Mehr Ferien, weniger arbeitenGewerkschaft fordert 35-Stunden-Woche bei der Swisscom
Syndicom bricht ein Tabu: Sie will bei den Verhandlungen zum neuen Gesamtarbeitsvertrag die Arbeitszeit deutlich absenken. So soll die Qualität steigen.
Die Konzernleitung der Swisscom hat am Montag dicke Post von der Gewerkschaft Syndicom erhalten. Darin hat die Arbeitnehmerorganisation dem staatsnahen Betrieb ihre Forderungen für die anstehenden Verhandlungen zum neuen Gesamtarbeitsvertrag zugestellt. Der grösste Telecomanbieter des Landes beschäftigt knapp 19’100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Unter anderem fordert Syndicom bei einem Pensum von 100 Prozent eine Verringerung der wöchentlichen Normalarbeitszeit um 5 Stunden auf 35 Stunden. Einkommen und Pensionskassenbeiträge sollen dabei unverändert bleiben. Dieser Vorstoss ist eine Premiere für die Schweiz und rüttelt an einem Tabu.
Die Massnahme ist aus Sicht der Gewerkschaft ein wichtiger Schritt, um die Produktivität, die Motivation der Angestellten sowie die Qualität der Arbeitsleistung zu steigern.
Um zu verhindern, dass die Mehrstunden und die Arbeitslast steigen, schlägt Syndicom ein konkretes Instrument vor: So sollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam überwachen, dass die 35-Stunden-Woche eingehalten wird.
Nachbarländer wie Deutschland und Frankreich kennen die 35-Stunden-Woche schon länger. In Island wird mit der 4-Tage-Woche experimentiert. Die verkürzte Arbeitswoche ist umstritten. Während Studien aus Argentinien und Schweden auf positive Effekte auf die Gesundheit der Arbeitnehmer hinweisen, warnen Kritiker vor sinkender Produktivität und damit vor einem Verlust von Wohlstand.
Mehr Ferien
Ein weiteres Anliegen von Syndicom betrifft die Ferien. Die Mitarbeiter der Swisscom sollen zusätzlich zwei bezahlte Ferientage pro Jahr erhalten. Die Sozialpartner werden die Gespräche für den neuen Gesamtarbeitsvertrag voraussichtlich im ersten Quartal 2022 beginnen. Die aktuell gültige Vereinbarung läuft im Juni 2022 aus.
Syndicom begründet ihre Forderungen mit dem laufenden Umbau bei der Swisscom. Aufgrund des andauernden Preisdrucks im gesättigten Telecommarkt hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren in schrumpfenden Geschäftsbereichen wie Festnetztelefonie Hunderte Arbeitsplätze gestrichen.
Gleichzeitig baut die Swisscom in Wachstumsfeldern wie dem Geschäft mit der Datenwolke – der sogenannten Cloud – und Sicherheitsservices Stellen auf.
Pannen kratzen am Selbstbewusstsein
Für die Mitarbeiter, welche die Sparrunden «überlebt» hätten, nehme die Arbeitslast zu, so die Gewerkschaft. Die Unsicherheit sei gross. Hinzu komme, dass die Netzausfälle der vergangenen Monate am Selbstbewusstsein der Angestellten gekratzt habe, denn die Identifikation mit dem Unternehmen sei «riesig».
Deshalb brauche es jetzt mit Blick auf die kommenden Verhandlungen eine Perspektive, welche motivierend wirke und die Gesundheit der Mitarbeiter schütze.
Swisscom prüft die Forderungen
Die Swisscom liess auf Anfrage offen, inwiefern sie auf die Anliegen von Syndicom eingehen will. «Wir nehmen Kenntnis von den Forderungen und werden sie im Detail prüfen», sagt eine Swisscom-Sprecherin. Das Unternehmen weise per Ende September 2021 in der Schweiz im Vergleich mit dem Vorjahr einen praktisch stabilen Personalbestand aus.
Weiter hält die Sprecherin fest, dass der aktuell geltende Gesamtarbeitsvertrag die Swisscom als moderne Arbeitgeberin widerspiegle: «Mitarbeitende haben beispielsweise Anspruch auf fünf Weiterbildungstage pro Jahr, um ihre Arbeitsmarktfähigkeit zu erhöhen – dies um den sich ändernden Rahmenbedingungen in Zeiten der Digitalisierung Rechnung zu tragen.»
Auch unabhängig vom Gesamtarbeitsvertrag biete die Swisscom ein attraktives Arbeitsumfeld. So könnten Mitarbeiter ihr Pensum vorübergehend reduzieren, um sich um Angehörige zu kümmern.
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