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Tiefenlager für atomaren Abfall
Gibt es einen Behälter, der 10’000 Jahre hält? 

Wegweiser zu einem Bohrplatz der Nagra bei Marthalen.
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Wie sicher muss das Tiefenlager sein?

Das geologische Tiefenlager soll so konzipiert sein, dass hoch aktive Abfälle in den Schichten des Opalinustons über eine Million Jahre eingelagert bleiben. Für schwach und mittel aktive Abfälle sind es 100’000 Jahre. 

Warum ist Opalinuston das beste Gestein?

Die rund 100 bis 200 Meter dicke Gesteinsschicht ist in der Nordschweiz tektonisch relativ ungestört. Seit Jahren wird das Gestein im Felslabor Mont Terri im Jura in grossem Massstab untersucht. Die Tonmineralien des Opalinustons quellen bei Kontakt mit Gebirgswasser auf, Risse werden dabei von selbst abgedichtet. So entstehen keine Wasserwege entlang des Stollens. Opalinuston ist vor 172 Millionen Jahre entstanden und ist in grossen Bereichen tektonisch ungestört. Es ergibt deshalb Sinn, den hoch aktiven Abfall im Untergrund zu lagern. 

Hat das Tiefenlager genügend Platz?

Die Nagra rechnet mit einem Volumen der hoch aktiven Abfälle (inklusive Tieflagerbehältern) von etwa 9500 Kubikmetern, was etwa acht Einfamilienhäusern entspricht. Zusammen mit den für das Tiefenlager verpackten schwach und mittel aktiven Abfällen aus Medizin, Industrie und Forschung entspricht das Gesamtvolumen etwa 83’000 Kubikmetern. Die Nagra geht bei ihren Berechnungen von Laufzeiten der Kernkraftwerke Beznau, Gösgen und Leibstadt von 60 Jahren aus, Mühleberg, das bereits ausser Betrieb ist, wird mit 45 Jahren einkalkuliert. Eine Laufzeitbeschränkung gibt es in der Schweiz nicht. Die Meiler könnten also länger laufen. Der Platz im Tiefenlager ist aber so gross, dass er den errechneten Bedarf um ein «Mehrfaches» übersteigt, wie Nagra-Sprecher Felix Glauser sagt. Und zwar an allen drei Standorten, neben Nördlich Lägern also auch in Zürich Nordost und Jura Ost. Genügend Platz hätte es laut Glauser auch dann noch, wenn die Schweiz das 2017 beschlossene Neubauverbot von Kernkraftwerken aufhöbe und dereinst neue Meiler die Menge des radioaktiven Abfalls wachsen liessen. 

Wo wird der nukleare Abfall zwischengelagert?

Der grösste Teil des nuklearen Abfalls wird im Zwischenlager (Zwilag) in Würenlingen oberirdisch gelagert.  Die ausgedienten Brennelemente müssen zuerst rund 40 bis 50 Jahre gelagert werden, bis ihre Wärmeproduktion so weit abgeklungen ist, dass sie in einem Tiefenlager entsorgt werden können. 

Nuklearer Abfall wird in Castorbehältern im Zwilag in Würenlingen zwischengelagert. Für das Tiefenlager muss der Abfall in Lagerbehälter umgeladen werden.

Ist das Grundwasser durch das Tiefenlager gefährdet? 

Die Nagra sieht im ausgewählten Standort Nördlich Lägern keine Gefährdung. Die Nagra will die Infrastruktur der Oberflächenanlage, das «Tor» zum Tiefenlager, bei Stadel im Habertstal bauen. Das Areal dazu liegt nahe am Grundwasserschutzareal Weiacher Hard. Der Kanton Zürich teilte in einer Stellungnahme im letzten Jahr mit, eine solche Anlage dürfe nicht über strategisch wichtigen Trinkwasserressourcen platziert werden. Es braucht nun deswegen gemäss Thomas Flüeler, Bereichsleiter Kerntechnik der Zürcher Baudirektion, hydrologische Untersuchungen. Das Risiko einer Anlage ist aber massiv gesunken, weil die Nagra die Verpackungsanlage, die sogenannte Heisse Zelle, im Zwilag in Würenlingen plant. In dieser Anlage werden die hoch aktiven Abfälle in endlagerfähige Behälter verpackt. 
 

In der Heissen Zelle des Zwilag in Würenlingen werden radioaktive Materialien mit entsprechenden Instrumenten von aussen behandelt und Brennelemente umgepackt.

Wird das Stimmvolk befragt?

Zuerst müssen Bundesrat und Parlament über den Standort befinden, dann besteht die Möglichkeit eines fakultativen Referendums. Eine nationale Volksabstimmung gibt es also nicht automatisch. Nicht vorgesehen ist, dass die Standortkantone Zürich und Aargau ein Vetorecht erhalten. Vor 2003 war das anders. Doch nachdem die Nidwaldner Bevölkerung dreimal gegen den Standort Wellenberg votiert hatte, strich das nationale Parlament das Vetorecht aus dem Kernenergiegesetz. Alle Bemühungen, es wieder einzuführen, sind bis jetzt gescheitert. Ein neuer Anlauf im Parlament scheint momentan wenig wahrscheinlich. Der Zug sei abgefahren, sagen jene – vorab links-grünen – Parlamentarier, die ein Vetorecht begrüssen würden.

Wie viel kostet die Entsorgung?

Die Kosten für die Stilllegung der Kernkraftwerke und die Abfallentsorgung werden regelmässig überprüft und neu berechnet. Gemäss der Studie vom Oktober 2021 betragen die Gesamtkosten derzeit etwa 23,1 Milliarden Franken.  Atomkritiker monieren seit Jahren, die Kostenschätzungen seien zu optimistisch. 

Wo gibt es bei der Planung noch Unsicherheiten?

Das Endlager ist ein Jahrhundertprojekt. Deshalb wird auch in den nächsten Jahrzehnten weiter geforscht, um beim Baustart des Tiefenlagers auf dem neusten Stand der technischen Entwicklung zu sein. So gibt es noch zahlreiche offene Fragen und Unsicherheiten: zum Beispiel, was das Material der Behälter anbelangt, in die der hoch aktive Abfall eingeschlossen werden soll. Das Gesetz schreibt fest, dass die Behälter mindestens 1000 Jahre dicht sein müssen. «Die Nagra möchte sichergehen und geht von 10’000 Jahren aus», sagt Irina Gaus, Forschungschefin der Nagra. Behälter aus Carbonstahl könnten bereits heute hergestellt werden. Es gibt aber auch andere Optionen wie zum Beispiel Behälter mit Kupferbeschichtung oder aus Titanium oder Keramik. Über das Material soll bis 2040 entschieden werden.

Ein anderes Beispiel: Die abgepackten Brennelemente werden noch während tausend Jahren Wärme entwickeln, die sich auch auf das Verfüllungsmaterial des Lagers bis in den Opalinuston ausbreitet. Durch die Hitze wird das Gestein ausgedehnt, und es entstehen Drücke. Seit einigen Jahren läuft ein Langzeitversuch im Felslabor Mont Terri im Massstab 1:1, um die Stärke des Druckes abschätzen zu können. «Wir wollen sichergehen, dass der Opalinuston nicht beschädigt wird», sagt Gaus. Je nach Resultat muss die Lagerarchitektur angepasst werden. Im Endlager selbst wird zudem ein Pilotlager gebaut, um Entwicklungen ständig beobachten zu können.

Gibt es vergleichbare Projekte im Ausland?

Tiefenlager für schwach und mittel aktive Abfälle im finnischen Olkiluoto.

Seit Jahren gibt es für schwach und mittel aktive Abfälle Endlager, die erfolgreich in Betrieb sind, sei es in Schweden, Finnland, aber auch in Südkorea und in Ungarn. International ist vor allem Finnland zu erwähnen, das 2025 das weltweit erste geologische Tiefenlager Onkalo für ausgediente Brennelemente in Betrieb nehmen will. Im Nachbarstaat Schweden hat die Regierung den Bau des ersten Tiefenlagers für abgebrannte Kernbrennstoffe in Forsmark und einer Verkapselungsanlage in Oskarshamn genehmigt. Diese Lager liegen jedoch nicht in Tongestein, sondern in granitischen Schichten.