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Entscheidende Wahlen in den US-Senat
Georgia entscheidet, wie viel Macht Joe Biden bekommt

Wollen den Republikanern die Blockademacht im Senat sichern: Senatorin Kelly Loeffler und Senator David Perdue.
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Logik ist ein Element, in dem sich Donald Trump nicht immer reibungslos bewegt. Ein Beispiel: Dass der republikanische US-Präsident am Montag im Bundesstaat Georgia Wahlkampf für zwei republikanische Senatskandidaten macht, damit die Republikaner ihre Mehrheit in der Parlamentskammer behalten, ist nach allen gängigen Massstäben logisch. Der Präsident will seiner Partei helfen.

Warum Trump jedoch gleichzeitig auf Twitter den republikanischen Gouverneur von Georgia als Verräter beschimpft und die Senatswahlen am 5. Januar als «illegal und ungültig» bezeichnet, kann man mit diesen gängigen Massstäben nicht mehr erklären. Dazu muss man die weiten, zerklüfteten Gefilde der Trumpschen Gefühlslage erforschen. Und dort hilft Logik nur bedingt weiter.

Fordert Amtsinhaber Perdue heraus: Der demokratische Kandidat Jon Ossoff.

Zunächst die Ausgangslage: An diesem Dienstag wählen die Einwohner von Georgia zwei Senatoren. Anders als im Rest des Landes muss ein Senatskandidat in diesem Bundesstaat eine absolute Mehrheit erreichen, um zu gewinnen – also mehr als 50 Prozent der Stimmen. Das ist bei der ersten Runde der Wahlen am 3. November keiner Kandidatin und keinem Kandidaten gelungen. Die jeweils Bestplatzierten beider Parteien treten daher in Stichwahlen am 5. Januar noch einmal an. Um den einen Senatssitz kämpfen der republikanische Amtsinhaber David Perdue und sein demokratischer Herausforderer Jon Ossoff. Im zweiten Rennen versucht die republikanische Senatorin Kelly Loeffler, ihren Sitz gegen den Demokraten Raphael Warnock zu verteidigen.

Beide Rennen sind sehr eng

In beiden Rennen geht es eng zu. Die Umfragedurchschnitte sehen die beiden Demokraten leicht in Führung, allerdings nur um ein oder zwei Prozentpünktchen. Andererseits haben bei der ersten Runde im November die Republikaner besser als die Demokraten abgeschnitten, auch wenn sie es damals nicht über die 50-Prozent-Hürde schafften. Prognosen zum Wahlausgang sind daher schwierig. Und es ist auch gut möglich, dass sich die Auszählung wie bei der Präsidentenwahl hinzieht.

Fordert Senatorin Loeffler heraus: Pfarrer Raphael Warnock.

Klar ist dagegen, was bei der Wahl in Georgia auf dem Spiel steht: die Mehrheit im US-Senat. Derzeit halten die Republikaner von den 100 Sitzen in der Kammer 50, die Demokraten haben 48. Sollten die Republikaner in Georgia einen oder zwei weitere Sitze gewinnen, blieben sie die Mehrheitspartei im Senat. Sie hätten dann enormen Einfluss auf die Politik des künftigen demokratischen Präsidenten Joe Biden, weil sie im Parlament über eine Blockademacht verfügen würden. Denn ohne die Zustimmung des Senats kann Biden keine Gesetze verabschieden.

Vizepräsidentin Kamala Harris hätte den Stichentscheid

Sollten hingegen die Demokraten die beiden Sitze in Georgia gewinnen, würde das im Senat zu einem Gleichstand von 50 zu 50 Sitzen führen. Laut Verfassung entscheidet in solchen Pattsituationen der Vizepräsident der USA – künftig also Vizepräsidentin Kamala Harris. De facto hätten die Demokraten damit eine Einstimmenmehrheit im Senat. Das wäre extrem knapp, aber das ist egal. Mehrheit ist Mehrheit, und die Mehrheitspartei bestimmt die Agenda. Sie führt die Ausschüsse, sie entscheidet, über welche Gesetze abgestimmt wird und welche Minister- oder Richterkandidaten bestätigt werden. Die andere Kongresskammer, das Abgeordnetenhaus, beherrschen die Demokraten bereits. Mit einer Mehrheit im Senat könnte Biden praktisch durchregieren.

Wie gesagt: Dass der republikanische Präsident Trump in dieser Lage nach Georgia fährt, um seiner Partei bei der Verteidigung ihrer so wichtigen Senatsmehrheit zu helfen, ist logisch. Trump ist im Wahlkampf ein erstklassiges Zugpferd, um Wähler zu mobilisieren. Und das müssen die Republikaner am 5. Januar unbedingt tun. Die Zeit, in der der Südstaat Georgia eine verlässliche, konservative Bastion war, ist vorbei. Der Staat wächst wirtschaftlich und zieht Zuzüger an, die Bevölkerung wird bunter, jünger, linker. Bei der Präsidentschaftswahl im November gewann Biden in Georgia – der erste Sieg eines Demokraten dort seit Jahrzehnten.

Biden profitierte von der weissen Mittelschicht in den Vororten

Aber siegreiche Wählerkoalitionen lassen sich nicht so einfach von einem Präsidentschafts- auf einen Senatskandidaten übertragen. Der gemässigte Demokrat Biden profitierte im November davon, dass sehr viele moderate, weisse Mittelschichtwähler in den Vororten von Trump so abgestossen waren, dass sie für dessen Gegner stimmten. Ob diese Wähler am Dienstag auch für Ossoff und Warnock, einen dezidiert linken, schwarzen Pastor, votieren werden, ist offen.

Für die Republikaner gelten ähnliche Unwägbarkeiten: Ob die vielen konservativen, ländlichen Wähler tatsächlich ihre Stimme abgeben, wenn der Kandidatenname «Donald Trump» auf dem Wahlzettel fehlt, ist unklar. Zudem haben die Demokraten wieder Tausende Neu- und Frühwähler mobilisiert, die vermutlich eher für Ossoff und Warnock stimmen als für Perdue und Loeffler.

Insofern wäre es hilfreich, würde Trump einfach nur in Georgia auftauchen und mit allen Republikanern an einem Strang ziehen, um die Wahlen zu gewinnen. Aber Trump wäre nicht Trump, täte er das offensichtlich Notwendige und Richtige, nur weil es notwendig und richtig ist.

Trumps Trotz führt zu einer bizarren Lage

Stattdessen ist der Präsident immer noch beleidigt, dass er in Georgia am 3. November verloren hat. Er behauptet, dass in Wahrheit er den Staat haushoch gewonnen habe, ihm der Sieg aber von Biden durch Tricks gestohlen worden sei, und zwar unter Mithilfe des republikanischen Gouverneurs Brian Kemp sowie des republikanischen Innenministers Brad Raffensperger. Seit Wochen hackt Trump auf Twitter auf die beiden Politiker ein und wirf ihnen vor, ihn hintergangen zu haben. Beweise für diese Vorwürfe gibt es nicht, im Gegenteil: Zwei Nachzählungen haben Bidens Sieg bestätigt, die Wahl in Georgia war rechtmässig und fair.

Doch Trump lässt einfach nicht locker. Die Aufnahme eines Telefongesprächs belegt nun, wie der US-Präsident von Georgias Innenminister verlangt, das Wahlergebnis zu kippen. Veröffentlicht hat die Aufnahme die «Washington Post», zuerst in Auszügen, anschliessend in ihrer ganzen und verstörenden Länge.

Trumps Trotz führt zu einer bizarren Lage: Der Präsident, dessen Partei dringend zwei Wahlsiege in Georgia bräuchte, attackiert die führenden Republikaner in dem Staat, weil er seine eigene Wahlniederlage nicht überwinden kann. Zugleich bezeichnet er die Senatswahlen, in denen er selbst Wahlkampf macht, als «illegal und ungültig». Sollten die Republikaner daher am Dienstag in Georgia verlieren, hätte das durchaus eine gewisse Logik.