Nationaltrainerin Pia Sundhage20-mal weniger Geld als bei den Männern? «Es ist traurig, aber ich bin nicht überrascht»
Die Schwedin spricht vor dem ersten Trainingscamp mit dem Nationalteam über ihre Rolle, über vielversprechende Talente – und über die vier Millionen Franken, die der Bund für die Frauen-EM sprechen will.
Pia Sundhage, wie waren Ihre ersten Wochen als Nationaltrainerin?
Es war sehr aufregend. Ich lebe jetzt hier in der Umgebung, fahre mit einem neuen Auto von einem Ort zum anderen, und es ist alles noch ein bisschen ein Auf und Ab. Jetzt sehne ich mich nach dem Tag, an dem ich die Gelegenheit habe, die Spielerinnen kennen zu lernen. Einige ihrer Namen kann ich noch nicht aussprechen, das tut mir leid.
Hatten Sie sonst schon Kontakt zu den Spielerinnen?
Ich habe beschlossen, mit drei von ihnen zu sprechen, Lia, Ramona und Ana-Maria, die sehr erfahren sind. Ich stellte mich vor und hörte ihnen zu. Mir wurden einige Fragen gestellt, eine halbe Stunde, höchstens. Es ist wichtig, zu sagen, dass ich nicht Niels oder Inka bin, ich habe das schon oft gesagt. Ich habe so viel Respekt vor den Verantwortlichen, die vor mir da waren und Grossartiges geleistet haben, auf dem ich aufbauen möchte.
Vor einigen Monaten gab es im Schweizer Team Turbulenzen, weil Rekordspielerin Ana-Maria Crnogorcevic nicht aufgeboten wurde. Wie wollen Sie solche Diskussionen verhindern?
Alle Spielerinnen spielen in verschiedenen Vereinen, meine Aufgabe ist es, sie für zehn Tage aufzunehmen. Für zehn Tage bleiben wir zusammen, und sie vertreten die Schweiz. Ich werde sie also zwischen den Aufgeboten daran erinnern, dass sie Leistung bringen müssen. Natürlich wird es einige geben, die mich kritisieren werden. Aber dafür haben wir Spiele und Zusammenzüge.
Sie bringen einen Assistenten und eine Assistentin mit. Wie wichtig sind sie?
Mit Lillie Persson arbeite ich schon viele Jahre zusammen. Sie ist eine Person, mit der ich einfach mal trashtalken kann, das ist für mich wichtig. Sie ist nicht wie ich, und das ist auch gut so. Und Anders Johansson ist so ziemlich das Gegenteil von mir. Manchmal ist das ein bisschen beängstigend, weil ich ihn infrage stellen muss und er mich infrage stellt. Aber so entsteht eine Dynamik. Mein einstiger Mentor sagte: Such dir keine Leute aus, mit denen du zu leicht zurechtkommst. Du kommst zu schnell zu einer Lösung. Du brauchst also jemanden, der dich wirklich herausfordert. Und so ist es auch hier.
Was erwarten Sie von Ihren Führungsspielerinnen?
Ich erwarte, dass sie ihr Bestes geben und Teamplayer sind. Das bedeutet, dass sie eine Menge Verantwortung übernehmen und grosszügig sein müssen. Und wenn sie grosszügig sind, dann teilen sie ihr Wissen, ihre Geschichten und hoffentlich auch ihre Erfahrungen. Das wird das Team besser machen. Und es würde auch mein Leben einfacher machen.
Was hat dieses Team für ein Potenzial?
Wenn die jungen Spielerinnen, Jahrgänge 2005, 2006 oder sogar 2007, das haben, was ich als Biss bezeichnen würde, werden sie dieses Team zum Strahlen bringen. Auch sie werden auf Schwierigkeiten stossen. Aber anstatt Angst zu haben, müssen sie da rauskommen. Ich erwähne in diesem Fall gerne meine frühere Spielerin Abby Wambach. Sie sagte immer, dass es ein Privileg sei, unter Druck zu spielen. Die jungen Spielerinnen dürfen nicht nur auf sich selbst schauen, sie müssen nach links und rechts schauen, wie in der Gesellschaft. So können sie grossartig werden. Nach dem, was ich gesehen habe, und nach Gesprächen mit Juniorentrainern könnte die Schweiz vor einer schönen Zukunft stehen.
Der Bund spricht für die EM 2025 nur vier Millionen Franken, 20-mal weniger als 2008 bei den Männern. Was sagen Sie dazu?
Zunächst einmal komme ich aus der Zeit, als es Mädchen nicht erlaubt war, Fussball zu spielen. Ich selbst habe mit den Jungs gespielt und mich Pelle genannt. Im Laufe der Jahre habe ich verschiedene Ausreden gehört. Es ist ein ständiger Kampf. Ich bin 64, und ich mache das immer noch. Und warum? Weil ich mich aus der Geldfrage raushalte. Aber ich sage Ihnen, ich habe diese Art von Fragen durchgemacht.
Es ist aber kein gutes Zeichen für den Schweizer Fussball der Frauen.
Es ist traurig, aber ich bin nicht überrascht. Ich denke, das wird auch noch viele Jahre so weitergehen. Nun, es ist, wie es ist, und es gibt Leute, die das infrage stellen. Solange wir die haben, haben wir eine Chance.
Sie waren in China, den USA, in Brasilien. Was sind Ihre Erfahrungen?
Ich war schon an so vielen Orten, und ich glaube, das hat mich reich an Erfahrung gemacht. Ich wurde aber auch mit Höhen und Tiefen konfrontiert, zum Beispiel in Brasilien, oder mit der Art und Weise, wie die Menschen in den USA unter Druck gesetzt werden. In Schweden ist alles sehr organisiert. Wir bereiten uns vor, planen für den Erfolg. Wir wissen, was heute und in den kommenden Jahren passiert. Als ich nach Brasilien kam, wollte ich das dort ebenfalls umsetzen. Jemand sagte mir dann: Hier gibt es keine Organisation, aber es gibt Leidenschaft.
Gibt es ein Beispiel dafür?
Das erste Spiel stand schon früh fest, wir spielten gegen Argentinien, das zweite sollte gegen Kolumbien sein. Ich wollte mich also vorbereiten, scoutete und so weiter. Und eineinhalb Wochen vor dem Spiel hiess es: Wir spielen nicht gegen Kolumbien, sondern gegen Mexiko. Ich werde eigentlich nie wütend, aber dort habe ich mich geärgert. Dann aber habe ich gelernt, damit umzugehen. Wenn ich die Organisation aus Schweden, den Mumm aus den USA und die Leidenschaft aus Brasilien in die Schweiz bringen kann, könnte es eine lustige Reise werden.
Wie gross war der finanzielle Anreiz, in der Schweiz zu unterschreiben?
Mir sagte mal jemand: Geh nicht dahin, wo das Geld ist, geh dahin, wo die Leidenschaft ist. Das ist für mich einfacher. Ich bekam diese Möglichkeit, und die EM 2025 war ein wichtiger Punkt. Denn ich weiss, dass die Leute arbeiten werden, dass sie aufgeregt sein und sich nach dem ersten Spiel sehnen werden.
Sie spüren diese Leidenschaft also schon?
Ja. 2013 fand die EM in Schweden statt. Ich erinnere mich noch gut an das Eröffnungsspiel gegen Dänemark. So viele Menschen, und man will unter diesen glücklichen Menschen sein. Das war einer der schönsten Momente, weil alle zusammenkamen. Ich finde, die EM wird eine Chance für die Schweiz, eine solche Atmosphäre zu schaffen.
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