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Durchs Schicksal geprägt
Frankreichs Ikone im Kampf gegen Rassismus

Wie einst Jeanne d’Arc: Assa Traoré ist  mit dem Kampf für ihren Bruder zum Leitstern der Antirassismus-Bewegung in Frankreich  geworden.
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Assa Traoré kann den Grund für ihre Wut und den Ansporn für ihren Kampf mit nur einem Satz erklären: «Mein kleiner Bruder Adama Traoré wurde an seinem 24. Geburtstag von Polizisten getötet.» Jetzt hat sich Adamas Tod zum vierten Mal gejährt und seine grosse Schwester Assa führte mit erhobener Faust eine Demonstration an.

Einen Tag lang haben sie und ihre Familie damals geweint, sagte die 35-jährige Traoré kürzlich, «dann mussten wir an die Front». Adama Traoré starb am 19. Juli 2016 nach einer Polizeikontrolle. Die Beamten hatten ihn in Bauchlage am Boden fixiert, er erstickte. Ein erstes medizinisches Gutachten entlastete die Beamten, Adama Traoré habe Herzprobleme gehabt. Die Traorés lieferten ein Gegengutachten. Inzwischen liegen zwölf Untersuchungen vor, ohne dass es ein Ergebnis gäbe.

«Ein Glücksfall für Frankreich»

Was als Rechtsstreit einer Familie begann, hat sich inzwischen zur meistbeachteten Protestbewegung Frankreichs entwickelt. Gefeierte Schauspieler wie Adèle Haenel und Omar Sy solidarisieren sich mit Assa Traoré, die frühere Justizministerin Christiane Taubira nannte sie «einen Glücksfall für Frankreich».

Traorés Aufstieg zur Ikone begann lange vor den «Black Lives Matter»-Protesten. Ihr erste Buch «Lettre à Adama» war ein Ereignis. Dann gelang es ihr, die Jugend in der Banlieue ebenso zu mobilisieren wie die Pariser Salon-Intellektuellen. Traoré besucht seit Jahren Schulen und Jugendzentren, um vom Tod ihres Bruders zu erzählen. Sie marschierte bei Klimademos mit und bei den Gilets jaunes. Sie sei nicht politisch, betont sie immer, es gehe ihr nur um einen gerechten Prozess für ihren Bruder. Doch im weltweiten Kampf gegen rassistische Polizeigewalt ist sie zu einer Schlüsselfigur geworden.

Antirassismus-Demonstration in Paris. Auf den T-Shirts wird Gerechtigkeit für Adama Traoré gefordert.

So viel Aufmerksamkeit führt zu Widerspruch. Ihr wird vorgeworfen, schwarze und weisse Franzosen gegeneinander aufzuhetzen. Und sie wird angegriffen, weil vier ihrer Brüder wegen Drogenhandels Gefängnisstrafen absassen, weil ihr Vater polygam lebte und sie 16 Geschwister von vier Müttern hat. Ihrem verstorbenen Bruder Adama wird zudem vorgeworfen, während einer Haftstrafe einen Mithäftling vergewaltigt zu haben. Dem Mithäftling wurde kürzlich eine Entschädigungssumme zugesprochen. Es gilt als bewiesen, dass er im Gefängnis sexuell misshandelt wurde.

Es ist kaum möglich, über Rassismus zu sprechen

Dass Assa Traorés Anhänger sich wenig für diesen Vorwurf interessieren, liegt auch daran, dass die Sehnsucht nach einer Fürsprecherin gross ist. Frankreichs Ideal der Gleichheit hat eine Kultur etabliert, in der es kaum möglich ist, über Rassismus zu sprechen, ohne dass einem vorgeworfen wird, ein auf Herkunft fixierter Fanatiker zu sein. Gerade Schwarze wurden dadurch zum Schweigen gebracht. Die Republik ist schliesslich farbenblind, über Hautfarbe spricht man nicht.

Wie viel höher jedoch die Wahrscheinlichkeit für einen jungen Araber oder einen jungen Schwarzen ist, von der Polizei schikaniert zu werden, weiss Traoré nicht nur aus Berichten von Menschenrechtsorganisationen, sondern auch aus ihrer Arbeit als Erzieherin. Bevor sie für ihren Bruder kämpfte, betreute die Mutter von drei Kindern Jugendliche in Einwanderervierteln. «Sobald die Polizei kam, hatten die Jungs Angst», sagt Traoré.