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Meinung

Analyse zur Nachkriegsordnung in Gaza
Es ist Zeit für die Saudis, Verantwortung zu übernehmen

epa10854081 Saudi Arabia's Crown Prince Mohammed bin Salman talking to media upon his arrival for his welcome reception at President's house in New Delhi, India,11 September 2023. Prince Mohammed Bin Salman is on a state visit to India to strengthen the political and bilateral ties between the two countries.  EPA/HARISH TYAGI
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Die israelischen Streitkräfte dringen in immer grösserer Zahl in den Gazastreifen ein. «Alle Hamas-Mitglieder sind todgeweiht», versicherte der israelische Premier Benjamin Netanyahu. Sobald die Terrororganisation besiegt sei, so sein Verteidigungsminister Yoav Gallant, werde sich Israel aus dem Gazastreifen zurückziehen und sich der Verantwortung für die 2,2 Millionen Palästinenser komplett entledigen. Was wird dann aus dem Küstenstreifen? Im Meer verschwinden wird er nicht, auch werden sich seine Bewohner nicht in Luft auflösen. 

Tatsächlich würde eine erneute Besetzung im Desaster enden, für die Israelis wie die Palästinenser. Wer also regiert und verwaltet den Gazastreifen, wenn die Herrschaft der Hamas gebrochen ist? Wer organisiert den Wiederaufbau? Wer kümmert sich um Strassen, Schulen und Spitäler und um die Sicherheit? Die üblichen Verdächtigen, also die EU, die Nato oder auch die UNO, kommen kaum infrage. Ihnen fehlt es an Glaubwürdigkeit bei den Palästinensern oder bei den Israeli oder bei beiden.

Seit Jahrzehnten betonen die arabischen Machthaber, wie wichtig ihnen das Schicksal der Palästinenser sei.

Buchstäblich naheliegend wäre es, wenn die Araber Verantwortung übernehmen würden. Der ehemalige israelische Premier und Armeechef Ehud Barak fordert sogar einen arabischen Marshallplan für den Gazastreifen. Seit Jahrzehnten betonen die arabischen Machthaber, wie wichtig ihnen das Schicksal der Palästinenserinnen und Palästinenser sei. Wobei ihre martialische, antiisraelische und antisemitische Rhetorik kaum je zur Lösung des Konflikts beigetragen hat, wie die zahlreichen Kriege zeigten. 

Im Gegenteil: Als die Araber gemeinsam mit den Palästinensern 1947 den Teilungsplan der UNO ablehnten, fiel der eigentliche Startschuss zum Nahostkonflikt. Demnach sollte das britische Mandatsgebiet Palästina zwischen Juden und Arabern aufgeteilt werden. Die Israeli stimmten zu und haben seither ihren Staat, die Palästinenser warten immer noch darauf.

JEDDAH, SAUDI ARABIA - DECEMBER 12: HRH Prince Turki Al-Faisal attends the red carpet of "Champions" at The Red Sea International Film Festival on December 12, 2021 in Jeddah, Saudi Arabia. (Photo by Daniele Venturelli/Getty Images for The Red Sea International Film Festival)

Als Schutzmacht der Palästinenser hervorgetan hat sich stets Saudiarabien. Umso bemerkenswerter war der Auftritt des saudischen Prinzen Turki al-Faisal nach den Terrorattacken vom 7. Oktober und dem anschliessenden israelischen Bombardement des Gazastreifens. Turki al-Faisal verurteilte nicht nur Israel, sondern – im Gegensatz zu den anderen arabischen Führern – auch die Hamas. Wobei Prinz Turki als ehemaliger saudischer Aussenminister, Geheimdienstchef und Botschafter in Washington kaum ohne die Billigung Riads aus dem arabischen Chor ausgeschert ist.

Ein Engagement für die Menschen im Gazastreifen wäre ein lohnenderes Projekt als eine weitere Fussball-WM in der Wüste.

Tatsächlich hat das saudische Königshaus nicht viel übrig für die Hamas. Auch anderen Regierungen in der Region ist sie suspekt. Für die Herrscher Ägyptens, Jordaniens, der Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrains ist die islamistische Terrororganisation eine Bedrohung. Es läge also im eigenen Interesse der Saudis, im Gazastreifen eine zeitlich begrenzte, aktive militärische Rolle zu übernehmen. Sie könnten das Vakuum füllen, das die Hamas hinterlassen wird. Deshalb: Riad, bitte übernehmen! Ein Engagement für die Menschen im Gazastreifen wäre ein lohnenderes Projekt als eine weitere Fussball-WM in der Wüste.

In this handout image made available by the Saudi Ministry of Interior on September 24, 2023, Saudi forces display their skill during celebrations of the 93rd National Day in Riyadh. (Photo by Saudi Ministry of Interior / AFP) / RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY CREDIT "AFP PHOTO/ SAUDI INTERIOR MINISTRY" - NO MARKETING - NO ADVERTISING CAMPAIGNS - DISTRIBUTED AS A SERVICE TO CLIENTS

Dafür sprechen noch weitere Gründe:

  1. Saudische Stabilisierungstruppen könnten den zunehmenden Einfluss des Iran im Nahen Osten eindämmen. Die Mullahs unterstützen die Hamas mit Know-how und Waffen, die vom Iran via Jemen, Rotes Meer und Sinai in den Gazastreifen gelangen. Diesen Schmuggel könnten die Saudis unterbinden. 

  2. Saudiarabien würde durch ein solches Mandat zum Partner Israels, das den Gazastreifen weiterhin genau beobachten wird. Wegen der israelischen Reaktion auf den Hamas-Terror hat Riad die weit gediehene Annäherung mit Israel sistiert. Dem saudischen Machthaber Kronprinz Mohammed bin Salman ist sie jedoch wichtig. Wird die Befriedung des Gazastreifens zum gemeinsamen Projekt der früheren Feinde, könnte doch noch ein Durchbruch gelingen. 

  3. Die USA dürften ein saudisches Engagement im Gazastreifen unterstützen, unter anderem mit ihren Flottenverbänden im östlichen Mittelmeer. Auch Präsident Joe Biden hat die Annäherung zwischen Israel und dem Königshaus gefördert. Wird sie wieder aufgenommen, könnte Riad sein lädiertes Verhältnis zu Washington verbessern, woran dem Königshaus gelegen sein dürfte – ungeachtet der sich zuletzt häufenden Sympathiebekundungen in Richtung Russland und China. 

Die Abraham-Abkommen von 2020 könnten im Nachhinein eine ungeahnte Bedeutung erhalten.

Hilfreich wäre es ausserdem, wenn die Saudis nicht allein im Einsatz stehen, sondern von anderen arabischen Staaten unterstützt werden, am besten legitimiert durch ein Mandat der Arabischen Liga. Ägypten, das an den Gazastreifen grenzt, ist prädestiniert als Aufmarschgebiet. Als Juniorpartner der Stabilisierungstruppe kämen die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Marokko infrage, die mit Israel Frieden geschlossen haben. Die sogenannten Abraham-Abkommen von 2020 erhielten im Nachhinein eine ungeahnte Bedeutung.

Biden Meets Saudi Crown Prince - Jeddah Saudi Arabias Crown Prince Mohammed bin Salman Al Saud right, known as MBS receives US President Joe Biden who is greeted by Saudi Sports Minister Prince Abdulaziz bin Turki Al-Faisal center at the Royal Palace in Jeddah, Saudi Arabia, on July 15, 2022. Photo by Balkis Press/ABACAPRESS.COM Jeddah Saudi Arabia PUBLICATIONxNOTxINxFRAxESPxUKxUSAxBELxPOL Copyright: xBalkisxPress/ABACAx 817929_006 BalkisxPress/ABACAx 817929_006

Vielleicht würde sogar der Emir von Katar, der bisher die Hamas unterstützt hat, beim Wiederaufbau des Gazastreifens mitmachen. Als Gegenleistung könnte man ihm ebenfalls eine Annäherung an Israel in Aussicht stellen. Die Folge einer solchen multiarabischen Kooperation: Der Iran hätte exakt das Gegenteil erreicht von dem, was die Mullahs mit der Unterstützung der Hamas beabsichtigten, nämlich die Annäherung zwischen Israel und den Arabern zu sabotieren.

Um der Befriedung des Gazastreifens Schub zu verleihen, müsste allerdings Israel einen Beitrag leisten. Ein Baustopp für weitere Siedlungen im Westjordanland wäre ein Anfang. Dadurch erhielten die Palästinenserinnen und Palästinenser, die nichts mit der Hamas zu tun hatten, eine Perspektive. Eine Perspektive auf ein Leben in Würde und Sicherheit neben Israel, dessen Existenz nicht verhandelbar ist. Gelingt es, beide Palästinensergebiete zu stabilisieren und sich auf einen unbegrenzten Waffenstillstand zu einigen, könnte man irgendwann wieder über eine Zweistaatenlösung nachdenken. Aber erst dann.