Das neue Album von Florian AstSex, Skandale und Seifenopern
Florian Ast ist einer der erfolgreichsten Schweizer Musiker der Vor-Streaming-Ära. Sein neues Werk «Ast A La Vista» kann als Schlussakkord des Berner Mundartrock gelesen werden.
- Florian Ast veröffentlicht sein erstes Studioalbum nach neun Jahren Pause.
- Er zieht auf «Ast A La Vista» eine vorläufige Lebensbilanz.
- Das Album enthält eine Neudeutung des Rumpelstilz-Hits «Kiosk».
Züri West? Haben sich von der Bühne verabschiedet. Gölä? Am Schuldenabbezahlen. Plüsch? Wollen nach ihrer Revival-Tour hurtig wieder ins bürgerliche Leben zurückkehren. Span? Schon länger nichts Neues mehr gehört. ChueLee, Trauffer und Konsorten? Da gehen langsam die Themen aus. Patent Ochsner? Warten wir mal das neue Album ab...
Auch ohne besonders kulturpessimistische Optik kann man konstatieren, dass es dem einst so stolzen Berner Mundartrock gerade nicht so gut geht. Ein Eindruck, der sich erhärtet, wenn man das neue Album von Florian Ast in die Bewertung mit einbezieht, jenem Herrn also, der mit über einer Million verkaufter Tonträger als einer der erfolgreichsten Schweizer Musiker der Neunziger- und Nullerjahre in den Annalen verewigt ist.
«Ast A La Vista» ist erstes Florian-Ast-Album seit neun Jahren
Es ist ja immer so eine Sache mit diesem Florian Ast. Eigentlich ist man stets kurz davor, ihn für seine bubenhafte Unverblümtheit ins Herz zu schliessen, doch alle dahin gehenden Vorstösse scheitern dann doch an der unverblümten Bubenhaftigkeit seiner Musik.
Das trifft auch im Falle seines neuesten Wurfs namens «Ast A La Vista» zu, des ersten Studioalbums nach einer neunjährigen Output-Pause. Er habe in dieser Zeit diverse Alben aufgenommen, doch es sei ihm persönlich derart ungut ergangen, dass er die Ergebnisse als «unerträgliches Jammeri-Züg» verworfen und wieder eingestampft habe.
«Ast A La Vista» sei nun das Album, das den wahren Flöru zeige, hat er in Interviews verraten. Einen bald 50-jährigen Mann also, der es vorgezogen hat, statt mit dem Leben und der Liebe zu hadern, seine heitere und leichtblütige Seite in Musik zu übersetzen. Das klingt dann in den besonders gut gelaunten Momenten des Albums so, als lege es einer etwas gar übereifrig darauf an, Menschen zum Tanzen auf Festzelt-Tischen zu bewegen.
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Da werden zu speckledrigem Rock ’n’ Roll lebensbejahende Zeilen gedichtet wie: «I ha immer scho mau uf Kaliforniä wöuä ga / Ä schöni Frou lehrä kennä in Santa Monica.» Oder Herr Ast verheddert sich poetisch im auch nach mehrmaligem Überdenken nicht Tiefgang-tauglichen Mitsingrefrain «Chumm mir singe eis wo aui chöi / U we de das nid aui chöi / de singer mer eis wo eifach aui chöi.»
Florian Asts vorläufige Lebensbilanz
Aber man findet ihn auf diesem Album dann doch noch, den nachdenklichen Florian Ast. Einen, der zusammen mit Michael von der Heide – und das ist fraglos der beglückendste Moment dieses Tonwerks – eine kleine Radio-Beromünster-Schunkelballade über eine Sorglos-Liebschaft anstimmt («Blatt im Wind»). Am anderen Ende der Grossartigkeitsskala findet sich der hoffnungslos überzuckerte Schmachtfetzen «Vergässe» mit dem einstigen «grössten Schweizer Talent» Eliane, der in nicht enden wollenden Uuuuhhhh-Chörli-Bombast mündet.
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Weil Florian Ast kein ausgewiesener Meister darin ist, Gedanken zu etwas Poetischem zu verarbeiten, ist bald sternenklar, dass sich hier einer um eine vorläufige und leicht reumütige Lebensbilanz bemüht. Und weil diese Biografie ja tatsächlich von so einigen Brüchen und unguten Wendungen zerzaust ist, hätte das durchaus eine ganz spannende Sache werden können. Doch Florian Ast lässt den ganzen Zunder in enttäuschenden Floskelhaftigkeiten verpuffen: «I gibe no lang nid uf / Und weni gheie / De stahni wieder uf.»
Oben auf der Erfolgswelle
Ja, Gründe zum Wiederaufstehen gab es in seiner Vita so einige. Als Florian Ast aus dem bernischen Kräiligen im Juli 1996 erstmals in die Schweizer Hitparade Einzug hielt, glaubte noch kaum jemand an die Nachhaltigkeit seines Tuns. Ein aufgekratzter alpiner Pop-Filou war er damals, der über Gemscheliböcke und Sex volkstümelte.
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Doch er war verteufelt erfolgreich mit seinem rammeligen Après-Ski-Plausch. Praktisch jedes seiner Alben erreichte Platin-Status. Er konnte auf ein Publikum zählen, das immer von neuem gespannt war, was dieser unverschämte Barde ihm anzubieten hatte, ganz egal ob er nun mit dem Handörgeli um die Ecke kam oder das Hitmill-Produzententeam ihm mit der Hit-Brechstange zur Seite stand. Selbst als Gölä die Mundart-Szene aufmischte und eine robustere und hemdsärmeligere Version dieser musikalischen Volksnähe etablierte, fand Ast seine Nische. Während Gölä Musik für den Stammtisch fabrizierte, kaperte Florian Ast die Skihütten-Stereoanlage.
Auf dieser Erfolgshausse sang er mit Francine Jordi die Gefühligkeitsnummer «Träne» ein. Sie verkaufte sich 60’000-mal und war somit die erfolgreichste Schweizer Single seit der Erfindung der CD. Dass er mit seiner Duettpartnerin dann auch gleich noch eine aussereheliche Beziehung einging, wurde ihm von der Schweiz verziehen, immerhin war das Ergebnis eine veritable Glanz-und-Gloria-Romanze. Daneben war Ast als Produzent für Carlene Carter, die Stieftochter von Johnny Cash, tätig, für Gölä, DJ Ötzi oder für die Bellamy Brothers.
Absturz und Rücktritt
Aber eben. Dann folgten die Negativschlagzeilen. Florian Ast verliess die Schlagersängerin für eine schauspielende Halbmexikanerin, zog nach Los Angeles, wurde von den Fans für seinen amourösen Wankelmut mit Liebesentzug gestraft und gab 2012 sein Schlagersängerehrenwort, sich für immer von den Bühnen der Welt zurückzuziehen. Es war nicht so, dass deswegen ein kollektiver Schluchzer durchs Land gehallt wäre. Es ging eigentlich ganz gut ohne ihn.
Denn auch seine Auftritte im Post-Karriere-Modus gerieten eher unglücklich. Einmal wurde er zusammen mit der sogenannten Hardrock-Gruppe Gotthard in der Funktion eines Handörgelers auf der Bühne gesichtet.
Noch unvorteilhafter war sein Auftritt im Mai 2013 unter den Scheinwerfern des Berner «Edel-Cabarets» Perroquet, von dem unglücklicherweise Filmaufnahmen die Runde machten: Florian Ast hatte seine Rolle als Lausbub der Nation während eines All-Star-Jams mit verschiedenen Mundartrock-Führungskräften wohl ein bisschen überstrapaziert, weshalb ihn der Mundartrock-Übervater und einstige Ast-Förderer Polo Hofer zornig von der Bühne wies. Florian Ast meinte noch kleinlaut, dass er, der Polo, all seine Songs kopieren tue, doch zum Konkretisieren seiner Plagiatsvorwürfe kam er nicht mehr, weil der Hofer sich nun hausmeisterartig vor ihm aufbaute und ihm unmissverständlich zu verstehen gab, dass nun fertig sei mit lustig.
Ast covert Polo Hofers «Kiosk»
Umso interessanter ist es, dass sich nun auf dem neuen Album eine Ast-Version des Rumpelstilz-Evergreens «Kiosk» findet, währschaft mit Ukulele und Handörgeli nachempfunden. Die Motive sind indes unklar. Ist das eine Ehrerweisung? Eine Revanche? Ein Wetteifern? Der astsche Kiosk ist jedenfalls so nah am Original gebaut und doch so weit von dessen Coolness entfernt, dass das Ganze wirkt, als wolle hier ein Lehrling seinen einstigen Meister mit einem Gesellenstück beeindrucken.
Überhaupt scheint dieser Mundartrock 1.0 aus Asts Manufaktur reichlich aus der Zeit gefallen. Wie ein angestaubtes Relikt aus jener Zeit, als der Rock ’n’ Roll damit begann, Gemütlichkeit anstatt Rebellion zu verbreiten – oder in der Zeitrechnung von Florian Ast: «Aus einer Generation, als die Mädchen noch Meitschis sein durften und die Giele noch Lausbuben.»
Und so geistert dieser Lausbub wie ein chronischer Schürzenjäger durch die Liedszenerien, berichtet von vergangenen Lieben, von Reue, Treue und neu aufkeimender Begehrlichkeit. Und im Song «Chumm mir singe eis» heizt der Ast – ohne Not – noch einmal die Gerüchte um seine Verstrickungen in die angebliche Liebes- und Erpressungsaffäre von Ex-Bundesrat Alain Berset an (es wird gemutmasst, dass Florian Ast eine Beziehung mit jener Frau führte, die einst Alain Berset zu erpressen trachtete).
Im Bekennerschreiben der Plattenfirma zum neuen Ast-Album sind folgende bemerkenswerte Zeilen notiert: «Florian Ast ist ein sehr talentierter Künstler, der sich auf seine Musik konzentriert und hart daran arbeitet, seine Kunst zu verbessern. Er ist ein sehr feinfühliger Mensch und hat sich entschieden, sein Privatleben nicht öffentlich zu zelebrieren.» Sagen wir es so: Zumindest Letzteres ist ihm nicht ganz so gut gelungen.
Florian Ast: «Ast A La Vista» ist im Handel erhältlich. Konzerte: Sa, 12.10., Kufa Lyss; 19.10., 15.11., Scala Wetzikon
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