Kämpferin für DemokratieFür die Taliban ist sie eine Provokation
Die afghanische Frauenrechtlerin Fausia Kufi soll mit den radikalen Islamisten verhandeln – was für diese schon eine Provokation ist.
Fausia Kufi plädiert für Verhandlungen mit den Taliban, auch wenn sie erst vor zwei Wochen einen weiteren Mordanschlag durch die radikalen Islamisten überlebte. Sie wurde an der Hand getroffen, dennoch setzt sich die 45-Jährige dafür ein, dass die USA und die Taliban sich an einen Tisch setzen, nachdem US-Präsident Donald Trump die Verhandlungen von Doha auf Eis gelegt hat. Kufi war Vizepräsidentin der Nationalversammlung, sie ist eine der wenigen im Westen prominenten afghanischen Politikerinnen, seitdem ihre Autobiografie «Nur eine Tochter» erschienen ist. Zur Hassfigur im eigenen Land, auf die Attentate verübt werden, wurde sie auch mit ihrem Engagement für Frauenrechte.
Als Teil einer afghanischen Delegation soll Fausia Kufi nun mit den Taliban verhandeln, was diese gewiss als Affront sehen. Sie wollen nicht mit einer Frau am Tisch sitzen, schon gar nicht mit einer, die eine Meinung hat und diese artikulieren kann.
Durchhaltewillen als Neugeborenes
Kufi wurde in Kowaf Ab in der Provinz Badakhshan geboren, der nordöstlichsten Afghanistans, an der Grenze zu China und Tadschikistan. Es ist eine der schönsten, aber auch abgeschiedensten und konservativsten Provinzen des Landes, bekannt für den Opiumanbau. Ihr Vater, ein einflussreicher Politiker, hatte 23 Kinder mit sieben Frauen. Der Vater war wohl kein konservativer Hardliner, dafür spricht zumindest, dass die Mujahedin ihn getötet haben. Und dass seine Tochter die Schule besuchen durfte.
Der Titel ihrer Autobiografie bezog sich darauf, dass ihre Mutter Kufi nach der Geburt zum Sterben in die Gluthitze vor das Haus gelegt hatte, weil sie nicht noch ein Kind gebrauchen konnte, schon gar keine Tochter. Indem sie als Säugling den ganzen Tag durchschrie, stimmte Kufi die Mutter um und demonstrierte den Durchhaltewillen, der sie bis heute auszeichnet.
Fausia Kufi schildert in ihrem Buch ungerührt, wieso sie Politik macht, trotz der Morddrohungen und Anschläge. Ein halbstündiges Feuergefecht vor einigen Jahren überlebte sie zusammengekauert in einem Fahrzeug, zwei Polizisten, die sie eskortierten, wurden erschossen. Ihr Mann wurde gefoltert und starb 2003 während der Herrschaft der Taliban, im Gefängnis. Kufi legte sich auch mit der Regierung des vormaligen Präsidenten Hamid Karzai an. So protestierte sie dagegen, dass in den neuen Richtlinien des afghanischen Religionsrats 2009 stand:« Männer sind von fundamentaler Bedeutung, Frauen sind nachrangig.» Männern wurde beispielsweise erlaubt, ihre Frauen zu schlagen, solange es im Einklang mit den religiösen Bestimmungen stand.
Mit ihrer energischen und positiven Widerstandsfähigkeit taugt Fausia Kufi gut als Vorbild, vielleicht ist das die grösste Gefahr, die aus Sicht der Taliban von ihr ausgeht. Ihren Töchtern, Shuhra und Shaharzad, schrieb sie vor Jahren einen Brief für den Fall, dass sie bei einem Attentat getötet würde. Sie erklärte den beiden Mädchen, dass sie das alles täte, «damit ihr – meine heiss geliebten Töchter – frei seid, eure Leben zu leben und eure Träume zu träumen».
«Seid mutig. Fürchtet euch vor nichts im Leben. Sterbt nicht, ohne etwas erreicht zu haben.»
Seit 1979 dauert der Krieg in ihrem Land nun schon an und hat den religiösen Hardlinern immer mehr Gefolge zugetrieben, deswegen begrüsst Kufi die Verhandlungen, die von den USA mehr oder minder erzwungen wurden, auch wenn sie für die Taliban nichts übrig hat. In einem Interview mit dem «Spiegel» sagte Kufi einmal: «Die Taliban haben den Islam beschädigt. Sie haben ihn an sich gerissen, ihn korrumpiert und in ein Instrument verwandelt, mit dem sie ihre egoistischen Ziele verfolgen.» Auch nicht gerade eine leise Aussage. Aber schon den Brief an die Töchter beendete Kufi mit dem Absatz: «Seid mutig. Fürchtet euch vor nichts im Leben. Sterbt nicht, ohne etwas erreicht zu haben. Helft anderen und versucht, das Land und die Welt besser zu machen.»
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