China kämpft um sein ImageFoto von Gewichtheberin Hou Zhihui verärgert die Chinesen
Olympische Erfolge in Tokio genügen Pekings Funktionären erst dann, wenn internationale Medien sie auch ins erwünschte Licht setzen. Andernfalls reagieren sie mit Verbalattacken.
Eigentlich läuft es für China sportlich gerade richtig gut. Das Land steht an der Spitze des Medaillenspiegels in Tokio. Ein halbes Jahr vor den Olympischen Winterspielen in Peking könnten die chinesischen Sportler als erfolgreichste Mannschaft nach Hause zurückkehren.
Doch anstatt den Erfolg zu feiern, zeigen sich Staatsmedien und Regierungsvertreter seit Tagen vor allem verärgert. Gleich zum Auftakt sorgte der Fall der Gewichtheberin Hou Zhihui für Proteste aus Peking. Die Sportlerin brach drei olympische Rekorde und eroberte eine Goldmedaille in ihrer Gewichtsklasse. Kurz nach ihrem Sieg warf die chinesische Botschaft in Sri Lanka der Nachrichtenagentur Reuters aber vor, absichtlich ein unvorteilhaftes Foto der Gewinnerin veröffentlicht zu haben.
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Das Foto ging um die Welt. Es zeigt die junge Frau mit schmerzverzerrtem Gesicht, während sie die Gewichte stemmt. Obwohl das Foto auch in chinesischen Medien erschien, erklärte die Botschaft, es sei respektlos, Sportler in Aktion zu zeigen. Sie nannte Reuters «voreingenommen» und «schamlos», die Auswahl dokumentiere, «wie hässlich» die Nachrichtenagentur sei: Sie stelle Politik und Ideologie über den Sport.
Auch andere Nachrichtenagenturen, so zum Beispiel auch die Schweizer Fotoagentur Keystone, hatten ähnliche Bilder der chinesischen Gewichtheberin verbreitet.
Später griff die chinesische Vertretung auch den US-Sender CNN an, der Chinas Medaillengewinn und steigende Covid-19-Zahlen bei Olympia in einer Überschrift nannte. Die staatliche Zeitung «Global Times», die für ihre nationalistischen Kommentare bekannt ist, stellte es so dar, als seien CNN und Reuters dabei erwischt worden, wie sie China bei den Olympischen Spielen unfair ins Visier nähmen.
Attacken der Wolfskrieger Chinas
Chinesische Diplomaten und Funktionäre machen nicht zum ersten Mal mit harschen Äusserungen auf sich aufmerksam. Verbalattacken der rüden Art gab es in den vergangenen Jahren immer wieder. Sie brachten den wütenden Funktionären den Spitznamen Wolfskrieger ein, benannt nach einer chinesischen Actionfilmserie, deren Held ausländische Mächte das Fürchten lehrt.
Noch im Juni hatte Staats- und Parteichef Xi Jinping die Parteivertreter dazu aufgerufen, ihren Ton zu mässigen. Die Partei müsse «offen und selbstbewusst sowie bescheiden und genügsam sein – und strebend, ein glaubwürdiges, liebenswürdiges und respektiertes Bild von China zu erschaffen». Davon ist in Tokio wenig zu spüren.
Schon die Eröffnung der Wettkämpfe erregte Chinas Zorn. In der Zeremonie, ausgestrahlt vom japanischen Sender NHK, wurde die Mannschaft aus Taiwan als – nun ja, Mannschaft aus Taiwan vorgestellt. Der demokratische Inselstaat vor Chinas Küste, auf den Peking Ansprüche erhebt, nimmt seit 1984 offiziell als «Chinesisch Taipeh» an Olympischen Spielen teil, um Spannungen mit China zu vermeiden.
Zur Strafe für den Tabubruch in Tokio unterbrach die chinesische Videoplattform Tencent Video die Übertragung der Zeremonie – zum Ärger ihrer Zuschauer, die zum Teil den Einmarsch chinesischer Sportler verpassten.
«Verletzte Gefühle des chinesischen Volkes»
Auch der US-Sender NBC setzte sich in die Nesseln. Das chinesische Konsulat in New York beschwerte sich über eine «unvollständige» Landkarte in der Olympiaberichterstattung. Auf der China-Karte waren weder Taiwan noch das Seegebiet eingezeichnet, das Peking im Südchinesischen Meer beansprucht. Das Konsulat sprach von «verletzten Gefühlen des chinesischen Volkes».
Die «Global Times» zitierte in ihrer Kritik an westlichen Olympiaberichten auch Kommentare aus den sozialen Medien. Etwa, dass das Reuters-Foto das «fiese Gesicht» westlicher Medien und deren Bösartigkeit zeige. Die Stimmung gegen ausländische Journalisten ist mancherorts aggressiv. Vor einigen Tagen wurden Reporter bei Recherchen in der überschwemmten Stadt Zhengzhou bedroht und verfolgt.
Zuvor hatte ein KP-Jugendverband Bewohner dazu aufgerufen, einen BBC-Journalisten ausfindig zu machen, der kritisch über die Lokalbehörden berichtet hatte. Der Foreign Correspondents Club, eine Vereinigung ausländischer Journalisten in China, machte daraufhin auch Regierungsvertreter für die feindliche Haltung gegenüber ausländischen Medien verantwortlich. (Lesen Sie zum Thema auch den Artikel «USA sollen Stimmungsmache gegen China beenden».)
Chinesischer Zorn trifft auch eigene Sportler
Aber auch auf eigene Sportler richtet sich der Zorn. Das bekam die Sportschützin Yang Qian zu spüren, als sie im Dezember ein Foto ihrer Nike-Sammlung auf dem Blogportal Weibo hochlud. Nike hat in China einen schlechten Ruf, weil es sich gegen Zwangsarbeit ausgesprochen und ankündigt hat, keine Baumwolle mehr aus Xinjiang zu beziehen, wo China Uiguren in Arbeitslager sperrt.
Auch dem Hongkonger Badminton-Spieler La Long Angus Ng warfen Kritiker mangelnden Patriotismus vor. Er hatte in einem schwarzen Shirt gespielt. Viele sahen darin ein versteckte Solidaritätsbekundung für Hongkongs prodemokratische Bewegung.
Und der Ton aus Peking dürfte sich noch verschärfen, wenn sich die Debatte um die Olympischen Spiele in China intensiviert. Das EU-Parlament hat die Mitgliedsstaaten dazu aufgefordert, die Wettkämpfe politisch zu boykottieren.
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