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Urteil zum Capitol-Sturm
Gericht bestätigt Verschwörung – reicht das, um Donald Trump anzuklagen?

Ihm droht jahrzehntelange Haft wegen des Sturms auf das US-Capitol: Stewart Rhodes, Gründer und Chef der Trump-freundlichen Miliz Oath Keepers.
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Nun ist es sozusagen amtlich: Was am 6. Januar 2021 im und um das Parlamentsgebäude in der Hauptstadt Washington vor sich ging, war eine Verschwörung gegen die Republik der Vereinigten Staaten. Das hat eine zwölfköpfige Jury in Washington festgehalten, indem sie am Montag nach drei Tagen Beratung Stewart Rhodes der aufrührerischen Verschwörung für schuldig befunden hat. Der Prozess vor einem Bundesgericht in Washington dauerte seit Oktober; die Strafe wird erst später verkündet, ein Termin dafür wurde noch nicht genannt.

Der 57-jährige Anführer der Miliz Oath Keepers mit seiner unverwechselbaren Augenklappe dürfte für viele Jahre hinter Gitter wandern: Die Höchststrafe beträgt 20 Jahre, denn das Delikt der aufrührerischen Verschwörung ist ein schweres. Da Rhodes auch eine Kongresssitzung gestört und Beweismittel zerstört hat, könnte er maximal 60 Jahre aufgebrummt erhalten.

Erstmals gehts um Verschwörung

Es ist das bisher schwerwiegendste Urteil bei der strafrechtlichen Aufarbeitung zum Sturm auf das Capitol vom 6. Januar 2021. Medial mag im Fokus stehen, was Donald Trump an jenem Tag machte, doch vor den Gerichten steht nicht er. Dort müssen sich über 900 Personen und einige wenige Gruppierungen verantworten, denen Straftaten von Gewalt gegen Polizisten über Sachbeschädigung bis zu Störung der Kongresssitzung vorgeworfen werden. Hunderte von ihnen sind bereits verurteilt worden.

Doch Rhodes und vier weitere Oath Keepers sind nun die ersten Angeklagten, bei denen es auch um den Vorwurf der aufrührerischen Verschwörung geht, einen Straftatbestand, der in die Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs zurückreicht. Die Unionsstaaten schufen ihn als Handhabe gegen Südstaatensympathisanten, inzwischen kommt er nur noch selten zum Einsatz, zuletzt vor 27 Jahren gegen eine islamistische Terrorzelle. Rhodes und Kelly Meggs, der Anführer der Miliz in Florida, wurden nun dieser besonderen Straftat für schuldig befunden, drei weitere Angeklagte wurden in diesem Punkt freigesprochen, jedoch in anderen Punkten verurteilt.

Das Urteil ist das bisher stärkste Signal, wonach auch die Justiz den Sturm auf das Capitol nicht als friedliche politische Demonstration von Patrioten betrachtet, als den ihn Trump und viele Republikaner zu verharmlosen versuchen, sondern als das, was es ist: ein schwerwiegender Angriff auf den Kern der amerikanischen Demokratie. Es dürfte auch ein Vorzeichen sein, was fünf weitere Oath Keepers sowie die Anführer einer weiteren Miliz namens Proud Boys erwartet, darunter ihr Anführer Henry Tarrio. Sie stehen ab Dezember in Washington vor Gericht, auch gegen sie erheben die Ankläger des Bundes den Vorwurf der aufrührerischen Verschwörung.

Hätte Trump den «Insurrection Act» aktiviert, wären die bewaffneten Oath Keepers zum Weissen Haus geeilt.

Für die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaats und die Geschichtsschreibung sind die Urteile zweifellos wichtig. Ob das die Meinungen der Amerikanerinnen und Amerikaner über den Sturm auf das Capitol kurzfristig beeinflussen kann, ist jedoch fraglich. Die Standpunkte dazu scheinen längst bezogen, und die meisten beurteilen das Ereignis inzwischen in Funktion ihrer Parteizugehörigkeit, was heisst: Die Republikaner spielen seine Bedeutung herunter, die Demokraten hingegen sprechen von einem Putschversuch.

Rhodes war am 6. Januar nicht selbst im Capitol, sondern koordinierte von draussen seine Leute. In einem Comfort-Inn-Motel auf der anderen Seite des Flusses in Arlington hielt der Chef eine schwer bewaffnete Schnelleingreiftruppe bereit, während andere Oath Keepers in Kampfmontur in das Capitol eindrangen.

Rhodes verteidigte sich in dem Prozess, er habe keinen gewaltsamen Umsturz angestrebt, sondern sich nur bereitgehalten, um dem Präsidenten zu Hilfe zu kommen. Schon kurz nachdem Trump die Präsidentschaftswahl 2020 verloren hatte, liefen bei den Milizionären die verschlüsselten Chatkanäle heiss. Unter anderem diskutierten Rhodes und seine Mitstreiter, Trump könne auf der Basis eines alten Gesetzes Milizen nach Washington beordern, um die Machtübergabe an Joe Biden zu verhindern – Rhodes forderte Trump auch öffentlich dazu auf.

Hätte Trump diesen «Insurrection Act» aktiviert, wären die bewaffneten Oath Keepers über den Fluss zum Weissen Haus geeilt. Das Gesetz stammt aus den Gründerjahren der USA und diente der Abgrenzung von Bundestruppen und Soldaten der Bundesstaaten. Es taugt nicht als rechtliche Ausrede für einen bewaffneten Putsch, beflügelt aber immer wieder autoritäre Fantasien, auch die von Rhodes, der an der Eliteuniversität Yale Recht studiert hat.

«Holen wir unser Land zurück»: Am 6. Januar 2021 wiegelte der abgewählte US-Präsident Trump seine Anhänger auf.  

Für diese Vorbereitungen wurde Rhodes nun aber von der Jury nicht noch einmal separat verurteilt, obwohl die Anklage dies verlangt hatte. Das deutet darauf hin, dass sie Zweifel hegte, ob Rhodes den Sturm auf das Capitol wirklich detailliert geplant hatte – oder ob er einfach die Gelegenheiten zu nutzen versuchte und den Sturm spontan entstehen liess. Der Richtspruch ist noch nicht rechtskräftig, Rhodes’ Anwälte haben angekündigt, in Berufung zu gehen.

US-Justizminister Merrick Garland zeigte sich erfreut über die Verurteilung. «Das Justizministerium ist darauf eingeschworen, alle zur Verantwortung zu ziehen, die strafrechtlich für den Angriff auf unsere Demokratie am 6. Januar 2021 verantwortlich sind.» Wie immer weist die etwas gewundene Formulierung auf einen wunden Punkt hin: die «strafrechtliche Verantwortung».

Ob diese auch dem Mann an der Spitze der Umsturzbewegung, Donald Trump, nachgewiesen werden kann, ist völlig offen. Politisch ist mehr als klar, dass Trump für den Sturm auf das Capitol den Kopf hinhalten müsste. Aber strafrechtlich ist der Fall ein anderer; nur mit wasserdichten Belegen ist eine Anklage überhaupt denkbar. Ob es je dazu kommen wird, ist offen, erst gerade hat ein Sonderermittler die Trump-Verfahren des US-Justizdepartements übernommen.

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