Time-out«Für Schweizer Spieler wird es schwierig, ins Ausland zu wechseln»
Christoph Graf ist Präsident der Vereinigung der Schweizer Fussball-Berater. Einen Zusammenbruch des Business befürchtet er nicht.
![Spielervermittler unter sich: Christoph Graf (r., hier mit Mino Raiola) ist zuversichtlich, dass sich der Markt im Fussball wieder erholt.](https://cdn.unitycms.io/images/4sXtdAFKqql9G5iwFBWiJm.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=m9R59Y1rtG8)
«Im Normalfall ist der April ein sehr intensiver Monat für mich. Ich schaue mir Spiele im In- und Ausland an, empfange Scouts und reise auch an die eine oder andere Verhandlung. Das findet jetzt alles nicht statt, auch das Telefon läutet sonst häufiger, und Meetings gibt es kaum mehr. Im Moment ist mehr oder weniger Stillstand. Das letzte Spiel, das ich live im Stadion gesehen habe, war Basel gegen Servette am 23. Februar, ein 2:2.
Ich halte telefonischen Kontakt mit vielen Leuten und konnte administrativ einige Dinge aufarbeiten. Insgesamt hat sich das Arbeitsvolumen aber halbiert. Wichtig ist für mich persönlich, dass ich eine gute Tagesstruktur habe, und auch zu Hause jeden Tag Sport machen kann. Ich bin froh, konnte ich am Tag vor dem Lockdown noch einige Hanteln kaufen.
Die Auswirkungen des Lockdowns spürt die ganze Branche. Am stärksten sind die Clubverantwortlichen betroffen, dann die Berater und schliesslich jene Spieler, die sich in Extremsituationen befinden, wie solche mit auslaufenden Verträgen oder solche, die vor kurzem entlassen wurden, zum Beispiel beim FC Sion. Die Ungewissheit wird so
lange andauern, bis man weiss, ob und wann die Meisterschaft fortgesetzt wird, allenfalls auch ohne Publikum, und wie lange die Sommerpause dauert. Die Clubverantwortlichen brauchen einfach ein paar Eckpunkte, damit sie wieder Entscheide fällen können.
Für Schweizer Spieler wird es in naher Zukunft schwierig, ins Ausland zu wechseln. Gerade wenn sie vor einem Wechsel in eine grössere Liga stehen, will sie jeder Club noch einmal anschauen, bevor er den Deal finalisiert. Und wenn ein junger Spieler mit auslaufendem Vertrag nur lose Kontakte ins Ausland hat, werden sich diese aktuell erst recht nicht konkretisieren. Falls sein aktueller Club gleichzeitig an einer Verlängerung interessiert ist, würde ich ihm dazu raten, zu bleiben, wenn das Angebot für ihn stimmt.
«Viele Clubs werden künftig weniger Geld haben für Löhne und Transfers.»
Viele Clubs werden künftig weniger Geld haben für Löhne und Transfers. Ich glaube aber nicht an den Zusammenbruch des Business. Wir stecken in einer Talsohle, aber der Markt wird sich erholen. Es wird Verlierer unter den Spielervermittlern geben, aber die gibt es auch in einer normalen Saison. Alle reden von Mino Raiola oder Jorge Mendez, gemäss einer Erhebung beträgt das durchschnittliche Einkommen eines europäischen Fussball-Agenten pro Jahr aber nur 30’000 Euro. Die grössere Bedrohung für Agenten als die momentane Krise ist die Forderung der Fifa, dass wir nur noch 3 Prozent Kommission auf den Jahreslohn des Spielers nehmen dürfen. Aus
meiner Sicht ist das abstrus.
Natürlich kann ich noch nicht sagen, wann es weitergeht und wann sich die Lage normalisiert. Das dürfte dann der Fall sein, wenn ein Terminkalender gesetzt und eingehalten werden kann, wenn also nicht nach dem ersten Wochenende wieder unterbrochen werden muss. Ich glaube daran, dass die nationalen Meisterschaften Mitte Mai wieder aufgenommen werden können, das wäre auch für die Psychohygiene der Fans eine gute Sache.»
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