbeiten auf rund zwei Millionen Franken belaufen. Auf die geplante Inbetriebnahme der zweiten Röhre habe das Ereignis keinen Einfluss. Keusen widerspricht auch hier: Die Verkürzung der Abschlagslängen werde sich sicher auf die Geschwindigkeit des Vortriebs auswirken. «Der Bau der Röhre wird damit sicher auch etwas mehr kosten», so Keusen.
Keine Verspätung dank zeitlicher Reserven
Auf Anfrage hält das Astra fest, dass es sich beim Verkürzen der Abschlagslänge «um eine reine Vorsichtsmassnahme handle». Es seien alle Sicherheitsmassnahmen getroffen worden, «um die potenziellen Risiken so tief wie möglich zu halten». Neben der verkürzten Abschlagslänge würden Erschütterungen im bestehenden Tunnel genau überwacht, ausserdem wurden zusätzliche Sicherungsarbeiten an den Zwischendecken durchgeführt und die Deckenelemente am Nordportal zusätzlich fixiert. Einzelne Deckenplatten wurden eingeschnitten, damit diese bei weiteren Spannungsumlagerungen mehr Spielraum haben.
Auf den Termin zur Fertigstellung habe die Sicherheitsmassnahme keine Auswirkungen, weil man zeitliche Reserven eingeplant habe. «Beim Sprengvortrieb fehlten noch 50 Meter», heisst es beim Astra. Bis dieser Ausbruch abgeschlossen sei, sei auch die Tunnelbohrmaschine eingetroffen, die ab Juni 2024 vor Ort montiert werde. «Bis dahin wird der Gegenvortrieb abgeschlossen sein.»
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