Umfrage zum RentenalterFrauen sollen länger arbeiten – finden die Männer
Das Rentenalter entzweit die Geschlechter. Die Männer befürworten gemäss einer Studie mehrheitlich die Erhöhung auf 65. Die Frauen selber sagen klar Nein.
Es wird die bedeutendste Abstimmung des Jahres, vielleicht die wichtigste der Legislatur: Im Herbst entscheidet das Stimmvolk, ob die Frauen künftig zeitgleich mit den Männern in Rente gehen sollen – also mit 65 statt wie bisher mit 64 Jahren. «AHV 21» nennt sich die entsprechende Vorlage von Bundesrat und Parlament. Ihr Zweck ist es, die erste Säule der Altersvorsorge finanziell zu stabilisieren. Allerdings wird die Reform von links und insbesondere vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) energisch bekämpft. Aus Sicht des SGB sind die Frauen immer noch vielfach benachteiligt; eine Erhöhung ihres Rentenalters sei daher fehl am Platz.
Wie eine aktuelle, repräsentative Erhebung nun zeigt, ist ein sehr enges Rennen zu erwarten. Demnach sagen 45 Prozent der Befragten «Ja» oder «eher Ja» zur AHV 21. Mit «Nein» oder «eher Nein» antworteten 48 Prozent; 7 Prozent sind noch unentschlossen. Dies hat das Forschungsinstitut Sotomo im Auftrag des SGB ermittelt.
Auffällig ist, wie die Ja- und Nein-Stimmen verteilt sind. Ein tiefer Geschlechtergraben wird dabei sichtbar: Von den Frauen äussern sich nur gerade 31 Prozent positiv. 35 Prozent sagen klar «Nein», weitere 26 Prozent «eher Nein». Bei den Männern ist es genau umgekehrt. Hier liegt die Zustimmung bei 59 Prozent. Nur 35 Prozent sind dagegen.
Anders gesagt: Die Männer sind der Ansicht, dass die Frauen künftig ebenso lange arbeiten sollen wie sie selber. Die aber wehren sich.
«Dass die Geschlechter diese Frage unterschiedlich beurteilen, erstaunt mich nicht», sagt Kathrin Bertschy, grünliberale Nationalrätin und Co-Präsidentin der Frauenorganisation Alliance F. Die Frauen erhielten im Durchschnitt 20’000 Franken weniger Rente pro Jahr. Viele lehnten ein höheres Rentenalter ab, solange nicht andere Gleichstellungsschritte realisiert seien, insbesondere Lohngleichheit und bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Bertschy gibt allerdings zu bedenken, dass nicht die AHV für die tiefen Frauenrenten verantwortlich sei. Das Problem seien die geringeren Einkommen und vielen Teilzeitbeschäftigungen – «die in der zweiten Säule zudem noch sehr schlecht versichert sind».
Auch Jüngere sind skeptisch
Die Sotomo-Umfrage fördert noch weitere Gräben zutage, etwa zwischen den Generationen. Die mit Abstand höchste Zustimmung zur AHV 21 (62 Prozent) ist bei den über 65-Jährigen zu verzeichnen – also jenen, die bereits in Rente sind. Jüngere Jahrgänge zeigen sich dagegen skeptischer. Bei den 36- bis 45-Jährigen sagt nur eine Minderheit von 32 Prozent «Ja». Weitere massgebliche Faktoren sind das Einkommen – je höher, desto positiver – und die Herkunft: Die grossen (linken) Städte und das Land äussern sich negativer als die Kleinstädte und die Agglomerationen.
Aus Sicht von SGB-Kampagnenleiter Urban Hodel sind die Resultate folgerichtig. Frauen würden die «schlechte Rentenabsicherung aus persönlicher Erfahrung kennen», daher die hohe Ablehnung des «AHV-Abbaus». Dasselbe gelte für Menschen mit tieferen Einkommen, so Hodel. «Bei Haushalten mit höheren Einkommen ist die Zustimmung grösser, weil sie weniger auf die AHV angewiesen sind als eine Verkäuferin oder eine Pflegerin.»
«Es ist offenkundig eine Abstimmung, bei der die Leute sehr auf das eigene Portemonnaie schauen», bestätigt Sotomo-Geschäftsführer Michael Hermann. Ihm zufolge lassen die Umfrageergebnisse einen spannenden Abstimmungskampf erwarten. «Wie es ausgeht, ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig offen.»
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