Putsch im SudanGeneral erklärt Regierung für aufgelöst
Ministerpräsident Abdalla Hamdok ist vom Militär verschleppt worden. Tausende Demonstranten gehen auf die Strasse.
Das Militär hat im Sudan den Regierungschef festgenommen und den Ausnahmezustand verhängt. Der oberste General, Abdel Fattah al-Burhan, erklärte am Montag im Staatsfernsehen die Übergangsregierung sowie den Souveränen Übergangsrat für aufgelöst. Er kündigte die Bildung einer neuen Regierung mit «kompetenten Personen» an. Der abgesetzte Ministerpräsident Abdalla Hamdok sowie weitere zivile Mitglieder seiner Regierung werden vom Militär an einem unbekannten Ort festgehalten.
Mit den Massnahmen wolle er «den Kurs der Revolution korrigieren», sagte al-Burhan in seiner Ansprache. Er versicherte zugleich, noch immer «einen Übergang zu einem zivilen Staat und freie Wahlen im Jahr 2023» zu unterstützen – obwohl er alle dafür Verantwortlichen ihrer Aufgaben entband.
«Opfern uns für den Übergang»
Das Informationsministerium sprach von einem «Putsch». Hamdoks Büro forderte die Bevölkerung auf, mit «allen friedlichen Mitteln» zu demonstrieren, um «ihre Revolution von den Dieben zurückzuholen». Auch der Gewerkschaftsdachverband Association of Professionals rief auf Twitter angesichts eines «Staatsstreichs» zu «heftigem Widerstand» auf.
In Khartum versammelten sich tausende Demonstranten und blockierten Strassen, wie Reporter berichteten. «Wir werden die Militärherrschaft nicht akzeptieren und sind bereit, unser Leben für den demokratischen Übergang zu opfern», sagte ein Demonstrant.
Vor dem Armeehauptquartier schossen Soldaten in die Menge. Wie eine Ärztegewerkschaft mitteilte, wurden dabei mindestens zwölf Demonstranten verwundet.
Nach Angaben des Informationsministeriums wurden im ganzen Land die Internetdienste unterbrochen und die wichtigsten Strassen und Brücken zur Hauptstadt Khartum gesperrt.
Regierungen und internationale Organisationen weltweit zeigten sich alarmiert über die Ereignisse. «Ich fordere die Streitkräfte auf, die Festgenommenen unverzüglich freizulassen», erklärte der UN-Beauftragte für den Sudan, Volker Perthes, auf Twitter. Die Verhaftung der Zivilisten in der Übergangsregierung sei «inakzeptabel».
USA und EU besorgt
Die US-Regierung hat den Militärputsch im Sudan «aufs Schärfste» verurteilt und eine Rückkehr zu einer zivilen Regierung gefordert. US-Aussenminister Antony Blinken erklärte am Montag: «Wir lehnen die Auflösung der von Zivilisten geführten Übergangsregierung und der mit ihr verbundenen Institutionen entschieden ab und fordern ihre sofortige Wiedereinsetzung.» Angesichts des Einsatzes von scharfer Munition gegen Demonstranten durch Sicherheitskräfte zeigte er sich besorgt.
Der festgenommene Ministerpräsident der Übergangsregierung, Abdalla Hamdok, müsse sofort freigelassen werden, sagte Blinken. Das Militär hatte am Montag die Übergangsregierung aufgelöst und den Regierungschef sowie weitere Mitglieder seiner Regierung an einen unbekannten Ort gebracht.
Der deutsche Aussenminister Heiko Maas nannte Berichte über den Putschversuch «bestürzend». «Der Versuch ist klar zu verurteilen.» Eine Sprecherin des EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell forderte: «Gewalt und Blutvergiessen müssen vermieden werden.» Die Afrikanische Union und die Arabische Liga zeigten sich «besorgt».
Angesichts der Kritik versprach General al-Burhan, der Sudan werde sich an die internationalen Abkommen halten. Das nordafrikanische Land hatte kürzlich als einer von nur vier arabischen Staaten Israel anerkannt.
Erst Ende September hatte die Regierung in Khartum nach eigenen Angaben einen Putsch von Unterstützern des vom Militär abgesetzten früheren Machthabers Omar al-Baschir vereitelt.
Sitzblockade für «Militärherrschaft»
In der vergangenen Woche gingen zehntausende Sudanesen in mehreren Städten auf die Strasse, um die vollständige Machtübergabe an die Zivilbevölkerung zu fordern. Andere Demonstranten verlangten hingegen bei einer mehrtägigen Sitzblockade vor dem Präsidentenpalast in Khartum eine Rückkehr zur «Militärherrschaft».
Im Sudan hatte nach dem Sturz al-Baschirs 2019 ein sogenannter Souveräner Rat die Regierungsgeschäfte übernommen, in dem sich Militärs und Zivilisten die Macht teilen. Seitdem befindet sich das Land in einer fragilen Übergangsphase, die 2023 mit der Einsetzung einer zivilen Regierung enden sollte. Eine hohe Inflation, wirtschaftliche Probleme und tiefe politische Spaltungen verschärfen die Lage.
afp/nlu/chk
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