Waffenruhe in Afghanistan Die Taliban versprechen ein bisschen Frieden
Zum Ende des Ramadan haben die Taliban eine kurze Angriffspause angekündigt. Die Regierung in Kabul will mehr.
Noch vor ein paar Tagen hatten sie von einer «Kriegserklärung» der Regierung gesprochen, nun geben sich die Taliban zahm. Die afghanischen Islamisten wollen zumindest für einige Tage die Waffen schweigen lassen, nachdem sie in den vergangenen Wochen einen Anschlag auf den nächsten hatten folgen lassen.
Besänftigt hat die Taliban offenbar der Ramadan, für viele Muslime eine Zeit der Einkehr und Reflexion. Zum Ende der Fastenzeit, das die Menschen auch in Afghanistan seit Sonntag traditionell mit Besuchen bei Freunden und Verwandten ausgiebig feiern, wollen die Taliban ihre Attacken gegen Regierungstruppen oder staatliche Einrichtungen stoppen. Zeit zum Durchatmen für die Menschen in Afghanistan, die von den permanenten Anschlägen zermürbt sind.
2000 Gefangene kommen frei
Präsident Ashraf Ghani reagierte erleichtert auf die Ankündigung. Zahlreiche von ihm ausgehende Friedensangebote hatten die Islamisten zuvor ausgeschlagen. Im Gegenzug zur Ankündigung der Taliban versprach Ghani, bis zu 2000 feindliche Kämpfer aus den Gefängnissen zu entlassen – als Geste des guten Willens.
Zudem sei die Regierung darum bemüht, mit den Taliban einen längeren Waffenstillstand zu erreichen, sagt Ghanis Sprecher. «Der nächste Schritt sind dann die direkten Verhandlungen zwischen afghanischer Regierung und den Taliban.» Dafür gebe es aber noch keinen konkreten Termin. «Wir hoffen, dass sie einsehen, dass Krieg nicht die Lösung ist» und dem afghanischen Volk den sehnlichen Wunsch nach Frieden ermöglichen.
Die Regierung hatte vor einigen Tagen einen monatelangen, lähmenden Streit zwischen Präsident Ghani und dem bisherigen Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah beendet. Letzterer erhält nun einen neuen, prestigeträchtigen Posten: Abdullah wird den Hohen Friedensrat leiten, das Gremium soll Friedensgespräche mit den Taliban auf den Weg bringen. Gelingt ihm das, wäre ihm ein prominenter Eintrag in den Geschichtsbüchern sicher, denn Afghanistan erlebt seit mehr als 40 Jahren Kriege mit wechselnden Konfliktparteien.
Das Lager Abdullahs erhält zudem die Hälfte der Kabinettsposten in Ghanis Regierung. Die Rivalität zwischen den beiden Männern hatte das politische Kabul in Atem gehalten und die Position der Taliban weiter gestärkt. Denn die Zeit ist auf der Seite der Islamisten: Sie haben Ende Februar eine bilaterale Vereinbarung mit den USA erzielt, demnach sollen die letzten westlichen Truppen Afghanistan bereits Ende April 2021 verlassen. Die Taliban sollen im Gegenzug eine Sicherheitsgarantie abgeben, dass von afghanischem Boden keine Terrorgefahr mehr ausgeht.
Die Islamisten haben einen Deal mit den USA zum Truppenabzug.
Auf Geheiss der Taliban hatte die Regierung Ghani an den Gesprächen nicht teilnehmen dürfen. Die Islamisten haben nun einen – an Bedingungen geknüpften – Deal mit den USA zum Truppenabzug. Die Amerikaner äusserten nach der Vereinbarung mit den Taliban die Hoffnung, dass binnen 100 Tagen auch die afghanische Regierung und die Taliban einen Frieden erreichen könnten.
Doch das erweist sich als Illusion. Ghani und Abdullah sind angesichts des Abzugsdatums unter zeitlichem Druck, weil die westliche Schutzmacht in absehbarer Zeit das Land verlassen wird. Zumindest gehen die meisten Afghanen davon aus, dass US-Präsident Donald Trump unabhängig vom Stand des innerafghanischen Friedensprozesses die Truppen abziehen wird.
Hintermänner aus Pakistan
Die USA begrüssten den Waffenstillstand. Dadurch ergebe sich eine Gelegenheit, «die nicht verpasst werden sollte», sagte Zalmay Khalilzad, der US-Sondergesandte für Afghanistan. Es ist nicht das erste Mal, dass die Taliban zum Ende des Ramadan einen Waffenstillstand ausrufen – auch 2018 hatten sie sich für eine kurze Feuerpause entschieden. Doch bald darauf setzten sie ihren Kampf gegen die Regierungstruppen fort. In Kabul gilt es immer noch als ausgemacht, dass Teile des pakistanischen Sicherheitsapparats die Taliban steuern und noch kein Interesse an einem dauerhaften Frieden in Afghanistan haben.
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