Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Früher Saisonstart und Klimakrise
Auch die Stars fragen sich: «Ist jetzt Zeit für ein Skirennen?»

default
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Die Bilder waren an Skurrilität kaum zu überbieten: Auf dem Pitztaler Gletscher bildeten sich letzte Woche am Lift lange Warteschlangen, die Betreuer standen sich daneben fast auf den Füssen. Diverse Nationen mit verschiedenen Athletengruppen waren nach Tirol gereist, um auf den Schneereserven des vergangenen Winters ein paar Läufe zu absolvieren. Sehr, sehr eng und ziemlich seltsam sei es gewesen, sagt der Österreicher Marco Schwarz, «im Moment fährt jeder auf den Gletscher, und weil kaum ein Gebiet offen ist, ist ein vernünftiges Training nahezu unmöglich».

Es sei dramatisch, was gerade abgehe, hält derweil Schwarz’ Teamkollege Vincent Kriechmayr fest. Er spricht vom drastischen Gletscherrückgang und der verzweifelten Suche nach Trainingsorten, «so extrem wie heuer war es noch nie. Es läuten die Alarmglocken.»

Vergangene Woche war es in Österreich auf 3000 Metern über Meer zehn Grad warm, selbst auf 4000 Metern gab es Plusgrade. Am übernächsten Samstag beginnt in Sölden bereits die neue Weltcupsaison, mit den beiden Riesenslaloms sollen Skitourismus und Skiindustrie angekurbelt werden. Fragt sich nur, ob die Werbung zum Bumerang wird. Und der Skisport noch tiefer in die Glaubwürdigkeitskrise schlittert.

«Bis zu welchem Grad sollen wir unsere Umwelt an einen Zeitplan anpassen, den wir haben wollen?»

Mikaela Shiffrin

In den sozialen Netzwerken und Kommentarspalten jedenfalls scheint gerade manch einer seinen Furor auszuleben. Die Temperaturen sind mittlerweile zwar gesunken, doch auch diverse Athletinnen und Athleten setzen sich kritisch bis sehr kritisch mit den Gegebenheiten auseinander.

Gesamtweltcupsiegerin Mikaela Shiffrin fragt: «Ist jetzt Zeit für Skirennen? Vermutlich eher nicht. Bis zu welchem Grad sollen wir unsere Umwelt an einen Zeitplan anpassen, den wir haben wollen? Oder sollten wir nicht unsere Zeitpläne an die Umwelt anpassen?» Die Amerikanerin äussert sich unlängst während einer Pressekonferenz ihres Ausrüsters – bei 25 Grad. 

Vor der Saison gebe es in Europa immer weniger Trainingsorte, sagt Shiffrin. Sie selbst sei jedenfalls noch überhaupt nicht bereit für einen fordernden Winter mit 45 Rennen. Zudem sagt die Rekordsiegerin im Weltcup, sie würde niemandem raten, im Oktober auf dem Gletscher Ski fahren zu gehen. «Spass macht es doch erst im Winter, wenn Schnee gefallen ist. Dann kann man es geniessen.»

«Man arbeitet gegen die Natur»

Der Weltskiverband FIS aber sieht das offenbar anders, so zumindest ist die Entwicklung des Kalenders zu deuten. Gab es früher nach dem Auftakt vier oder gar fünf Wochen Pause, gibt es nun nach Sölden bis Ende März gerade noch ein rennfreies Wochenende. «Ich glaube, man arbeitet nach wie vor eher gegen die Natur als mit den Begebenheiten», konstatiert Michelle Gisin.

«Wir bewegen uns nicht mit dem Klimawandel fort», ergänzt die zweifache Kombinations-Olympiasiegerin. Und weil die Situation auf den europäischen Gletschern immer prekärer werde, gehe es kaum noch anders, als in der Vorbereitungsphase nach Südamerika zu reisen.

In den letzten Wochen forderten diverse Fahrerinnen und Fahrer künftige Programmanpassungen. Lara Gut-Behrami hält etwa fest: «Wir haben weniger Schnee im November und teilweise viel im April. Es würde Sinn machen, mit der Saison erst Mitte November zu beginnen. Wenn die Leute im T-Shirt im Zielraum stehen und jene daheim vor dem Fernseher Badehose tragen, ist das nicht logisch. Das weckt bei ihnen keine Lust, selbst zu fahren.»

SOLDEU, ANDORRA - MARCH 16: Lara Gut-behrami of Team Switzerland celebrates during the Audi FIS Alpine Ski World Cup Finals Men's and Women's Super G on March 16, 2023 in Soldeu, Andorra. (Photo by Alain Grosclaude/Agence Zoom/Getty Images)

Felix Neureuther exponiert sich in derlei Diskussionen gerne. Er, der einst in Adelboden, Wengen und Kitzbühel siegte und heute bei der ARD als Experte arbeitet. Der Deutsche fordert ein Umdenken – und dass der Saisonstart deutlich nach hinten geschoben wird. Die Bilder vom Rettenbachferner in Sölden hätten ihn sprachlos gemacht und verstört. «Sie sind eine Katastrophe für den Skisport.»

Zermatt wehrt sich gegen Vorwürfe

Monatelang waren die ganz schweren Geräte auf der Piste aufgefahren, um diese fahrbereit zu machen. «Normale Sanierungsarbeiten», verteidigten sich die Bergbahnen, «Gletscherzerstörung», wetterte Greenpeace Österreich. «Der brutale Aufwand, der betrieben wird, ist es nicht wert. Das steht in keinem Verhältnis», stellt Neureuther klar. Die Schneekontrolle durch die FIS erfolgt am Mittwoch.

60’000 Kubikmeter Schnee waren in Sölden unter Vliesabdeckungen gelagert, das Depot wird mit mehreren Pistenraupen auf der Strecke verteilt. Das Vorgehen gefällt längst nicht allen, wie auch die Arbeiten in Zermatt, wo im November Abfahrten der Frauen und Männer geplant sind. «20 Minuten» berichtet, dass sich die Arbeiten auf dem Gletscher in die Schutzgebiete ausgeweitet haben könnten und allenfalls illegal seien. OK-Chef Franz Julen wehrt sich und sagt, alle Bewilligungen seien vorhanden. Man bewege sich ausschliesslich in der Schneesportzone.