Glocken dürfen weiter in der Nacht läuten
Die reformierte Kirche Wädenswil darf ihre Glocken weiterhin alle 15 Minuten ertönen lassen. Auch nachts. Mit diesem Entscheid widerspricht das Bundesgericht dem Willen eines Wädenswiler Ehepaars. Kirche und Stadt freuen sich.
Der Entscheid der Lausanner Bundesrichter im Wädenswiler Glockenstreit wurde schweizweit mit Spannung erwartet. Das höchste Gericht befand darüber, ob die viertelstündlichen Glockenschläge der evangelisch-reformierten Kirche Wädenswil in der Nacht eingestellt werden müssen.
Die Antwort in diesem Präzedenzfall lautet: Nein. Die Bundesrichter korrigieren damit die anderslautenden Urteile des Zürcher Baurekursgerichts und des Zürcher Verwaltungsgerichts. Diese hatten 2015 respektive 2016 entschieden, dass die Kirchenglocken im Wädenswiler Zentrum nachts nur noch stündlich ertönen dürfen. Sie gaben damit der Klage von Alfred und Maryvone Naef recht. Das Ehepaar wohnt rund 200 Meter vom Kirchturm entfernt und fühlt sich durch den Glockenschlag in seiner nächtlichen Ruhe gestört.
Richter bezweifeln Studie
Gegen die vorinstanzlichen Urteile reichten sowohl die reformierte Kirche als auch die Stadt Wädenswil Beschwerde ein. Nun haben sie vom Bundesgericht also Recht erhalten. «Die Massnahme ist angesichts ihrer beschränkten Wirkung in Bezug auf den Lärmschutz und dem in Wädenswil fest verwurzelten nächtlichen Glockenschlag nicht gerechtfertigt», schreibt das Gericht.
Das Bundesgericht hat am Mittwoch eine Beschwerde der Stadt und der Kirchgemeinde gutgeheissen. Die Reaktion des Kirchgemeindepräsidenten auf das Urteil. Quelle: SDA
Die Bundesrichter hinterfragen in ihrem Urteil eine ETH-Studie, auf welcher die vorinstanzlichen Gerichte ihre Urteile abstützten. Dieser Studie zufolge reduzieren sich die vom Glockengeläut verursachten Aufwachreaktionen pro Nacht von knapp 2 auf 1,5, wenn die Glocken nur noch stündlich schlagen. Eine nennenswerte Verbesserung sei dies nicht, finden die Richter. Sie bezweifeln zudem, ob die Studie von 2011 noch den aktuellen Stand der Wissenschaft wiedergibt.
Auf der anderen Seite muss laut Bundesgericht berücksichtigt werden, dass «der nächtliche Glockenschlag in Wädenswil eine lokale Tradition darstellt». Dafür spreche eine von mehr als 2000 Wädenswilern unterzeichnete Petition.
«Ich bin entsetzt über dieses Urteil und dass die Glocken jetzt weiter läuten», äussert sich Alfred Naef gegenüber 20 Minuten. «Der Entscheid ist gegen jedes Menschenrecht.» Ein Wegzug aus Wädenswil sei keine Option. Seine schwerkranke Frau «einfach umzusiedeln ist nicht möglich».
«Tradition hat gewonnen»
Peter Meier, Präsident der evangelisch-reformierten Kirchenpflege Wädenswil hat der öffentlichen Beratung der Bundesrichter beigewohnt. Alle Argumente seien sorgfältig diskutiert worden. «Nun bin ich froh, dass die Richter in unserem Sinne und im Sinne der grossen Mehrheit der Bevölkerung entschieden haben», sagt Meier. «Tradition hat gegenüber dem Ruhebedürfnis einzelner obsiegt.» Er erinnert daran, dass «gemäss einer repräsentativen Umfrage eines Meinungsforschungsinstituts 97 Prozent der Wädenswiler das Glockengeläut befürworten».
So klingt das Glockengeläut der evangelisch-reformierten Kirche Wädenswil. Quelle: SDA
Erfreut über das Urteil zeigt sich auch Wädenswils Stadtpräsident Philipp Kutter (CVP): «Das Bundesgericht hält fest, dass es nicht nur ein öffentliches Interesse am Lärmschutz gibt, sondern auch am Erhalt des Kulturguts Kirchenglocken.» Wäre es anders gekommen, hätte man auch die baldige Abschaffung des stündlichen Glockenschlags befürchten müssen, meint Kutter. Nun aber obliege es weiterhin den Gemeinden, wie sie das Kirchengeläut regeln.
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