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Leserstimmen zum Gendergap
«Aus Evolutions­sicht ist es wenig wünschenswert, dass rechte Männer ihre Ansichten vererben»

Frauen und Maenner demonstrieren am internationalen Tag der Frau gegen die Abschaffung der Fachstelle fuer Gleichstellung im Aargau, aufgenommen am Donnerstag, 8. Maerz 2018 in Aarau. (KEYSTONE/Ennio Leanza)
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«Junge Frauen haben keine Lust auf rechte Männer»: Das war der Titel eines Artikels, der sich mit dem politischen Gendergap weltweit befasst und unsere Kommentarspalte heisslaufen liess. Danke für Ihre Inputs! Die Kommentare unserer Leserinnen und Leser spiegelten im Grunde genau die gespaltene Haltung gegenüber feministischen Bestrebungen wider sowie die politische Polarisierung der Gesellschaft. Ebendiese führt gerade unter den jungen Menschen zur radikalen Ablehnung der jeweils anderen Seite – und unter den jungen Männern auch zu einer Verunsicherung.

In Grossbritannien glauben deshalb laut einer neuen Studie Gen-Z-Männer häufiger als Boomer, dass der Feminismus mehr Schaden als positive Veränderungen verursacht habe. Und gemäss einer grossen Männerumfrage des Magazins «Annabelle» und von Sotomo aus dem Jahr 2021 haben in der Schweiz weniger als die Hälfte der Männer zwischen 16 und 34 Jahren eine klare, stabile Vorstellung davon, was es heute bedeutet, ein Mann zu sein. In den älteren Generationen sind es signifikant mehr. 68 Prozent dieser Altersgruppe wiederum halten die Geschlechterdebatte für wichtig oder sehr wichtig (in den älteren Generationen sind es weniger).

Als einen Beitrag zu dieser Debatte haben wir Ihre Kommentare gesichtet und unter drei Aspekten plus Fazit zusammengestellt. Allseits spürbar ist die Unversöhnlichkeit der verschiedenen Lager – und diese weckt Ängste.

Was wollen Frauen wirklich?

Eine der Kommentatorinnen bekennt ohne Wenn und Aber, dass sie tatsächlich nie und nimmer mit einem rechtsdenkenden Mann eine Familie würde gründen wollen. Eine andere hält fest, der Austausch mit Rechtsdenkenden lohne sich erst gar nicht. Diese seien inzwischen unfassbar radikalisiert, finden manche, und keine «normalen» Konservativen mehr.

Dagegen behauptet ein Kommentator: «Frauen wollen Männer. Und sagen, sie wollen männer (extra klein geschrieben).» Es kursiert unter den Kommentierenden auch die altbekannte These, dass den Frauen die Flausen schon vergehen, wenn sie mal Kind, Mann und den Traum vom Häuschen im Grünen haben. Dazu gehört auch die mal explizit geäusserte, mal subkutan pochende (etwas überraschende) Annahme, dass rechte Männer besser für das Auskommen der Familie sorgen könnten als linke.

Eine Frau wiederum, die sich mit ihren früheren Partnern nicht über die Verteilung der Haushaltspflichten einigen konnte, pointiert: «Ich jedenfalls hab keine Lust mehr auf WC-Deckel-Diskussionen und wohne allein. Ist unterm Strich der bessere Deal, für die Finanzen wie die Nerven.»

Wer bekommt in Zukunft die grösseren Probleme?

«Junge Frauen sind durch die Bewegungen wie #MeToo in ihrem Selbstbewusstsein derart gefördert worden, dass sie sich nun narzisstischen Tendenzen verschreiben. Sie glauben, dass sie zu gut für den Durchschnittsmann sind», ist eine Leserin überzeugt. Sie seien dadurch kaum beziehungsfähig und versteckten «ihr Defizit hinter absurden feministischen Theorien». Ein Leser spottet: «Es wird in Kürze einsam rund um die jungen Frauen.» Ein anderer entwickelt gar die These, dass die vereinsamten Frauen dereinst in der Hobby-Prostitution landen würden.

Dagegen kontert ein Kommentator, dass gegen Feminismus zu sein, also «gegen die komplette Gleichberechtigung der Frauen», sich klar gegen die Selbstbestimmung und damit die Freiheit der Frau richte: «Mein Mitleid, dass Männer mit solchen gesellschaftlichen Vorstellungen keine Partnerinnen abkriegen, hält sich schon sehr in Grenzen. Und nein, ich finde nicht, dass Frauen hier nun Kompromisse machen müssen. Sie sind Kompromisse nämlich in der Vergangenheit schon viel zu oft eingegangen.» Eine weitere Kommentatorin resümiert zufrieden, dass nun die Deutungshoheit der weissen Männer bröckle und endlich scheinbar gottgegebene Privilegien flöten gingen.

Was bedeutet der Geschlechtergraben für die Gesellschaft?

Die einen freuen sich darüber, dass diese Spaltung vermutlich zu einem globalen Geburtenrückgang führe – zumindest begründet etwa die «Financial Times» den drastischen Geburtenrückgang in Südkorea mit dem tiefen politischen Geschlechtergraben dort, ähnlich tut es die «Washington Post» für die USA. Andere sehen exakt diese Entwicklung mit Sorge. Mangelnder Nachwuchs sei ja bereits jetzt ein Problem.

Ein Kommentator betrachtet es jedoch als Plus, dass die Leute, die zueinander passten, bei derart klaren Haltungen schneller zusammenfänden, ohne Umwege über unpassende Partner.

Ein weiterer sieht eine andere positive Entwicklungslinie: «Als Mann muss ich leider feststellen, dass diese Frauen recht haben. Und aus Evolutionssicht ist es wenig wünschenswert, dass diese rechten Männer ihre Ansichten vererben.» Es sei gut, dass diese Frauen sich nicht mehr von purer Kraft und Männlichkeit, sondern von Intelligenz und Menschlichkeit überzeugen liessen.

Andrew Tate leaves the Bucharest Tribunal in Bucharest, Romania, Thursday, Feb. 1, 2024. (AP Photo/Vadim Ghirda)

Sorgenvoll stimmt manche Kommentatorinnen und Kommentatoren allerdings der Rechtsschwenk der jungen Männer. Ob man in einem Jahrzehnt stramm rechte Mehrheiten habe, wird gefragt; und es wird auf die vielen jungen (männlichen) Fans von toxischen Manfluencer-Figuren wie Andrew Tate verwiesen, der bekanntlich der Vergewaltigung und des Menschenhandels angeklagt ist. Man spekuliert, ob ein zu «harter» Feminismus kontraproduktiv sei.

In dieselbe Kerbe schlagen auch moderate Stimmen. Man sieht einerseits das Leid des lange unterdrückten Geschlechts, andererseits dasjenige der (jungen) Männer, die es heutzutage nicht leicht haben, einen Platz für sich zu finden. Ein Kommentator urteilt, Gleichstellungspolitik erfordere Genderwissenschaft statt Feminismus – und Härte gegen Hasser. «Kinder müssen zu Menschen mit Selbstvertrauen aufwachsen dürfen. Hatespeech durch Frauenhasser und Männerhasserinnen muss konsequent bestraft werden, denn Hass sät Hass und zerstört jede Gesellschaft.»

Fazit

Auch die Lektüre Ihrer Kommentare macht klar: Es ist kompliziert. Seitens der Frauen besteht immer noch ein Nachholbedarf, ausgeglichen sind die Verhältnisse generell keineswegs, wie schon ein kurzer Blick auf Kaderjobs und Löhne verrät, linke und feministische Bestrebungen und Anliegen haben ihre Berechtigung. Andererseits kann es nicht das Ziel sein, heranwachsende Männergenerationen in einem diffusen Gefühl der Schuld, der Wut oder des Ungenügens hängen zu lassen. Es ist gefährlich, den Dialog aufzukündigen.