Regierungskrise in FrankreichOppositionelle von links und rechts kippen Immigrationsgesetz
Innenminister Gérald Darmanin träumte von einem Triumph. Nun haben überraschend alle wesentlichen Oppositionsparteien den Text unerwartet gestoppt – eine Niederlage auch für Präsident Emmanuel Macron.
Frankreich rutscht unverhofft in eine Regierungskrise. In einer Abstimmung in der Assemblée nationale, der grösseren Kammer des französischen Parlaments, haben sich am Montagabend überraschend alle wesentlichen Oppositionsparteien zusammengetan und aus diametral unterschiedlichen Beweggründen das Immigrationsgesetz von Innenminister Gérald Darmanin versenkt, noch bevor die Debatte im Palais Bourbon überhaupt beginnen konnte. 270 stimmten für den Ablehnungsantrag der Grünen, 265 dagegen.
Damit ist das kontroverse Gesetz, das der Linken viel zu weit und der harten Rechten nicht weit genug ging, fürs Erste vom Tisch. Wann und ob es ein neues geben wird, ist völlig unklar.
Im Wettstreit mit Marine Le Pen
Besonders bitter ist dieser Ausgang zunächst für den 41-jährigen Innenminister selbst. Darmanin hatte sich ausgerechnet, dass ihm ein Triumph mit seinem Immigrationsgesetz, das in den Medien auch «Loi Darmanin» genannt wurde, den Weg für die nächste Präsidentenwahl 2027 ebnen würde. Er gab ziemlich unumwunden zu, dass er dann ganz gerne Emmanuel Macron nachfolgen würde, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten darf.
Während Monaten tourte Darmanin durch die Fernsehstudios und warb für sein Gesetz im Wissen, dass viele Franzosen in Umfragen eine härtere Gangart im Umgang mit der Migration forderten. Ziel war es auch, der extremen Rechten und ihrer Anführerin Marine Le Pen das Paradethema streitig zu machen.
«Bös mit den Bösen und nett mit den Netten»
Für einen Triumph brauchte er allerdings viele Stimmen, am besten von beiden Seiten. Den Rechten versprach Darmanin eine Verschärfung etwa bei der Ausweisung von Ausländern, die Probleme mit der Justiz haben, zudem mit einer Einschränkung des Familiennachzugs, mit der Streichung von Sozialleistungen für Asylsuchende. Der Linken wiederum verhiess er, die Regierung werde papierlosen Ausländern, die in beschäftigungsintensiven Sektoren arbeiteten, etwa auf dem Bau oder in der Haushaltshilfe, Papiere geben.
Einmal sagte er: «Ich bin bös mit den Bösen und nett mit den Netten.» Wer sich integriere, die französische Sprache lerne, die französische Flagge zu lieben gelobe, der sei willkommen in Frankreich. Alle anderen: eher nicht. Im Senat, der kleineren Kammer des Parlaments, wo die Konservativen eine Mehrheit haben, gab er den Hardliner. Nun, als das Gesetz in die Assemblée nationale kam, weichte er es wieder auf.
Der Spagat misslang, am Ende waren alle unzufrieden, die Rechten wie die Linken. Für den Innenminister ist die Ablehnung der «Loi Darmanin» eine frontale Desavouierung. Kaum war das Abstimmungsergebnis bekannt, fragten die französischen Nachrichtensender schon: «Kann er Minister bleiben?»
Darmanins Karriere scheint zumindest nachhaltig kompromittiert, was selbst in den eigenen Reihen nicht allen missfallen dürfte: Der frühere Republikaner galt immer als eine Art Klon von Nicolas Sarkozy, Präsident Frankreichs von 2007 bis 2012. Sarkozy war auch immer sein Modell: Wie sein Vorbild wollte er als Innenminister den Sprung an die Staatsspitze schaffen.
Grösste Ohrfeige für Präsident Macron
Und wenn nun auch alle auf Darmanin schauen, eine der wichtigsten, prägendsten und polarisierendsten Figuren in der französischen Regierung: Die «gifle», die Ohrfeige, in der Assemblée nationale, stellt auch die bisher grösste innenpolitische Niederlage für Macrons parlamentarische Mehrheit und damit für den Präsidenten persönlich dar, seit der im Amt ist – seit 2017 also.
In seiner ersten Amtszeit hatte Macrons Lager über eine absolute Mehrheit in der Abgeordnetenkammer verfügt, da war es einfach. Seit 2022 regiert er nur noch mit einer relativen Mehrheit und muss oft auf die Brechstange zurückgreifen, auf den Verfassungsartikel «49-3», um Gesetze durchs Parlament zu bringen. Neunzehn Mal schon. Auch für die Rentenreform setzte die Regierung «49-3» ein.
Gérald Darmanin hatte gehofft, er würde es sogar ohne diese Forcierung schaffen, entsprechend gross wäre sein Triumph gewesen. Nun scheiterte er also schon vor der Debatte, fuhr kurz darauf zum Präsidenten ins Élysée, um seine Demission einzureichen. Doch Macron wies den Rücktritt zurück.
Fehler gefunden?Jetzt melden.