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Gefängniszug in Zürich
Geheimniskrämerei um die neue Haltestelle des «Jail-Trains»

Der Jail-Train stoppt in Bassersdorf 
Bassersdorf, 25.2.2020
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Das Gleis 1 in Bassersdorf ist mit keinem anderen in der Schweiz oder Europa vergleichbar: Seit Jahrzehnten verkehren von dort zwei Gefängniszüge pro Tag in Richtung Bern. Für den ¨üblichen Reiseverkehr wird der Perron nicht genutzt.

Doch spätestens wenn die SBB mit der Umsetzung des Milliardenprojekts Brüttenertunnel beginnen, sind die Tage der Haltestelle für den sogenannten Jail-Train im Zürcher Unterland gezählt. Dann wird das unscheinbare Gefangenencamp direkt am Gleis 1 verschwinden müssen. Denn der Bahnhof Bassersdorf wird komplett abgerissen und das ganze Areal umgestaltet.

Über Bahnhofsabbruch, neue Perrons, SBB-Wohnbauvorhaben, Bus und Tramvorfahrten sowie die riesige Tunnelbaustelle wird bereits seit Jahren intensiv informiert – was mit der Jail-Train-Station geschieht, wurde bislang in keinem Wort erwähnt.

Der Gefangenen-Hub von Bassersdorf liegt auf dem Gleis 1 am Ende des SBB-Parkplatzes hinter Planen versteckt.

Von den SBB ist aus Sicherheitsgründen nichts zu erfahren. Fragen seien an die Securitas zu richten. Diese führt seit dem Jahr 2000 interkantonale Häftlingstransporte im Auftrag der KKJPD (Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren) durch und arbeitet für Teilstrecken mit den SBB zusammen.

Temporärer Ersatz geplant

«Das Transportsystem baut auf der Kombination Schiene und Strasse, was Umladestationen nötig macht», sagt Urs Stadler, Leiter Kommunikation Securitas. Während der Umbauarbeiten an der Bahninfrastruktur werde jene in Bassersdorf nun «durch eine temporäre Ersatzeinrichtung oder durch zwischenzeitlich vermehrte Strassentransporte ersetzt».

Aus «Sicherheitsgründen» verzichte man auf detailliertere Angaben zu Einrichtungen, Örtlichkeiten oder Fahrplänen, heisst es von der Pressestelle der Securitas weiter.

Der Jail-Train stoppt in Bassersdorf 
Bassersdorf, 25.2.2020

Auch in Bern weist man Fragen zum Jail-Train zurück. «Dazu wird es keinerlei Informationen von uns geben», sagt der Generalsekretär der KKJPD, Florian Düblin, am Telefon.

Bis zu 50 Gefangene steigen hier um

An der heutigen Umladestation in Bassersdorf wechseln derzeit täglich zwischen 20 und 50 Gefangene das Transportmittel, wie aus früheren Berichten zu erfahren ist. Schwerverbrecher befänden sich nicht darunter, betonten die Verantwortlichen jeweils.

Allein im Jahr vor Corona sollen an diesem Ort insgesamt rund 6000 Inhaftierte umgestiegen sein. Zum Vergleich: Landesweit wurden gemäss Securitas-Angaben zur selben Zeit 16’000 Personen mit dem Jail-Transport-System befördert.

Der Jail-Train stoppt in Bassersdorf 
Zellen im Camp
Bassersdorf, 25.2.2020

Die besondere Einrichtung am Bassersdorfer Bahnhof ist seit Dezember 2004 in Betrieb. Gegenüber der Lokalzeitung «Dorf-Blitz» liess ein Securitas-Mitarbeiter zwei Jahre nach der Eröffnung verlauten, dass man «nur gute Erfahrungen» gemacht habe. «Es kam auch nicht zu Beschwerden aus der Bevölkerung oder von Anwohnern», hiess es.

Nachbargemeinden hatten sich gewehrt

Nicht ganz so optimistisch musste es bei der Standortsuche geklungen haben. Denn andere Gemeinden in der Umgebung hatten den Bau einer solchen Umladestation für Häftlinge «politisch verhindert», hiess es damals in den Medienberichten.

Der Jail-Train stoppt in Bassersdorf 
Bassersdorf, 25.2.2020

Ausserdem kam es schon zu politischen Aktionen im Zusammenhang mit dem Gefangenenverlad in den Jail-Train – wenn auch nicht in Bassersdorf. Acht Personen wurden 2018 nach einer Blockade am Umladepunkt im Gepäckverladebahnhof in Bern verzeigt. 2021 verurteilte das Berner Regionalgericht schliesslich zwei Aktivistinnen zu Geldstrafen.

Bahntransport ist zuverlässiger

Die Schweizer Justiz lässt Gefangene bis anhin bevorzugt per Bahn durchs Mittelland rollen. Weil es auf der A1 zu Staus kommen kann, vertrauen die Behörden auf die Zuverlässigkeit der Schiene.

Der Jail-Train stoppt in Bassersdorf 
Zellen im Zug
Bassersdorf, 25.2.2020

Auf welchen anderen Strecken noch Jail-Trains durch die Schweiz fahren, wird von den Behörden nicht beantwortet. Sicher ist, dass ein umgebauter alter Gepäckwagen als Beförderungsmittel dient. Darin befinden sich 18 fensterlose Zellen samt Büroraum für das Sicherheitspersonal. Letztlich besteht der Schweizer Gefängniszug nur aus einer Lokomotive und jenem schmucklosen Wagen.