Gemeinderat und Rechnungsprüfer sind uneins über Neubewertung
Mit der Einführung des neuen Rechnungslegungsmodells können die Gemeinden ihr Verwaltungsvermögen neu bewerten lassen. In Herrliberg kämpft der Gemeinderat gegen eine solche Neubewertung, während die Rechnungsprüfungskommission das System befürwortet.

Herrliberg könnte auf einen Schlag um gut 40 Millionen Franken reicher werden. Zumindest, wenn die Gemeindeversammlung am nächsten Mittwoch Ja sagt zur Neubewertung der Liegenschaften im Verwaltungsvermögen. Dieses so genannte Restatement geht einher mit dem neuen Harmonisierten Rechnungslegungsmodell 2 (HRM2), dessen Einführung das neue Gemeindegesetz für 2019 vorsieht. Doch während HRM2 zwingend kommt, haben die Gemeinden bei der Frage, ob sie das Restatement einführen, freie Hand.
So verlockend sich ein Zuwachs von 40 Millionen Franken beim Eigenkapital anhört, neues Geld wird deswegen nicht in die Gemeindekasse gespült. Es würden lediglich neue Buchwerte geschaffen. Das Verwaltungsvermögens würde deutlich wachsen, doch da es sich dabei um öffentliche Infrastruktureinrichtungen wie Schulhäuser, Gemeindestrassen oder die Sportanlage handelt, ist das Geld gebunden. Die Gemeinde könnte diese Bauten also nicht verkaufen.
Doppelt abgeschrieben
Der Herrliberger Gemeinderat empfiehlt den Stimmbürgern auf die Neubewertung zu verzichten. Gemäss Finanzvorsteher Reto Furrer (FDP) hätte diese nämlich nicht nur keine tatsächlichen Einnahmen zur Folge, sondern würde die Gemeinde sogar zusätzlich etwas kosten. Er schätzt den Aufwand für die Verwaltung auf 160 bis 180 Arbeitstunden. Dazu kämen noch die Kosten für die Schätzung. Dafür rechnet er mit Ausgaben in fünfstelliger Höhe. «Das wäre eine Riesenübung und das zu einem Zeitpunkt, wo wir durch die Umstellung auf HRM2 sowieso schon einen grossen Aufwand betreiben müssen.»
Beim Restatement müssten alle Investitionen seit 1986 auf der Basis der ursprünglichen Anschaffungswerte neu bewertet, in die Eröffnungsbilanz 2019 aufgenommen und abgeschrieben werden. «Mit der Neubewertung würden alle höher bewerteten Liegenschaften, die mit Steuergeldern bereits abgeschrieben wurden ein zweites Mal abgeschrieben», sagt Furrer. Dies erachte er als nicht sinnvoll. «Anders ist das bei Gebäuden im Finanzvermögen, aber diese werden auch alle zehn Jahre neu bewertet.»
Und was sagt der Finanzvorsteher zu dem Vorwurf von Befürwortern der Neubewertung, dass Gemeinden, die auf diese verzichten, sich künstlich arm rechnen, um Forderungen nach Steuersenkungen zu entgehen? «Das ist ein Nebenaspekt, aber wenn mehr Geld vorhanden ist, kann dies natürlich auch Begehrlichkeiten wecken.»
RPK für Neubewertung
Eine diametral entgegengesetzte Position vertritt die Herrliberger Rechnungsprüfungskommission (RPK), welche die Einführung des Restatements und somit die Ablehnung der Vorlage an der Gemeindeversammlung empfiehlt. «Der Vorteil einer Neubewertung liegt darin, dass eine hohe Transparenz betreffend der tatsächlichen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage geschaffen und so eine saubere Grundlage für die finanzwirtschaftliche Haushaltsteuerung gelegt wird», sagt Joel Gieringer (FDP), Präsident der RPK. Zudem steigere die einheitliche Bewertung nach HRM2 die Aussagekraft des bilanzierten Verwaltungsvermögens. «Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass damit Aufwand verbunden ist: Dieser ist jedoch gut investiert», sagt Gieringer weiter.
Da die letzte Bewertung in den 80er-Jahren durchgeführt wurde, ist für Gieringer klar, dass die Neubewertung überfällig ist. Mit HRM2 resultierten durch die Neubewertung des Verwaltungsvermögens realistische Abschreibungen, sagt der RPK-Präsident.
Die Abschreibungen würden neu linear erfolgen, es würden also über einen festgelegten Zeitraum jährlich die gleiche Summe abgeschrieben. Beim degressiven Abschreiben konnten die Gemeinden bislang der Haushaltslage angepasst unterschiedlich hohe Summen pro Jahr abschreiben. «Mit HRM2 erfolgen über eine kurze Zeitspanne Doppelabschreibungen, weil es ein Modell ohne stille Reserven ist», erläutert Gieringer. «Die grossen Pluspunkte liegen im klar kalkulierbaren Kostensockel und der realistischen Darstellungen des Verwaltungsvermögens in der Bilanz.»
Erste Gemeinde im Bezirk
Herrliberg ist die erste Gemeinde des Bezirks, die über die Neubewertung abstimmt. Im Bezirk Horgen hat Thalwil bereits über das Restatement entschieden. Dort hat die Gemeindeversammlung der Neubewertung zugestimmt. Allerdings waren die Vorzeichen andere, da nicht nur die RPK, sondern auch der Gemeinderat eine Annahme der Neubewertung empfohlen hatte.
Gemeindeversammlung, Mittwoch, 28. Juni um 20 Uhr im Zehntensaal der Herrliberger Vogtei.
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