Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Neue Erkenntnisse zum Fall Yverdon
Polizei nennt Motiv des Geiselnehmers – vor tödlichem Schuss wurde Taser eingesetzt

A Swiss Police officer inspects the inside of a train, where passengers travelling from Yverdon to Sainte-Croix were earlier held hostage, in Essert-Sous-Champvent, western Switzerland, on February 8, 2024. Passengers on a train linking Yverdon to Sainte-Croix, were taken hostage by an armed man and released unharmed police and the online newspaper 24 Heures reported on February 8, 2024. (Photo by Fabrice COFFRINI / AFP)
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

In der Nähe von Yverdon nahm ein Mann am Donnerstagabend 12 Passagiere und den Lokführer des Zuges als Geisel. Beim Täter handelt es sich laut der Waadtländer Kantonspolizei um einen 32-jährigen Iraner, der in der Schweiz ein Asylgesuch gestellt hatte. Als die Polizei nach über vier Stunden eingriff, sei der Täter mit erhobener Axt auf Polizisten und Geiseln zugegangen. Zuerst habe einer der Polizisten versucht, den Mann mit einem Taser zu stoppen. Als dies keine Wirkung zeigte, schoss ein zweiter Polizist auf den Täter. Dieser wurde tödlich verletzt.

Was war das Motiv des Geiselnehmers? Die Waadtländer Polizei geht nicht von einem Terrorakt aus. «Es gibt keine Hinweise, die auf einen terroristischen Akt hindeuten. Weder Terrorist noch Jihadist», erklärte Jean-Christophe Sauterel, Sprecher der Waadtländer Polizei gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-ATS. Das Motiv hänge ersten Ermittlungen zufolge mit seiner Situation als Asylsuchender zusammen, teilte die Polizei am Freitagabend mit. Zudem sei es «auf seinen hartnäckigen Wunsch zurückzuführen, mit einer Mitarbeiterin eines Asylbewerberzentrums in Kontakt zu treten». Die Polizei musste wegen des Verhaltens des Mannes schon mehrmals einschreiten. Die Ermittlungen werden von der Staatsanwaltschaft fortgesetzt.

Es kursiert ein Video, das von einem der Zugpassagiere aufgenommen wurde. Dieses zeigt mutmasslich den Täter, wie er sich in gebrochenem Englisch an die Zugpassagiere wendet. Er sieht jung aus, hat kurze Haare und einen Dreitagebart, trägt ein dunkelgrünes T-Shirt und helle Jeans. Er schwingt einen Hammer in der Hand. Laut der Kantonspolizei war der Täter mit einer Axt, einem Hammer und einem Messer bewaffnet.

Der mutmassliche Täter spricht auch von der Ukraine

Der Mann scheint im Video seine Situation erklären zu wollen – in unzusammenhängenden Worten. Sein Wortschatz wirkt eingeschränkt, in sein Englisch mischt er Worte auf Farsi. «Ich gut. Demokratie nicht gut. Diese Leute nicht.» Weiter spricht er von einem «Problem mit Wegschicken» und sagt, er würde gerne nach England gehen. «Ja, ich bin verrückt. Gut?», sagt er. Und: «Hier gibt es keine Arbeit.» Am Ende des kurzen Videos spricht er auch noch von der Ukraine. «Nicht Ukraine, zurück in die Schweiz.»

Screenshot des Videos eines Passagiers, das den mutmasslichen Täter im Zug zeigt.

Der Mann scheint also unzufrieden damit gewesen zu sein, in der Schweiz zu sein. Dem Vernehmen nach soll sein Asylgesuch abgelehnt worden sein. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) äussert sich auf Anfrage bisher nicht zum Fall.

Die Waadtländer Kantonspolizei hatte ursprünglich mitgeteilt, dass der Iraner einem Asylzentrum im Kanton Neuenburg zugewiesen worden sei. Die Polizei revidierte diese Aussage jedoch am Freitag. Er sei dem Kanton Genf zugewiesen worden. Dort soll er im grossen Flüchtlingszentrum gelebt haben, das der Kanton auf dem Palexpo-Gelände, unmittelbar beim Flughafen eingerichtet hat.

Der Mann soll im Jahr 2022 in die Schweiz gekommen sein. Offenbar war er zuletzt untergetaucht. Er scheint sich auch in anderen Ländern aufgehalten zu haben.

Jans unterbricht Ferien

Justizminister Beat Jans hat seine Ferien in Mürren im Berner Oberland unterbrochen, um sich in Bern über die Vorgänge informieren zu lassen, wie es in seinem Departement auf Anfrage hiess.

Auf X (vormals Twitter) nahm er zum Vorfall Stellung. Er schreibt: «Mit grosser Betroffenheit habe ich von der Geiselnahme in einem Regionalzug in Yverdon erfahren. Ich habe mit den involvierten Polizeikräften telefoniert und ihnen für ihren Einsatz gedankt.» In einem zweiten Post auf X ergänzt Jans: «Die Bevölkerung hat ein Anrecht auf Sicherheit. Ich wünsche den Beteiligten und ihren Angehörigen viel Kraft bei der Bewältigung der Erlebnisse.» Das SEM werde mit den betroffenen Kantonen die Hintergründe dieses Falls aufarbeiten und mögliche Konsequenzen prüfen.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Das SEM verzeichnete 2023 (bis Ende November) rund 540 Asylgesuche von Personen aus dem Iran. Die Schutzquote liegt bei 37 Prozent, mehr als die Hälfte muss also zurückkehren. Iran stellt nur für Personen ein Laissez-Passer aus, die sich zur freiwilligen Rückkehr bereit erklärt haben. Eine zwangsweise Rückführung ist laut dem SEM aber möglich, wenn ein iranischer Pass vorhanden ist.

Frage nach psychischen Problemen

Der mutmassliche Täter wirkt im Video verwirrt. Das wirft die Frage auf, ob er allenfalls an psychischen Problemen litt – und ob das im Asylprozess erkannt wurde. Flüchtlingsorganisationen weisen immer wieder darauf hin, dass viele Asylsuchende an psychischen Problemen leiden, weil sie im Herkunftsland oder auf der Flucht traumatische Erfahrungen machten. Oft bleiben die Probleme unerkannt und unbehandelt, was auch mit dem Mangel an entsprechenden Fachkräften zu tun hat. Falls der Geiselnehmer von Yverdon tatsächlich nach einem negativen Asylentscheid untergetaucht ist, hätte dies aber auch eine psychologische Behandlung erschwert respektive verunmöglicht.

Die UNO-Flüchtlingsorganisation UNHCR empfiehlt in einem Bericht von Ende 2023, die Anzahl des Pflegefachpersonals in den Bundesasylzentren an die gestiegene Zahl der Asylsuchenden anzupassen, «soweit dies angesichts des Fachkräftemangels möglich ist». Weiter empfiehlt sie, dass sich die Behörden in den Bundesasylzentren nicht auf Krisenintervention beschränken, sondern niederschwellige psychologische und psychosoziale Unterstützungsangebote schaffen. 

Das Bundesasylzentrum Altstätten zum Beispiel hat im Rahmen eines Pilotprojekts psychosoziale Beratung mittels Videoplattform getestet. Die Auswertung des Projekts zeigte, dass dies zu einer Reduzierung der Stressbelastung beitrug. Im Bundesasylzentrum Basel werden Workshops angeboten. Zudem wurde für das Pflegepersonal eine Kriterienliste entwickelt, um psychisch auffällige Asylsuchende zu identifizieren. 

Auch ein strukturierter Tagesablauf, Beschäftigungsprogramme, Kontakt zur Schweizer Bevölkerung sowie die Seelsorge könnten zur psychischen Unterstützung beitragen, schreibt das UNHCR. Weiter empfiehlt es, dass das Betreuungspersonal – inklusive Sicherheitskräfte – geschult wird, psychische Auffälligkeiten zu erkennen und mit psychisch belasteten Asylsuchenden umzugehen.

Korrektur vom 9.2.2024, 17:50 Uhr: Die Polizei hat die Anzahl Geiseln in der neusten Mitteilung von 15 auf 13 korrigiert. Der Artikel wurde entsprechend angepasst.