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Meinung

Krise der globalen Solidarität
Den Schwächsten zu schaden, ist ethisch verwerflich

Rescue workers and people search for bodies after a landslide following heavy rains that buried 40 homes in the mountainous district of Bulambuli, eastern Uganda, Thursday, Nov. 28. 2024. (AP Photo/Jean Watala)
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Krisen führen normalerweise dazu, dass das Mitgefühl mit den Opfern und die Hilfsbereitschaft wachsen. In der gegenwärtigen schwierigen Weltlage passiert gerade das Gegenteil: Unsere krisenreiche Zeit führt paradoxerweise nicht zu mehr globaler Solidarität. Die globale Solidarität selbst scheint in einer Krise zu stecken. 

Zwar klingen die 11,27 Milliarden Franken, die der Bundesrat mit der neuen Strategie für die internationale Zusammenarbeit (IZA) für die nächsten vier Jahre beantragt hat, nach viel Geld, doch dies täuscht gewaltig. In Tat und Wahrheit beträgt der Betrag gerade mal die Hälfte des international vereinbarten UNO-Ziels von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens, obwohl sich die Schweiz mit der Agenda 2030 zu diesem Ziel bekennt. Zudem werden von diesem Betrag bereits 1,5 Milliarden Franken für den Wiederaufbau der Ukraine abgezogen. Dies ist mehr Geld, als ganz Subsahara-Afrika heute erhält. Bei diesen politischen Entwicklungen scheint es mir von einem ethischen Standpunkt besonders wichtig, zwei Kritikpunkte hervorzuheben: 

  1. Die Unterstützung der Ukraine ist eine ethisch wichtige und gut begründbare Massnahme der Schweiz. Was mich aber umtreibt, ist der Versuch von Bundesrat und Parlament, diese Solidarität durch gleichzeitig unsolidarisches Handeln gegenüber den Ärmsten in den Ländern des Globalen Südens zu realisieren. Die Schweiz muss sich grosszügig an der Stärkung und zukünftig am Wiederaufbau der Ukraine beteiligen, doch darf dies nicht auf dem Buckel anderer Krisenregionen etwa in Afrika oder im Mittleren Osten geschehen. Wir sind als humanitärer Akteur unglaubwürdig, wenn unsere Solidarität nur jeweils bis zu unserem nächsten Nachbarn reicht und wir vor dem Elend, das weiter weg geschieht, die Augen verschliessen. 

  1. Als wäre es nicht schon genug abwegig, dass der Bundesrat für die zukünftige internationale Zusammenarbeit 13 Prozent des Gesamtbetrags für die Ukraine verwenden will, gehen 500 Millionen Franken davon an Schweizer Unternehmen, die sich am Wiederaufbau beteiligen. Der ethisch inakzeptable Etikettenschwindel ist offensichtlich: Eigentlich handelt es sich dabei um Wirtschaftsförderung für Schweizer Unternehmen. Dabei ist es nicht von der Hand zu weisen, dass es anstössig ist, Unterstützung, die eigentlich an die Ärmsten gehen sollte, schlussendlich wieder in die eigene Tasche fliessen zu lassen. Welches Licht wirft es auf uns, wenn wir nur helfen, sobald wir selbst davon profitieren? 

Armutsbekämpfung und Wahrung der Menschenrechte

Darüber hinaus drohen im Parlament weitere Kahlschläge. National- und Ständerat haben schon entschieden, dass die Armee zusätzliche 4 Milliarden Franken erhalten soll. Darüber, woher dieses Geld kommen soll, ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, aber es könnten bis zu 2 Milliarden Franken sein, die der Entwicklungszusammenarbeit genommen werden. Unabhängig vom genauen Betrag haben jegliche weiteren Kürzungen fatale Folgen: mehr Hungernde, mehr Kranke, mehr Klimaflüchtlinge. 

Es braucht deswegen dringend einen Kurswechsel im Parlament: zurück zu einer Schweiz, die sich international glaubwürdig und grosszügig für die Armutsbekämpfung und die Wahrung der Menschenrechte einsetzt.

Peter G. Kirchschläger ist Ethik-Professor an der Universität Luzern.