Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Flugzeugabsturz in Kasachstan
Indizien deuten auf einen Abschuss durch Russlands Luftabwehr

Emergency specialists work at the crash site of an Azerbaijan Airlines passenger jet near the western Kazakh city of Aktau on December 25, 2024. (Photo by Issa Tazhenbayev / AFP)
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk
In Kürze:
  • Ein Flugzeugabsturz in Kasachstan könnte durch russische Luftabwehr verursacht worden sein.
  • Fotos zeigen Einschlagspuren an der abgestürzten aserbaidschanischen Maschine auf.
  • Es gab Konfliktberichte über Drohnenangriffe in Grosny in der Weihnachtsnacht.
  • Russland bestreitet Verantwortungen ähnlich wie beim Abschuss der MH-17.

Die Hinweise verdichten sich, dass Russlands Luftabwehr das aserbaidschanische Embraer-Passagierflugzeug mit Flugnummer J2-8243 abgeschossen hat. Die Maschine wollte am Weihnachtsmorgen aus der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku kommend auf dem Flughafen von Grosny in der russischen Teilrepublik Tschetschenien landen, doch sie stürzte bei einem Notanflug auf den kasachischen Flughafen Aktau ab und explodierte. Das legen Fotos und Videos des Wracks, erste Expertisen westlicher Experten und Aussagen von Überlebenden nahe. Auch die Regierung in Baku geht gemäss Medienberichten von einem Abschuss durch die russische Luftabwehr aus. Die Fluggesellschaft Azerbaijan Airlines hat als Reaktion auf den Unfall die Verbindungen in zahlreiche russische Städte eingestellt.

Der Abschuss war offenbar ein Irrtum und die Folge einer Kette mangelnder Koordination der russischen Behörden nach einem mutmasslichen ukrainischen Drohnenangriff auf die tschetschenische Hauptstadt Grosny. Beim Absturz starben mindestens 38 Menschen.

Russlands staatliche Flugaufsicht Rosawiatsia gab zunächst an, das aserbaidschanische Flugzeug sei mit einem Vogelschwarm zusammengestossen. Wegen angeblichen Nebels sei die Maschine nicht auf dem Flughafen Grosny gelandet, sondern habe den Kurs geändert und sei schliesslich in Aktau abgestürzt. Doch die Moskauer Tageszeitung «Kommersant» berichtete, dass es gar keinen Nebel in Grosny gegeben habe.

Ukrainische Drohnen zielen auf Grosny

Eine Rekonstruktion des unabhängigen russischen Exilmediums Meduza und andere Quellen kommen zu dem Schluss, dass sich offenbar Folgendes abspielte: Tschetscheniens Diktator Ramsan Kadyrow gehört zu den entschiedensten Befürwortern des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und hat Tausende Kämpfer in diesen Krieg geschickt. Für die Ukraine wiederum gehört Tschetscheniens Hauptstadt Grosny zu denjenigen Zielen, die mit bombenbestückten Drohnen angegriffen werden.

Dass dies in der Nacht zum 25. Dezember geschah, bestätigte indirekt Chamsat Kadyrow, ein enger Verwandter des tschetschenischen Diktators. «Die Information, dass Drohnen irgendein Objekt getroffen haben, ist unwahr – alle wurden abgeschossen», schrieb Chamsat Kadyrow. Dem Oberhaupt der benachbarten russischen Teilrepublik Nordossetien zufolge fielen Trümmer der abgeschossenen Drohnen in der nordossetischen Hauptstadt Wladikawkas auf ein Einkaufszentrum und lösten eine Explosion und Feuer aus.

Wegen des Drohnenalarms wurde der Flughafen von Grosny für den Flugverkehr geschlossen, wie es im Telegram-Kanal Baza hiess, der lokalen Sicherheitskräften nahesteht. Die im Anflug befindliche aserbaidschanische Passagiermaschine musste demnach abdrehen und einen Ausweichflughafen suchen. Nach dem Absturz des Flugzeugs veröffentlichte der russische Telegram-Kanal Fighterbomber, hinter dem nach Einschätzung des russischen Exilmediums iStories ein russischer Luftwaffenoffizier steht, ein Video, das etliche Einschläge mutmasslicher Geschosse in der Aussenhaut des Flugzeugwracks zeigt.

Fotos und Videos legen einen Treffer im hinteren Teil nahe

Der Infodienst Flight Radar meldete, der Dienst habe mehr als eine Stunde lang das Flugsignal der später abgestürzten Maschine verloren, ein Indiz für eine mögliche Störung des Signalverkehrs durch die russische Flugabwehr im fraglichen Zeitraum.

Weiteres Videomaterial und Fotos, wie sie auch ein Meduza-Bericht zusammenfasst, legen nahe, dass der hintere Teil des Passagierflugzeugs von einer Flugabwehrrakete getroffen wurde. Die auf Flugsicherheit spezialisierte englische Firma Osprey Flight Solutions warnte seine Kunden, dass «der Azerbaijan-Airlines-Flug offenbar von einem russischen Militär-Luftabwehrsystem abgeschossen wurde», wie AP meldete. Mehrere Überlebende sagten der Moskauer Tageszeitung «Kommersant» zufolge, sie hätten an Bord der Maschine mehrere Einschläge gespürt und Explosionen gehört.

Kremlsprecher Dmitri Peskow kommentierte, bis zum Abschluss einer Untersuchung sei es «falsch, irgendwelche Hypothesen aufzustellen». Ähnlich äusserte sich Maulen Aschimbajew, der Vorsitzende des Senats von Kasachstan, das eng mit Russland verbunden ist. Auf der Grundlage etwa von Fotos Rückschlüsse zu ziehen, sei «Spekulation».

Russland weist bei MH-17 bis heute Verantwortung zurück

An einer Untersuchung über den Absturz müssten nun eigentlich Aserbaidschan, Kasachstan, möglicherweise Russland und Brasilien als Hersteller der abgestürzten Embraer-Maschine beteiligt werden. Dass dabei die Wahrheit festgestellt und veröffentlicht wird, ist nicht selbstverständlich.

Russland streitet bis heute jede Verantwortung für den Abschuss des malaysischen Passagierflugzeugs MH-17 ab (lesen Sie hier, wie ein Angehöriger gegen das Vergessen kämpft), bei dem am 17. Juli 2014 über der Ostukraine 298 Menschen ums Leben kamen. Tatsächlich stellte eine unabhängige internationale Ermittlergruppe unter Führung der niederländischen Staatsanwaltschaft fest, dass die MH-17 von der Mannschaft eines Buk-Telar-Flugabwehrsystems abgeschossen wurde, das von einer Luftabwehrraketenbrigade der russischen Armee auf ein Feld in der Ostukraine gebracht worden war.

Der Kreml hatte zu diesem Zeitpunkt bereits rechtswidrig die Krim besetzt und organisierte den Krieg in der Ostukraine. Dabei wurden bereits vor dem Abschuss der MH-17 auch ukrainische Militärflugzeuge abgeschossen. Wegen des Abschusses wurde in den Niederlanden der ehemalige russische Geheimdienstoffizier Igor Girkin, der den Abschuss gefeiert hatte, in Abwesenheit wie auch zwei weitere Angeklagte zu lebenslanger Haft verurteilt. Bei dem Prozess verzichteten die Juristen auf Anklagen gegen die Befehlsgeber des Abschusses, die nur in der Spitze der russischen Armee, des Generalstabs und des Kreml sitzen konnten.